Das Zollhaus
Architektur vor Ort erleben: Auch in diesem Jahr öffneten in Zürich wieder zahlreiche historische und zeitgenössische Gebäude ihre Türen. Am „Open House“-Wochenende Anfang Oktober führten Architekten und Bauherren durch ihre Projekte, gaben Einblicke in die Planungsprozesse und diskutierten mit den Besuchern.
Zürichs Architekturszene ist vital und breitgefächert – das zeigt auch die diesjährige Projektauswahl der „Open House“-Veranstaltung. Über 100 Gebäude standen an zwei Tagen allen an Architektur und Baukultur Interessierten offen – und laden weiterhin auf der „Open House“-Website zum virtuellen Architektur-Rundgang ein. Die interaktive Karte bietet sich zudem als Architekturführer für die nächste Zürich-Reise an. Zu entdecken sind wegweisende Bauten aus den vergangenen Jahrzehnten ebenso wie aktuelle Projekte, beispielhafte Sanierungen und neue Stadtquartiere. Darunter innovative Konzepte für urbanes Wohnen, neue Formate für den Gewerbebau und neue Museen, die wir im Folgenden näher vorstellen.
Gemeinschaftlich planen und wohnen: In Zürich zeigen wegweisende Bauten, wie die 2014 fertiggestellte „Kalkbreite“, wie sich Wohnen, Arbeiten und Kultur in partizipativen Prozessen in einem belebten Gebäudekomplex realisieren lassen. Das Nachfolgeprojekt der Genossenschaft Kalkbreite, das Anfang 2021 bezogene „Zollhaus“ von den Architekten Enzmann Fischer Partner, ist eine konsequente Weiterentwicklung dieser Ideen. Es verbindet Partizipation mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, mit sparsamen Flächenverbrauch und urbanen Mobilitätskonzepten. In unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs reihen sich entlang des Gleisstrangs drei Baukörper auf einem gemeinsamen Plateau.
Hinter den homogenen Fassaden in schlichtem Grau verbirgt sich eine bunte Mischung von Nutzungen, Mietern und Bewohnerschaft, ähnlich einem kleinen Quartier. 40 Prozent des Projekts sind für Gewerbeflächen vorgesehen: Die Sockelzone beleben Läden und Cafés, ein Theater und die neuen Räume des Architekturforums Zürich.
Flexibel nutzbarer Raum
Der östliche Baukörper nimmt einen Kindergarten auf, die beiden Büros sowie 15 Pensionszimmer. In den Etagen darüber verfügt das Zollhaus über insgesamt 50 kostengünstige Wohnungen, von kleinen Apartments bis zu großen Clustern für Familien und WGs. Zudem bieten experimentelle Hallenwohnungen mit Raumhöhen von 4,10 m und Flächen von 40 m2 bis zu 265 m2 vier Kollektiven großen Spielraum im Selbstausbau und im Zusammenleben.
Ein wesentlicher Aspekt des Projekts ist, die private Wohnfläche zu minimieren und im Gegenzug eine große Bandbreite an Gemeinschaftsflächen anzubieten, die das Zusammenleben fördern. Wie der Innenhof, die Dachterrassen und die dreigeschossige Eingangshalle, die als zentrales Forum und flexibel nutzbarer Raum fungiert. Sie steht auch Besuchern offen und vernetzt den Neubau ebenso informell mit dem Quartier wie die neuen „Gleisterrassen“ und die Cafés mit ihren Außenbereichen. Bäume, Sträucher, Kletterpflanzen kontrastieren mit üppigem Grün die kraftvollen, robust wirkenden Baukörper und schaffen an diesem lärmbelasteten Standort eine entspannte Stadtoase.