CW: Von 32 MitarbeiterInnen sind 17 weiblich. War das eine bewusste Entscheidung?
Johann Wagenstaller: Wir hatten immer viele Frauen im Büro – mindestens 50 Prozent. Ausgeglichenheit der Geschlechter ist gut. Sobald Frauen mit in einer Runde sind, ist es lockerer. Die Aufgaben werden nicht nach Geschlechtern getrennt. Man weiß die jeweiligen Stärken der oder des Einzelnen und setzt die Leute danach ein. Damit bereichern sie sich untereinander.
CW: Es geht häufig darum, wo wir Architektinnen noch benachteiligt sind. Welche besonders guten Erfahrungen habt Ihr mit Frauen in der Architektur und Tragwerksplanung gemacht?
JW: Dieses Denken gibt es bei uns im Büro nicht. Es gibt anfangs auf der Baustelle vielleicht eine Reserviertheit, aber irgendwann schwenkt das um und die Handwerker sind dann viel zugänglicher. Auch mit Bauherren kann es harmonisch und auf Augenhöhe sein – Durchsetzungsfähigkeit hilft.
Martin Guggenbichler: Alte Poliere auf der Baustelle haben generell mit jungen Menschen ein Problem und dann noch eine Frau. Junge Damen sind nicht weniger kompetent als junge Männer. Die Frauen müssen sich durch Hartnäckigkeit und Kompetenz besser profilieren und die Position klarstellen. Sie dürfen sich auf keinen Fall beirren lassen.
Wenn eine junge Frau bei Besprechungen dabei ist, herrscht ein anderer Ton. Das ist sehr positiv. Viele Firmen nehmen die jungen Frauen und Männer zu wenig an die Hand, sodass sie auf der Baustelle ohne Erfahrung verzweifeln. Es braucht einfach mehr Unterstützung. Auf dem Ingenieurssektor ist eine Frau noch eher exotischer – wobei ich hier eine starke Zunahme bemerke. Bei den Architektinnen ist das Verhältnis schon ausgeglichener.
CW: Im Studium ja, aber im Beruf verschwinden wir Frauen. Gerade in den Jahren, in denen es beruflich wichtig ist, kommen die Kinder. Viele kehren dann nicht mehr in den Beruf zurück.
MG: Man muss auch akzeptieren, wenn sich Frauen für diesen Schritt entscheiden. Wenn eine Frau die Kinderbetreuung übernimmt, kann man das nicht hochgenug anrechnen. Man braucht ein gut funktionierendes Netzwerk und Unterstützung – auch vom Unternehmen.
JW: Teilzeitarbeit bedeutet zwar einen Spagat, aber man verliert den Bezug zur Arbeit nicht. Später könnte man wieder mehr arbeiten. Der Bezug zum Beruf darf nicht verloren gehen. Es entwickelt sich alles weiter.
MG: Ich muss sagen: Hut ab – diesen Spagat hinzukriegen. Frauen müssen sich einfach zusammen mit dem Mann entscheiden, welchen Weg sie einschlagen. Es gibt keine Automatismen wie: Wo die Mutter daheim war, werden die Kinder top und wo nicht, werden sie ein Flop.
CW: Wenn eine Situation entsteht, die für uns Frauen unfair ist: Wie sollen wir vorgehen?
MG: Wir hatten diesen Fall erst kürzlich mit meiner Tochter. Ich fragte die Handwerker offen, ob sie ein Frauenproblem hätten. Man kann es auch als Frau ansprechen. Wenn man den Richtigen findet, kommt das gut an. Aber es gibt auch einige, die es leugnen würden. Es ist schwierig, dort eine Empfehlung zu geben. Der Konflikt wird in der jungen Generation leichter, weil sie einfach anders konfrontiert werden.
CW: War es für Euch als Männer leicht? Was hat Euch geholfen bei schwierigen Situationen?
JW: Nein, jedes Bauvorhaben hat seine eigenen Schwierigkeiten, aber mit zunehmender Erfahrung bekommt man seine Routine. Es liegt immer an einem selbst, an seinem Wissen und am Umgang damit. Man kann nicht alles wissen und es ist keine Schande, das zu sagen. Es ist auch mutig, die Erfahrungen anderer in ein Projekt miteinzubeziehen. Man ist Dirigent und muss nicht die beste Geige sein.
CW: Wie geht das Büro mit dem Thema „Kinderwunsch“ um und inwiefern werden die MitarbeiterInnen dahingehend unterstützt?
JW: Jeder von uns Büroinhabern hat mindestens drei Kinder. Uns ist die Schwierigkeit bewusst. Wenn man eine Frau einstellt, liegt es in der Natur, dass diese womöglich schwanger wird. Wir freuen uns dann und wenn sie nach der Elternzeit wieder arbeiten möchte, ist sie gerne gesehen. So wird das auch praktiziert. Wir haben eine Mitarbeiterin, die arbeitet halbtags von zu Hause aus, um ihr Kind zu betreuen. Ebenso gibt es einen Mitarbeiter, der vier Tage arbeitet und die Stunden anders verteilt, um einen Tag daheim beim Kind zu sein. Wir arbeiten flexibel. Wenn ein Elternteil z.B. keine Zeit hat, dann bleibt der andere daheim. Wichtig ist, dass die Arbeit zeitnah gemacht ist.
CW: Gibt es etwas, das Ihr den jungen Frauen in der Baubranche mit auf den Weg geben wollt?
JW: Ich wüsste nicht, wieso man einer Frau andere Tipps als einem Mann geben sollte. In der Architektur muss man sich für die Arbeit voll einsetzen, wenn man Erfolg haben will. Der Grundgedanke ist, dass das Arbeiten Spaß macht.
CW: Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft in der Architektur und Tragwerksplanung?
MG: Dass es unseren Leuten gut geht und die Arbeit Spaß macht.
JW: Weiterhin anspruchsvolle Projekte, damit wir die Familien der MitarbeiterInnen versorgen können. Diese Verantwortung hat man auch. Vielleicht ebenso , dass die nächste Generation weitermacht. Wichtig ist auch, dass das Büro modern bleibt – junge Leute, die andere Denkweisen und Erfahrungen einbringen. So lernt man voneinander – egal ob Mann oder Frau.
Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.
Übrigens: Der Brutto-Netto-Rechner für Architekten von New Monday zeigt das Netto-Gehalt von Planern – ganz ohne Gender Pay-Gap.