15.06.2022

Event

Alcova: Der neue Salone?

Blick in einen hellblau-weißen Korridor mit mehreren Menschen. Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters
Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters

Die Designplattform Alcova hat zum vierten Mal während des Salone del Mobile ihre Tore geöffnet. Sie ist so etwas wie das nachhaltige Gegenbild zum konsumgetriebenen Salone auf dem Messegelände. Das findet großen Anklang bei den Besuchern.

Nein, Alcova sei kein Anti-Salone, betont Valentina Ciuffi. Die Gründerin der Kreativagentur Studio Vedèt hat die Veranstaltung in Mailand gemeinsam mit Joseph Grima vom Architektur-Thinktank „Space Caviar“ ins Leben gerufen. Dennoch zeigt Alcova viele Lösungsansätze, die auf dem Salone del Mobile 2022 schmerzlich fehlen. Denn das Großereignis der Designindustrie auf dem Mailänder Messegelände hat viele bemerkenswerte Ansätze, die man 2021 aus der Not entwickelte, wieder zu den Akten gelegt.

Porträt von zwei sitzenden Personen, links eine Frau, Valentina Ciuffi von Studio Vedèt, rechts ein Mann, Joseph Grima von Space Caviar. Foto: Baumeister/Fabian Peters
Valentina Ciuffi (Studio Vedèt) und Joseph Grima (Space Caviar)

Arbeit an verbindlichen Nachhaltigkeitsregeln

Im vergangenen Jahr hatte der Architekt Stefano Boeri für den Salone eine Hallenarchitektur entworfen, bei der die Hersteller ihre Produkte in einer vorgegeben Regalstruktur präsentierten. Die Idee: Dieses System konnte nach der Messe abgebaut und für kommende Veranstaltungen wiederverwendet werden. Was nie geschah. Stattdessen klopfen sich die Veranstalter des Salone del Mobile dieses Jahr dafür auf die Schulter, dass kein Teppich in den Hallen ausgelegt wurde. Ansonsten geht die Materialschlacht ungebremst weiter, bei den Ständen ebenso, wie bei der kaum gebremsten Neuheitenflut. Man arbeite an verbindlichen Nachhaltigkeitsregeln für die Aussteller, erklärt Maria Porro, die Präsidentin des Salone. Aber man dürfe natürlich keinen Hersteller überfordern.

Alcova: Ausstellung, Lehrveranstaltung und Netzwerkevent in einem

Alcova sei aber nicht der Salone der Zukunft, erklärt Joseph Grima, er hoffe nur, dass auch der Salone von heute nicht derjenige der Zukunft sei. Der Erfolg von Alcova sei allerdings auch untrennbar mit der Anziehungskraft des Großereignisses Salone del Mobile verknüpft. Im Jahr 2022 findet Alcova zum vierten Mal parallel zum Salone in Mailand statt. Seitdem ist die Schau, die zugleich Ausstellung, Lehrveranstaltung und Netzwerkevent sein will, jedes Mal gewachsen. Inzwischen bespielt sie vier Gebäude eines ehemaligen Militärhospitals im Westen der Stadt. Die Nutzung leerstehender Infrastruktur ist Teil des Konzeptes. Das führt dazu, dass Alcova praktisch ressourcenneutral arbeitet.

Blick in eine Installation in einem alten Badraum. Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters
Blick auf ein Treppenhaus mit einem Metallgitter und einer Metalltür. Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters

Geteiltes Interesse an ressourcenschonendem Handeln

An den Gebäuden wurden praktisch keine Eingriffe vorgenommen. Die Veranstalter von Alcova nutzen den Veranstaltungsort so, wie sie ihn vorfinden. Im Falle des alten Militärhospitals entsteht dadurch ein morbider Charme, der die Besucher in Scharen anlockt. Teilweise können nicht so viele Personen auf das Gelände gelassen werden, wie hineinmöchten. Diejenigen, die hineingelangen, wandern durch die ehemaligen Krankenhausflure mit ihren hellblau gefliesten Wänden und finden in jedem ehemaligen Krankenzimmer einen anderen Aussteller. Das sind junge Designbüros aus aller Welt ebenso wie Kleinhersteller, Hochschulen, Forschungsprojekte und Kunsthandwerker. Sie alle verbindet ein ausgeprägtes Interesse an ressourcenschonendem Handeln. Zumeist teilen sie auch eine Haltung, die sich dem Designbusiness, wie es auf dem Salone zu beobachten ist, verweigert.

Alcova als Begegnungsort für etablierte Unternehmen und junge Designer

Das Publikum ist hier wesentlich jünger als auf dem Messegelände. Viele Studenten und Jungdesigner haben sich auf den Weg hinaus in den Vorort Baggio gemacht. Dafür fehlen die Einkäufer, die den Salone besuchen. Auf dem alten Hospitalgelände begegnen sich stattdessen Gestalternachwuchs und Start-up-Gründer, junge Akademiker und Designfans. Da ist es erstaunlich, dass erst wenige etablierte Unternehmen die Chance erkannt haben, bei Alcova Präsenz zu zeigen. Eines ist der Badsanitärhersteller Laufen, der in den letzten Jahren stets ein ausgezeichnetes Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen bewiesen hat. Gemeinsam mit dem Mailänder Designstudio NM3 zeigt Laufen die Sound- und Videoinstallation „Just add water“ bei Alcova. Die Designer, die schon unter anderem mit Off-White und Adidas zusammengearbeitet haben, entwickeln derzeit eine Produktserie mit Laufen. „Wir versuchen, die etablierten Hersteller mit jungen Designern zusammenzubringen – auch um sie herauszufordern“, beschreibt Valentina Ciuffi das Prinzip der Veranstalter.

Im Nebenraum zeigen Snøhetta und die Brüsseler Designer von Studio Plastique ihre neuentwickelte Glasfliese – ein Upcyclingprodukt, das aus den Glasscheiben weggeworfener Backöfen und Mikrowellen hergestellt wird. Die lichtdurchlässige Fliese besitzt eine Art Terrazzo-Optik und kann mit Ausnahme von Böden für alle Oberflächen verwendet werden. Eine wesentliche Herausforderung derzeit ist es allerdings, an die ausgesonderten Backöfen und Mikrowellen zu gelangen, berichten Theresa Bastek und Archibald Godts, die Gründer von Studio Plastique. Bislang zeige sich die Elektroindustrie dem neuen Produkt noch nicht besonders aufgeschlossen gegenüber. „Es wäre großartig, wenn sich das bald ändert“, hofft Theresa Bastek.

Laufen: Just add Water, Alcoa 2022, Mailand, Foto: Fabian Peters
Blick auf eine Lichtinstallation in einem Treppenhaus. Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters
Blick auf eine Installation mit mehreren hängenden Leuchten über einem runden Sockel. Alcova 2022, Foto: Baumeister/Fabian Peters

Ein Ort des Lernens und des Austauschs

Genauso wichtig wie die ausgestallten Projekte und Produkte, sagt Joseph Grima, seien die Cafés, Bars und Essbereiche auf dem Gelände. „Alcova soll in allererster Linie ein Treffpunkt sein, ein Ort des Austauschs und der Vernetzung.“ Der Erfolg von Alcova habe von Beginn an darauf gefußt, dass alle Beteiligten ihre Netzwerke nutzten, um die Veranstaltung zum Erfolg zu machen, erklärt Valentina Ciuffi. Alcova sei ein Ort des Lernens, an dem alle Beteiligten, auch die Besucher, ihr Wissen durch Austausch miteinander erweitern sollen, ergänzt Joseph Grima. Und so kämen junge Studenten hier ebenso her, wie Kuratoren des MoMA, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Alle Fotos: Baumeister/Fabian Peters

Impressionen aus Mailand: Chefredakteur Fabian Peters war vor Ort und berichtet von seinen Eindrücken des Salone del Mobile 2022.

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