12.04.2024

Öffentlich

Die „Pont Neuf“ von Aarau

Brückenbau
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani

Die neue Aarebrücke, entworfen von dem Basler Büro Christ & Gantenbein in Zusammenarbeit mit den planenden WMM-Ingenieuren , der Henauer Gugler AG und August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten ist nicht nur ein wichtiger Erschließungspunkt in der 20.000 Einwohnerstadt im Schweizer Kanton Aargau.


Wahrzeichen der Stadt Aarau

Die Brücke überquert die Aare und verbindet die Altstadt auf der Südseite mit dem Quartier Scheibenschachen auf der Nordseite. Ihre besondere Gestaltung macht sie zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt, das zurzeit viele Menschen für sich entdecken. So zum Beispiel Kunstradfahrer, die unterhalb der Brücke in den Pfeilern mit ihren ellipsenförmigen expressiven Öffnungen ihren akrobatischen Übungen nachgehen. Der Projektname der Aarebrücke ist „Pont Neuf“ und täglich rollen viele tausend Autos und hunderte von Bussen über sie, um den Fluss zu überqueren.


Maße und Gestaltung

Der Entwurf der „Pont Neuf“ folgt dem traditionellen Typ der Segmentbogenbrücke. Charakteristisch für sie sind große lichte Spannweiten. Der gesamte Brückenkörper kommt ohne Fugen aus und wirkt wie eine riesige monolithische Skulptur. Die klassischen massiven Pfeiler, wie sie die Vorgängerbrücke aus der Mitte des 20. Jahrhunderts noch hatte, sind in filigranere, expressive Formen umgedacht. Die Pfeilermassen lösen sich – gut bei der Unterquerung der Brücke zu sehen – in eine Reihe elliptischer Aussparungen auf. Von der im Zuge der Baumaßnahmen ebenfalls neu gestalteten Promenade aus sind diese inneren Konturen gut zu sehen. Mit einer Länge von 119 Metern und einer Breite von 17,5 Metern bietet die Brücke zwei Fahrspuren, beidseitige Gehsteige und Fahrradwege. Wo der Uferweg von der Brücke überspannt wird, bieten große Öffnungen einen Blick auf und über das Wasser. Auf die Betonoberfläche wurde großer gestalterischer Wert gelegt: Der präzise strukturierte Sichtbeton folgt einem Arrangement, der der Brücke eine fast textile Optik verleiht und von weitem an einen Vorhang erinnert.

Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani

Uferpromenaden als Public Space

Während auf der Brücke der Verkehr rollt, werden die bestehenden Uferpromenaden neu interpretiert und aufgewertet: Auf der Seite der Altstadt entsteht eine großzügige, urbane Promenade mit einem platzartigen Aufenthaltsbereich und schattenspendenden Bäumen. Am nördlichen Uferbereich wird die Brücke von grünen Blumenwiesenflächen und natürlicher Uferbestockung begleitet. Ziel ist es, hier die Aufenthaltsqualität maßgeblich zu steigern. Auftraggeber der „Pont Neuf“ waren der Kanton Aargau und die Stadt Aarau. Die Kosten belaufen sich laut verschiedener Medienberichterstattungen auf rund 40 Millionen Schweizer Franken. Der Entwurf der Brückenarchitektur geht auf ein fünfköpfiges Team von Christ & Gantenbein zurück, zu dem Emanuel Christ, Christoph Gantenbein, Mona Farag, Tabea Lachenmann und Jean Wagner gehören.

Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani
Neue Aarebrücke Foto ©Stefano Graziani

Wettbewerb mit Respekt vor dem Aarauer Stadtbild

Der Wettbewerb zum Brückenneubau wurde 2010 ausgelobt, um eine Betonbrücke aus dem Jahr 1949 zu ersetzen. Brückenbauten haben an dieser Stelle Tradition: Seit der Römerzeit gibt es hier eine Brücke über die Aare vom historischen Stadtkern über den Zollrain nach Norden Richtung Jura. Mehrfach wurde sie durch Neubauten ersetzt. Dokumentiert sind eine Kettenbrücke von 1848 und auch die Betonbrücke von 1949. Die Brücke ist ein wichtiges Bindeglied im Stadtverkehr. Sie ist die Eingangspforte nach Aarau. Um den Verkehr nicht in chaotische Bahnen gleiten zu lassen, musste für die Zeit der Bauarbeiten eine Hilfsbrücke errichtet werden. Sie wurde wie eine normale Brücke auf- und wieder abgebaut.


Stadt- und Naturraum

Die „Pont Neuf“ ist das Bindeglied zum Stadtgefüge und gleichzeitig Teil des Landschaftsbildes an der Aare. Ihre ruhige ausgewogene Struktur bettet sie in der Flusslandschaft ein, dazu hat sie die Funktion als vermittelnder Übergang in die historische Altstadt. Die nahtlose Transformation des Brückenkörpers in die Ufermauern verbindet die Brücke mit dem Flussraum. Die „Pont Neuf“ ist eine technisch optimierte, moderne Betonkonstruktion und wirkt gleichzeitig wie ein traditionelles Bauwerk. Sie bezieht sich mit ihrer Bauweise und Gestaltung auf die Massivität der vielen historischen Steinbauten in Aarau, darunter die mittelalterlichen Häuser entlang der Stadtmauer, die nahe gelegenen Pfeiler, Stützmauern, Rampen und Uferbefestigungen. Der Beton ist leicht eingefärbt und damit auf die gewachsene städtische Umgebung abgestimmt. Mit den vielen Hohlkörpern in den Pfeilern der „Pont Neuf“, die die bogenförmige Stahlbetonkonstruktion ermöglicht, wurde das Material Beton eher sparsam eingesetzt. Die fünf unterschiedlich weit gespannten Bögen ruhen teilweise auf den Senkkästen der alten Brücke im Flussbett, die so wiederverwendet werden konnten. Alle Brückenelemente unterstützen die Lastabtragung, um eine möglichst nachhaltige, beständige Konstruktion zu gewährleisten.

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