Wolke 10 – Eine Kita über den Dächern von Nürnberg von querwärts Architekten

Als Baumeister-Academy Stipendiatin verbringt Annette sechs Monate beim super future collective in Nürnberg. Neben ihrer Tätigkeit als Praktikantin ist sie unsere Baumeister-Korrespondentin und berichtet über spannende Umnutzungen in ihrer Wahlheimat. Dieses Mal entdeckte sie eine Kindertagesstätte, die auf einem Parkhaus thront: die Wolke 10.

Neulich saßen wir vom super future collective beim Mittagessen und haben darüber philosophiert, ob uns Architekten in der Stadt auch mal irgendwann die Arbeit ausgeht. Sanierungen oder Umbauten werden natürlich immer nötig sein. Freier Baugrund für Neubauprojekte ist in der Stadt jedoch sehr begrenzt. Auf der anderen Seite erleben Städte immer noch regen Zuzug – gerade von jungen Menschen. Was tun wir, um dem steigenden Bedarf an Wohn- und anderen Nutzflächen nachzukommen? In Zukunft braucht es dann mehr denn je kreative Köpfe, die gute Lösungen finden, wie man den vorhandenen städtischen Raum nutzen kann.
Und manchmal erweisen sich Bauherrn selbst als kreative Denker und initiieren bemerkenswerte Projekte – wie zum Beispiel die Kindertagesstätte Wolke 10 in der Nürnberger Südstadt, die ich diese Woche besucht habe.

Die südliche Hälfte des Parkdecks bedeckt die Kita.
Der übrige Teil wurde als Außenanlage mit Bepflanzung, Sandkasten und Klettergerüsten gestaltet.

Eine neue Kita für die Südstadt

Die Nürnberger Südstadt ist dicht bebaut und Betreuungsplätze für Kinder sind rar. Daher schlug der Musikhändler Andreas Klier vor, auf dem obersten Deck des Parkhauses, welches sich über seinem Musikfachgeschäft befindet, eine Kindertagesstätte zu errichten. Die Idee stieß anfänglich auf reichlich Skepsis, wohl auch weil bisher kein vergleichbares Projekt realisiert wurde. Wenn man aber auf dem Parkdeck steht, kann man sich aber vorstellen, dass die Projektpartner bei diesem unverbauten Blick auf die Stadt sicherlich schnell begeistert waren von der Idee des Bauprojekts.

Über den Dächern von Nürnberg

Die Planung übernahm das Nürnberger Architekturbüro querwärts Architekten. Angesichts der statischen Gegebenheiten des Parkhauses aus dem Jahr 1979 entschieden sich die Architekten aufgrund der Leichtigkeit für eine Holzkonstruktion. Die Baustelle auf 16,70 Metern Höhe über Straßenniveau stellte die Planer natürlich vor einige neue Herausforderungen. Vor Beginn des Baus mussten zuerst 700 Tonnen Gartenmannbelag abgetragen werden, um genügend Gewichtreserven für die neue Aufstockung zu schaffen. Bäume konnten ausschließlich an Stellen mit stabilisierenden Unterzügen gepflanzt werden. Außerdem mussten alle Baumaterialien mit einem Baukran auf die 9. und 10. Ebene des Parkhauses gehoben werden. Trotzdem eröffnete die Kita nach nur neun Monaten Bauzeit im April 2015.

Geschützer Raum trotz exponierter Lage

Der aufgesetzte Baukörper in Holzständerbauweise erstreckt sich über die südliche Hälfte des Parkdecks. Der übrige Teil wurde als Außenanlage mit Bepflanzung, Sandkasten und Klettergerüsten gestaltet. Eine drei Meter hohe, bestehende Mauer bietet den Kindern Schutz und schirmt ihren Spielraum vor der Nachbarschaft ab. Von den höher gelegenen Gruppenräumen hingegen bietet sich ein weiter Blick durch die großzügige Verglasung über die Außenanlage hinweg auf die Dachlandschaft der Südstadt bis hin zur Kaiserburg. Auch wenn es eher die Erzieher und Eltern sind, die bei diesem Blick kurz innehalten, so profitieren die Kinder in dieser Kita von der Helligkeit und der Ruhe trotz innerstädtischer Lage.

Ein Aufzug bringt die Kinder direkt von der Straße zur Eingangstür der Kita auf dem Parkhausdach. Ein Oberlicht erhellt den offenen Eingangsbereich. Auch die restlichen Räume sind sorgfältig gestaltet und mit hellen Einbauten versehen.

Holz als Baumaterial

Nach außen hin zeigt sich das Baumaterial Holz als ein wichtiges Gestaltungselement. Eine naturbelassene, waagerechte Holzschalung prägt die Fassade und auch die vorgelagerten Terrassen sind in Holz ausgeführt. Die Fassade teilt sich in vier Segmente und schafft so verschiedene Terrassenbereiche für die einzelnen Gruppenräume.

Das Material Holz prägt Innen- und Außenraum der Kita.
Die Fassade besteht aus einer naturbelassenen Holzschalung und auch die vorgelagerten Terrassen sind in Holz ausgeführt.

Im Moment werden 88 Kinder in der Wolke 10 betreut – davon über ein Drittel im Krippenbereich. Den Namen erhielt die Kita übrigens auch deshalb, weil sie sich auf dem 10. Deck des Parkhauses befindet.

Die Wolke 10 auch fünf Jahre nach ihrer Eröffnung noch immer Deutschlands höchstgelegene Kindertagesstätte.  Wie schön, dass in der Südstadt – die als Nürnbergs sozialer Brennpunkt gilt – eine Kita in solch privilegierter Lage entstanden ist.

Alle Bilder: © querwärts Architekten

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

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