13.04.2023

Event

Salone del Mobile 2023

Innenarchitektur

Die Modemetropole Mailand lädt auch dieses Jahr wieder zur Ausstellung internationalen Möbeldesigns ein. Vom 18. bis 23. April 2023 werden am Messegelände Fiera Milano Rho von zweitausend Ausstellern die neusten Arbeiten im Bereich Möbel und Ausstattung zu sehen sein. Doch der Salone del Mobile will sich nicht nur mit den Exponaten und dem Programm aus dem dichten Veranstaltungskalender abheben. Die Ausstellung hinterfragt die Rahmenbedingungen, unter denen sie auch 2023 wieder stattfindet: den Klimawandel mitsamt Ressourcenschonung und Nachhaltigkeitsbestrebungen.


Kontrastprogramm als Ansporn

Bereits die letzten Jahre hat der Salone del Mobile mit Nachhaltigkeitskonzepten – oder besser gesagt: -ansätzen – aufgewartet. So wurde unter anderem auf die Verlegung eines Teppichbodens verzichtet. 2021 wurden die ausstellenden Firmen gebeten, vorgefertigte Regalsysteme zur Präsentation zu nutzen („Demokratisierung des Designs“ von Stefano Boeri, der auch für den vertikalen Wald in Mailand und demnächst in Dubai verantwortlich zeichnet). Allerdings blieben viele dieser Ideen ephemere Lichtblicke in der kommerzialisierten Design-Wirtschaft. Das Kontrastprogramm zum prestigeträchtigen Salone del Mobile liefert seit 2018 die Designplattform Alcova vom Künstlerkollektiv Space Caviar, das jährlich zur selben Zeit wie der Salone in Mailand stattfindet. Hier, 2023 erstmalig beim ehemaligen Porta Vittoria Schlachthof, finden sich Studierende, Akademikerinnen und junge Künstler ganz bewusst nicht nur zum Gustieren, sondern zum Vernetzen, Entdecken und Weiterbilden ein. Einen Rückblick auf vergangene Jahr gibt der Bericht von Baumeister-Chefredakteur Fabian Peters: Alcova 2022.

Präsentiert und bald eröffnet: Der Salone del Mobile in Mailand 2023. Foto: © Salone del Mobile.Milano / Andrea Mariani

Freiwillige Nachhaltigkeit in Zeiten der Klimakrise

Fast 13 Kilometer Luftlinie quer über die Mailänder Innenstadt entfernt pilgern allerdings wie jedes Jahr Einkäuferinnen und Einkäufer, Interessierte und Branchenkenner zum Salone del Mobile. Die Ausstellung ist mittlerweile nicht nur Mitglied im United Nations Global Compact, einem seit 1990 bestehender Pakt zur Förderung von Unternehmensverantwortung unter anderem hinsichtlich Menschenrechte, Arbeitsrechte und eben auch Umwelt. Der Salone versucht außerdem, die Standards für eine ISO-Zertifizierung als nachhaltiges Eventmanagement zu erreichen. Die Ansprüche an die eigene Planung sind hoch: Nicht weniger als finanzielle, soziale und ökologische Verantwortung sollen das Handeln und Entscheiden beim Salone del Mobile 2023 prägen. Dies versucht man unter anderem durch die Einbeziehung der Veranstalter selbst und bittet diese um Priorisierung nachhaltig produzierender Lieferanten sowie Nachverfolgbarkeit der Lieferketten. Jedoch: Diese Empfehlungen sind eben nicht verpflichtend, sie sollen lediglich als Katalysator dienen, um eine nachhaltige Veränderung in der Messekultur zu bewirken.

J is for Journal Rack © Salone del Mobile.Milano
B is for Bookcase © Salone del Mobile.Milano

Harte Fakten, weiche Polster

So werden dieses Jahr 170.300 Quadratmeter Messegelände bespielt. Im 61. Salone del Mobile zeigen beinahe zweitausend Ausstellerinnen und Aussteller ihre Waren und neuen Designs und werben um potenzielle Kundschaft. Neue Trends, Farben und Materialien, Muster und Verarbeitungstechniken sind dabei nicht nur den technologischen und handwerklichen Neuerungen geschuldet. Neues Design hebt sich bewusst von bisherigem ab, erzeugt eine optisch wahrnehmbare zeitliche Diskrepanz zwischen dem Jetzt und der überholten Vergangenheit. Besonders in der Gegenwart, in der wir darauf gedrillt sind, dass Neues gut und Altes potenziell veraltet ist, neigt unser Unterbewusstsein dazu, dem Glaubensspruch zu verfallen „New is always better“. In der Jetzt-Logik beraubt sich eine Design-Ausstellung ohne Neuerungen ihrer eigenen Daseinsgrundlage. Die Frage, wie wir uns aber genau aus jenen Zwickmühlen der Wegwerf- und Verschwendungsgesellschaft herauswinden können, wäre dabei ein exzellenter Denkanstoß hin zu einer wirklich innovativen Branchenrevolution.

Design in der Zwickmühle: Nachhaltigkeitsbestrebungen des Salone. Foto: © Salone del Mobile.Milano / Andrea Mariani

Sieben in einem

Ganze sieben Ausstellungen sind unter dem Salone del Mobile zusammengefasst. Sechs davon sind neben dem namensgebenden Salone auch der Salone Internazionale del Mobile, die International Furnishing Accessories Exhibition sowie S.Project, Workplace3.0 und SaloneSatellite. Letzteres ist speziell den jungen Designerinnen und Designern unter 35 gewidmet. Rund 30 Prozent der Ausstellenden sind aus dem Ausland (der SaloneSatellite ausgenommen). Mit ins Konzept aufgenommen wurde die biennal stattfindende Beleuchtungsmesse Euroluce als siebte Ausstellung – die dieses Jahr unter anderem dem japanischen Stararchitekten und Pritzker-Preisträger Shigeru Ban den roten Teppich ausrollt. Hier setzt man auf die Synergien aus der Präsentation von Mobiliar und Beleuchtung. Die Verschmelzung beider Ausstellungen geschieht dabei zudem auf einer einzigen Etage mit einem neuen Konzept des Rundgangs; optimierte Wege und völlige Zugänglichkeit für alle Besucherinnen und Besucher stehen dabei im Fokus des Salone del Mobile, so die Präsidentin Maria Porro.

Eine eigene App soll die Orientierung erleichtern und zusätzliche Informationen bieten: Der Salone del Mobile in Mailand 2023. Foto: © Salone del Mobile.Milano / Andrea Mariani

„Testament to commitment“ auch auf regionaler Ebene

Zum diesjährigen Konzept gehört auch eine stärkere Einbindung der digitalen Präsenz in die Veranstaltung. Die Homepage des Salone del Mobile wartet mit vielen Hintergrundinformationen und Features auf. So können mehr Menschen erreicht werden, ohne dass diese aufwändige (und CO2 ausstoßende) Reisen tätigen müssen. Beispielsweise will man mit der Video-Reihe „Unboxing“ Produkte vorstellen (ganz nach den klassischen Unboxing-Videos, in denen zu sehen ist, wie neue Produkte zum ersten Mal aus ihren Verpackungen genommen und begutachtet werden). Mit den sogenannten „White Papers“ partizipieren namhafte internationale Journalistinnen und Journalisten in der Berichterstattung rund um den Salone del Mobile. Außerdem drehen sich Podcasts inhaltlich um die ausstellenden Unternehmen und ihre präsentierten Produkte. So soll der Dialog nicht nur vor Ort in den Lounges, sondern auch bis in die Kopfhörer und Lautsprecher der Interessierten zuhause vordringen.

Mit dem „Welcome Project“ kooperiert der Salone del Mobile mit der Mailänder Verwaltung, der Fondazione Fiera Milano sowie den örtlichen Designschulen in einem acht Jahre andauernden Zeitfenster. Ziel des Welcome Project ist es, sich „Inklusion, Einsatz und Ausbildung“ zu verpflichten und den regionalen Design- und Architekturschmieden eine Plattform der Repräsentation zu bieten. Dadurch wird dem Salone auch in den kommenden Jahren eine spannende Zukunft bescheinigt. Schließlich profitieren durch die Einbindung der Bildungsstätten nicht nur die Studierenden, sondern auch der Salone del Mobile selbst von der Nähe zur jungen Avantgarde in Sachen Design und Innovation.

Abgesehen von den Nachhaltigkeitsansprüchen ist diese Ausstellung der Superlative letztlich nicht nur ein etabliertes Branchenhighlight, sondern auch ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor für den Standort Mailand im Norden Italiens. Abseits von Industrie und Luftverschmutzung sucht die Stadt schließlich seit längerem eine neue, positive Identität – und fand mit dem Potenzial des Salone del Mobile eine dankbare Galionsfigur. So kann man sich mehr der innovativen Designwelt zuwenden, freut sich auch Bürgermeister Guiseppe Sala: „Mailand heißt Designer, Planerinnen, Architekten und Herstellerinnen herzlich willkommen und wir freuen uns, designverliebten Besucherinnen und Touristen die innovativen Entwicklungen des Salone näherbringen zu können — auf dem Messegelände und darüber hinaus.“ Was man daraus auch zukünftig noch machen wird, steht vielleicht in den Sternen. Oder es zeigt sich womöglich beim Blick in die gleißenden Leuchtkörper der Euroluce.

Der Salone del Mobile.Milano findet vom 18. bis 23. April 2023 von jeweils 8:30 Uhr bis 18:30 Uhr auf dem Mailänder Messegelände Rho statt. Die Ausstellung ist für alle Besuchenden geöffnet von Samstag bis Freitag; Studierende haben bereits am Freitag Zugang. Hier finden Sie weitere Informationen zum Besuch sowie hier auf der Homepage des Salone.

Übrigens fand diese wichtigste Möbel- und Designmesse der Welt 2021 als „Supersalone“ mit neuem Konzept und deutlich abgespeckt statt. Was der Mailänder Salone del Mobile 2022 zu bieten hatte, erfahren Sie hier.

 

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