07.07.2023

Öffentlich

Serpentine Pavillon 2023: Zu Tisch bei Lina

Holz
Foto: © Iwan Baan
Der Serpentine Pavillon 2023 wurde von Lina Ghotmeh gestaltet. Foto: © Iwan Baan

Der Entwurf für den diesjährigen Serpentine-Pavillon in den Londoner Kensington Gardens stammt von der französisch-libanesischen Architektin Lina Ghotmeh. Der luftige Aufenthaltsort für heiße Sommertage, die selbst in England inzwischen nicht mehr selten sind, steht noch bis 29. Oktober für Besucherinnen und Besucher offen.


Lina Ghotmeh: Die Architektin für den Serpentine Pavillon 2023

Den Sommerpavillon der Londoner Serpentine-Kunstgalerie gestaltet jedes Jahr ein Architekt oder eine Architektin, der oder die noch nicht in Großbritannien gebaut hat. Allerdings sollte der Name natürlich schon in der internationalen Architekturszene bekannt sein, denn man will ja allgemeines Interesse wecken. So wie bei Lina Ghotmeh: Ihr bemerkenswertes Wohnhochhaus in Beirut erregte vor einiger Zeit großes Aufsehen. Nicht zuletzt deshalb, weil der massive Betonturm in Hafennähe bei der verheerenden Explosion 2020 zwar erschüttert wurde, aber standhaft blieb (siehe auch das Interview mit Ghotmeh in Baumeister 2/2021).

Der Serpentine Pavillon 2023 in London geht an Lina Ghotmeh. Mittelpunkt des Entwurf „À table“ sind Gemeinschaft, Natur und Baumkronen.
Foto: © Gilbert Hage
Der Serpentine Pavillon 2023 in London geht an Lina Ghotmeh. Mittelpunkt des Entwurf „À table“ sind Gemeinschaft, Natur und Baumkronen.

Ein schlichtes Zelt aus Holz

Nun bittet sie also in London zu Tisch: „A table!“ nennt sie ihren Entwurf für den Sommerpavillon in Kensington Gardens. Vor dem kleinen klassizistischen Galeriegebäude steht er aufgeschlagen wie ein Zelt. Er besteht ganz aus Holz. Ein sternförmig gefaltetes Dach liegt nur punktweise auf einer Reihe Stützen auf; durchbrochen gemusterte Tafeln fassen sie als Wände ein oder lassen in regelmäßigem Rhythmus Durchgänge von allen Seiten frei. Diese Außenwände wirken dadurch leicht wie Paravents. Eine Brise zieht durch den Pavillon – welch ein angenehmes Gefühl beim Besuch, nachdem man bei 30°C über die trockenen Rasenflächen des großen Parks gewandert ist.

Foto: © Iwan Baan
Ein Highlight des Serpentine Pavillon ist das sternförmig gezackte Holzdach, welches von Stützen getragen wird.

Zugängliche Architektur mit funktionaler Bequemlichkeit

Zu Tisch kann man sich tatsächlich setzen. Ganz im Gegensatz zu wesentlich abstrakteren Entwürfen in den Vorjahren, die eher begehbaren Skulpturen glichen, handelt es sich hier um ein praktisches, nutzbares Gehäuse, bestückt mit niedrigen, im Kreis angeordneten Hockern und Tischen aus rostrot gebeiztem Holz. An einer Bar kann man Getränke und ein mediterranes Bio-Menü bestellen, für das Lina Ghotmeh ebenfalls Vorschläge gemacht hat.

Fotos: Sabine Schneider
Die Besucherinnen und Besucher können an niedrigen Holzstühlen Platz nehmen und in dem einfachen Setting gemeinsam Zeit verbringen.
Fotos: © Iwan Baan
Zur praktischen und minimalistischen Inneneinrichtung stehen die semi-transparenten Außenwände.

Durchlüfteter Raum inmitten von heißen Sommertagen

Zusätzlich wird der warm-hölzern getönte Innenraum über einen zentralen runden Oculus belichtet. Von unten betrachtet wirkt das neuneckige Dach wie ein gewelltes Blatt mit Rippen. Auch die Wandtafeln weisen ein Blattmuster auf, und der breite Dachüberstand, der umlaufend einen Rundgang bildet, verschattet sie und sorgt so zusätzlich für eine angenehme Innentemperatur. In ästhetischer Hinsicht könnte es sich auch um eine Rundhütte in der Südsee handeln.

Fotos: Sabine Schneider
Ein ausgestochenes Formmuster in den Wänden gibt Struktur, klimatisiert das Gebäude auf natürliche Weise und vermittelt durch den Blatt-ähnlichen Rhythmus einen Urlaubs-Flair.

Einfacher Ort der Begegnung

Einige Kritiker kreiden dem Entwurf zu wenig künstlerische Attitüde und einen mangelnden intellektuellen Überbau an. Dagegen spricht der Erfolg des Pavillons bei Besucherinnen und Besuchern: Das schattige Ambiente ist willkommen, alle Hocker sind schnell belegt, ganze Familien nehmen sich die Sitzgelegenheiten, so wie es ihnen gefällt, und setzen sich zum Essen zusammen. Ist der Sommer vorbei, kann der luftige Leichtbau, der nur auf kleinen, punktförmigen Betonfundamenten steht, einfach auseinandergenommen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Nachhaltigkeit, Schönheit und Gebrauchstüchtigkeit sind bei Lina Ghotmeh offenbar Selbstverständlichkeiten, über die man nicht groß reden muss.

Erstmals war bei dem Serpentine Pavillon 2022 kein Architekt für den Entwurf verantwortlich, sondern ein Künstler – Theaster Gates. Das Ergebnis ist eine eher düstere Erscheinung, eine „Black Chapel“, in der die Party-Stimmung nach den Wellen der Corona-Pandemie wieder auferlebt wurde.

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