09.12.2015

Portrait

Deadline

Newsroom 2009

„There is nothing more Punk Rock than being a newspaperman“, sagt ein Sohn über den Beruf seines Vaters. Will Steacy stammt aus einer Familie, die seit fünf Generationen in der Zeitungsbranche tätig war. Er selbst ist Schriftsteller und Fotograf in New York, sein Vater Tom arbeitete 29 Jahre lang bei der drittältesten Tageszeitung der USA – „The Philadelphia Inquirer“. 2011 wurde Tom entlassen.

Newsroom 2009
2010
2012
nach dem Auszug 2012

Die Redaktion der Zeitung befand sich im „Tower of Truth“ – dem Empire State Building Philadelphias. Sechs Jahre lang hatte Will Steacy uneingeschränkten Zutritt zu den Räumlichkeiten der Redaktion und hielt den  sukzessiv fortschreitenden Niedergang der Tageszeitung fotografisch fest. Aufstieg und Zerfall stehen explizit in Zusammenhang mit der Geschichte und den wirtschaftlichen Entwicklung der USA: Die Zeitung wurde 1829 als „The Pennsylvania Inquirer“ gegründet – sie sollte ein Sprachrohr für die Gesellschaft sein, als Medium einer freien Meinungsäußerung. Mit dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) schnellte die Auflagenhöhe von 7.000 auf 70.000. In den Nachkriegsjahren folgte die erste Krise, 1889 schaffte es der Herausgeber James Elverson das Printmedium mit einer Sonntagsausgabe nochmals zu reaktivieren. 1911 entstand das 18 Stockwerke hohe Bürogebäude Tower of Truth. Eine Statistik sagt, dass vier von fünf US-Bürgern in den 60er Jahren täglich Zeitung lasen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung.

Seit vielen Jahren aber kämpfen klassische Zeitungen weltweit ums Überleben. Ein US-amerikanischer Journalismusprofessor geht so weit, dass er den Niedergang der Zeitung für April 2040 prophezeit, wenn das letzte Blatt in Druck gehen soll.

Will Steacys Bezug zu dem Thema ist ein kreativer – und vor allem auch ein persönlicher. Sein Kunstprojekt „Deadline“ resultiert aus Kindheitserinnerungen. Er wuchs in den Redaktionsräumen der Philadelphia Inquirer auf, spielte mit seinem Bruder zwischen den Druckmaschinen. Er blieb bis 2013 – als die verbleibenden 200 Mitarbeiter die Räume der Redaktion im Tower of Truth verließen. Auf den Bildern seiner Serie „Deadline“ zeichnen sich vor allem auch die räumlichen Auswirkungen ab, die der fortschreitende Niedergang der Tageszeitung hinterließ. Nur ein Jahr liegt zwischen einer Aufnahme, die einen Schreibtisch im Newsroom voller Papierstapel zeigt – und denselben leergefegten Schreibtisch, an dem der Mitarbeiter vor einem Flachbildschirm sitzt. Nicht nur die Räume wirken leerer – auch die Körperhaltung des gezeigten Mitarbeiters zerfällt zu einem runden Rücken. Am Ende ist der gesamte Newsroom leergeräumt.

Steacys Dokumentation macht nicht das Internet für den Untergang der Printmedien verantwortlich: „Früher waren viele Zeitungen in Familienbesitz oder gehörten lokalen Eigentümern. Im letzten Vierteljahrhundert gab es jedoch einen massiven Konzentrationsprozess, sodass die meisten Zeitungen nun großen Medienkonzernen gehören. Mit dem Wechsel haben sich die Prioritäten verschoben: Guter Journalismus ist weniger wichtig als satte Gewinne.“

Die Bilder von Will Steacy werden in der gleichnamigen Ausstellung „Deadline“ in der Galerie „easy! upstream“ in der Türkenstraße 67, München ausgestellt. Es handelt sich um eine Kurzausstellung, die noch bis Freitag, den 11. Dezember geöffnet hat. Initiiert wurde die Ausstellung von der Kreativagentur hw.design, Kurator ist der Kunsthistoriker Stefan-Maria Mittendorf.

Fotos: Will Steacy

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