Seit 2022 steht ein in vieler Hinsicht ungewöhnliches Gebäude in Biel. Die Stadt liegt gut 30 Kilometer nördlich von Bern und ist seit 77 Jahren Standort der L. Klein SA. Die Firma für Lagerhaltung und Handel von Spezialstählen liegt im Industriegebiet von Biel und erweiterte ihr Areal mit einem Büroneubau von Gautschi Lenzin Schenker Architekten aus Aarau.
Das Spiel mit dem Bestand
Andreas Gautschi, Dominik Lenzin und Philipp Schenker gründeten 2011 das Architekturbüro Gautschi Lenzin Schenker in Aarau. Inzwischen umfasst das Team rund zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum breiten Spektrum der Bauaufgaben des Büros zählen kleinere An- und Umbauten, Einfamilienhäuser wie das Haus an der Tannerstraße, Geschäftshäuser, Schulen und Mehrzweckhallen.
Typisch für die Architektur von Gauschi Lenzin Schenker sind skulpturale Kubaturen. So erarbeitete das Büro auch in Biel eine eigenständige Gebäudeform, die sich durch die Nutzungsverteilung des benötigten Raumprogramms und den baulichen Gegebenheiten vor Ort begründet. Das Hauptgebäude auf dem Gelände der Firma Klein ist eine Backsteinhalle mit Schmetterlingsdach aus dem Jahr 1957, in dessen nordwestliche Ecke bereits ein zweigeschossiger Bürotrakt integriert war. Der Bestand wurde vollständig zurückgebaut und durch einen dreigeschossigen Neubau aus HolzHolz: Ein natürlicher Werkstoff, der zur Herstellung von Schalungen und Gerüsten genutzt werden kann. Es wird oft für Bauvorhaben im Bereich des Holzbaus verwendet. ersetzt.
Holz über Holz im Büroneubau Biel
Von außen erregt vor allem die Kubatur Aufmerksamkeit, die FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. wirkt homogen und nicht aufdringlich. Der zentraleZentrale: Eine Zentrale ist eine Einrichtung, die in der Sicherheitstechnik als Steuerungszentrum für verschiedene Alarmvorrichtungen fungiert. Sie empfängt und verarbeitet Signale von Überwachungseinrichtungen und löst bei Bedarf Alarm aus. Anspruch von Gautschi Lenzin Schenker für das Bürogebäude war die Verwendung von durchgehend nachhaltigen und baubiologisch hochwertigen Materialien, die von ortsansässigen Handwerkern verbaut werden.
Das Fassadenbild ist also geprägt durch die in der Region oft zu sehenden Holzschindeln, kombiniert mit Sonnenschutzelementen in vertikaler Lattung. Letztere verbinden den Neubau optisch mit dem Altbau, da die Elemente die vertikale Teilung des Fensterbandes der Haupthalle widerspiegeln.
In Biel bleibt kein Wunsch offen
Betritt man das neue Bürogebäude gibt es nicht sofort alle seiner inneren Werte zu erkennen. Zwar weitet sich das einladende Foyer mit Empfangsbereich im leicht erhöhten Übergang zur Lagerhalle auf und wird zur Begegnungsstätte inklusive Feuerstelle, jedoch befindet sich die eigentliche Überraschung des Büroneubaus in dessen Kellergeschoss: Dieses erstreckt sich über zwei Ebenen und bietet neben Technikräumen und einer Teeküche einen geräumigen Weinkeller.
Letzterer ist von Wänden aus Lehmtonerde und einer Gewölbedecke aus Lehmstein eingefasst, die aus dem Aushubmaterial des Neubaus gefertigt wurden. Im Obergeschoss des neuen Bürogebäudes platzierten Gautschi Lenzin Schenker rund zehn offen gestaltete Büroarbeitsplätze. Das Dachgeschoss wird als Konferenzraum und Aufenthaltsbereich mit Außenterrasse genutzt.
Ruhiges Arbeiten in ruhiger Umgebung
Eine skulpturale, offene Treppe aus geschliffenem Jurakalkbeton mit einem erdgeschossig einbeschriebenen Wasserbecken markiert den Mittelpunkt des Gebäudes. Um trotz des harten Materials eine angenehme Umgebung zu schaffen, wurden spezielle Akustikeinlagen in die Sichtbetonoberfläche eingearbeitet, die für eine optimale Nachhallzeitbezeichnet die Zeit, die vergeht, bis ein Schallpegel um 60 dB abgeklungen ist. Sie wird in Sekunden gemessen und hängt maßgeblich von der Größe und Beschaffenheit des Raums ab. sorgen.
Das asymmetrische WalmdachWalmdach: Ein Walmdach ist eine besondere Dachform, bei der das Dach an allen vier Seiten abgeschrägt ist und somit fast quadratisch aussieht. konzipierten die Architekten mit einem zentralen OberlichtOberlicht: Ein Oberlicht ist ein Fenster in der Decke, das Tageslicht in den Raum lässt. über der Treppe, sodass die vertikale Erschließung zusätzlich betont wird. Neben seiner optischen Funktion übernimmt der TreppenturmTreppenturm: Ein spezielles Gerüstsystem, das als Zugang zu höheren Etagen dient. Es ermöglicht den sicheren Auf- und Abstieg von Arbeitern., der ohne StahlStahl: Ein Werkstoff, der aufgrund seiner hohen Belastbarkeit und Stabilität oft bei Gerüstkonstruktionen eingesetzt wird. mit GFK-Bewehrung ausgeführt ist, die Gebäudestabilität sowie die Zuglasten aus der Gebäudeauskragung.
Bis ins letzte Detail effektiv durchgedacht
Die letzte Besonderheit des neuen Bürogebäudes der Firma Klein liegt in dessen Tragwerksstruktur: Alle oberirdischen Geschosse sind komplett in nachhaltiger MassivholzbauweiseMassivholzbauweise: Eine Bauweise, bei der das Tragwerk aus Massivholz besteht. mit Querkraftverbindungen aus Holzdübeln und Steckverbindungen gefertigt. Dieses System, das dem Gebäude einen enorm tiefen Detailgrad verleiht, entwickelten die Architekten in Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern.
Durch die Materialwahl und die lösbaren Verbindungen im Sinne von Cradle-to-Cradle wird der Neubau zudem zu einem Beispiel für nachhaltiges BauenNachhaltiges Bauen bezeichnet eine Bauweise, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte bei der Planung, Errichtung und Nutzung von Gebäuden berücksichtigt. Ziel ist es, die Umwelt zu schonen, Ressourcen zu sparen und die Lebensqualität der Bewohner und Nutzer zu verbessern.. Für die Tragstruktur der Obergeschosse wurden hochfeste Hölzer verwendet, die auf die massiven Bauteile der Untergeschosse aufgesetzt wurden. Das Untergeschoss des auf einer Flachgründung gegründeten Gebäudes wurde in OrtbetonDie Ortbetonbauweise bezieht sich auf die Konstruktion von Betonstrukturen vor Ort, anstatt sie aus vorgefertigten Teilen zusammenzusetzen. Dies erfordert eine Form, in die der Beton gegossen und ausgehärtet wird. Es ist eine häufige Methode für den Bau von Fundamenten, Wänden und Decken in modernen Gebäuden. gefertigt und unterstützt die Stabilität des Treppenturms.
Moderne sowie retrospektive Architektur
Mit dem neuen Bürogebäude der Firma Klein in Biel zeigen Gautschi Lenzin Schenker einmal mehr ihr Verständnis von Architektur. Dass das Gebäude eine skulpturale Anmutung zeigt, lässt es jedoch nicht weniger selbstverständlich auf dem Firmengelände ankommen: Die heimischen Materialien wirken Identitätsstiftend und verwurzeln das Gebäude auf dem Gelände, ohne dass es so tut, als wäre es schon immer dort.
Einen Schritt weiter geht London beim „Bürokomplex“: In Greenwich entsteht derzeit der Design District mit 16 Atelierhäusern, die zusammen einen riesigen Gewerbecampus ausmachen – jeweils zwei von ihnen entworfen von renommierten Architekturbüros aus der ganzen Welt.