05.07.2023

Event

Young Talent EUmies Awards 2023: Die Siegerprojekte

Nachwuchs
Das Projekt VALTER von Dinko Jelečević gewann den EUmies Award 2023. Namensgeber ist Ludwig Mies van der Rohe. Grafik: Dinko Jelečević
Das Projekt VALTER von Dinko Jelečević gewann den EUmies Award 2023. Namensgeber ist Ludwig Mies van der Rohe. Grafik: Dinko Jelečević

Die EUmies Awards zu Ehren von Ludwig Mies van der Rohe werden für herausragende zeitgenössische Architektur vergeben. Außerdem werden zweijährlich alternierend dazu auch die Nachwuchspreise an junge Absolventinnen und Absolventen verliehen. Die Preisträgerinnen und der Preisträger sowie deren Siegerprojekte gibt es hier nachzulesen.


Vom Barcelona Pavillon zur Jugend

Ludwig Mies van der Rohe zählt zu den einflussreichsten und bedeutendsten Architekten der jüngeren Architekturgeschichte. Der deutsch-amerikanische Architekt ist unter anderem bekannt für den Barcelona Pavillon, der im Rahmen der Weltausstellung 1929 für das Deutsche Reich entstand. Ebendort in Barcelona befindet sich auch die Fondació Mies van der Rohe, welche die EUmies Awards seit 1988 jährlich vergibt.

Die Stiftung wurde 1983 von der Stadtregierung ins Leben gerufen, um den Barcelona-Pavillon wieder aufzubauen, zu sanieren und letztlich wieder zugänglich zu machen. Über die Jahre geblieben ist der Fokus auf den Architekten Ludwig Mies van der Rohe sowie die Architektin Lilly Reich, ihres Zeichen Co-Autorin des Barcelona-Pavillons. Mittlerweile trägt die Fondació aber besonders zum Diskurs und der Sichtbarkeit zeitgenössischer Architektur und Stadtplanung bei.


EUmies Awards 2023

Die EUmies Awards werden für herausragende zeitgenössische Architektur, sowie zweijährlich alternierend dazu auch die Nachwuchspreise an junge Absolventinnen und Absolventen verliehen. Mitmachen können vorgeschlagene Projekte teilnehmender Institutionen. In diesem Jahr wurden folgende Personen und ihre Abschlussarbeiten ausgezeichnet:

  • María de la O Molina Pérez-Tomé mit ihrem Projekt „Eden Archipelago” (Polytechnische Universität Madrid)
  • Laura Hurley mit ihrem Projekt „Peripheral Cartographies” (University College Cork und Technische Universität Munster)
  • Dinko Jelečević mit seinem Projekt „Valter” (Technische Universität Graz)

Eden Archipelago

Eden Archipelago dreht sich um das Thema Landschaftsregenerierung. An einem Standort in der Nähe von Madrid gibt es ein Gewächshaus zur Aufzucht von dekorativen Pflanzen. Im Zuge der Recherchearbeiten fiel auf, dass 50 Prozent der Gewächse zur Bepflanzung in der Region um Madrid von kommerziellen Anbietern stammen. Gerade jetzt, wo es für Stadtbewohnerinnen und -bewohner wichtig ist, nicht den Kontakt zum Grünraum zu verlieren, droht der öffentlichen Hand die Hoheit über das “grüne Vermächtnis” der Region zu verlieren.

Mit dem Eden Archipelago war es Molina ein Anliegen, von der typischen rechteckigen Gewächshaus-Struktur abzuweichen. Stattdessen soll ein Gebäude für Setzlinge entstehen, das direkt mit dem Erdboden verbunden ist und sich in die Landschaft einschmiegt. Auch der Weg zwischen den Jungpflanzen wird zu einem physischen Erlebnis, genauso wie der gesamte Komplex, der circa vier Hektar umfasst, und der auch zur Erholung dienen soll. Der Aspekt einer “mechanisierten Natur” mit den natürlichen Gegebenheiten wie Wind, Sonne und Luft, kommt zum Tragen, wenn die Gewächshäuser selbst wie Zisternen fungieren und die jungen Pflanzen behutsam aufkeimen lassen.

Mit ihrem Projekt Peripheral Cartographies gewann María de la O Molina Pérez-Tomé den EUmies Award 2023. Namensgeber ist Ludwig Mies van der Rohe. Grafik: María de la O Molina Pérez-Tomé
Grafik: María de la O Molina Pérez-Tomé

Peripheral Cartographies

Im irischen Inisbofin dreht sich beim Projekt Peripheral Cartographies alles um neue Arten von Karten und Wegen. Irland hat eine Geschichte von politischer und gesellschaftlicher Differenzierung; Menschen, die nicht in das Herrschaftskonzept von England passten, wurde als Wilde oder Außenseiter stigmatisiert. Durch dieses “Othering”, also der Alterisierung von speziellen Gruppen, wurden auch irische Ortsnamen durch englische ersetzt. Während die irischen Namen allerdings hoch deskriptiv waren, verloren sie durch die Übersetzung ihren spezifischen Charakter. So kam es, dass 1830 bei der Kartografierung der Landschaft durch die Engländer das Gebiet als homogen und “nichtssagend” abgekanzelt wurde – ein weiterer Schritt zur Erosion der Kultur und Identität des Ortes.

Peripheral Cartographies lehnt diese Narrative ab und hebt die Eigentümlichkeiten der Landschaft von Inisbofin hervor. Das Projekt will die Diversität wiederaufleben lassen. Dazu soll das Archiv der verdrängten Traum-Kartographien (Archive of Displaced Oneiric Cartographies) dienen. Die Zeichnungen dazu entstanden durch die emotionale Auseinandersetzung von Hurley beim Besuch des Ortes. Die Felder der formalisierten Landschaft, die untrennbar nebeneinander liegen, werden in den Zeichnungen verdrängt durch den Schaffensprozess am Papier. Sie stehen auch für den historischen und gesellschaftlichen Kontext von Inisbofin, der sich in diesen Feldern manifestiert. Der Entwurf ist schließlich eine Serie von räumlichen Schichtungen entlang der steil abfallenden Küste. Die Erosion des Bodens ist eine ständige Gefahr für die Konstruktion und spiegelt die Unsicherheit der Arbeit wider. Dabei sind alle Elemente des Entwurfs auf Schlüsselaktionen des Zeichenprozesses zurückzuführen, der sich wiederum auf die theoretische Recherche der Arbeit stützt.

Mit ihrem Projekt Peripheral Cartographies gewann Laura Hurley den EUmies Award 2023. Namensgeber ist Ludwig Mies van der Rohe. Grafik: Laura Hurley
Grafik: Laura Hurley

VALTER

VALTER ist das objekthaftester der drei Siegerprojekte. Es handelt sich dabei um die Revitalisierung eines historischen Gebäudes in Sarajevo. Die Anlage Vraca wurde über die Jahrhunderte bereits als Festung, Hinrichtungsstätte, Gedenkstätte und Militärstützpunkt verwendet. Die zunehmend verfallende Anlage umfasst eine Burg und eine Grünanlage und ist ein nationales Denkmal von Bosnien und Herzegowina. Ihre letzte Bestimmung soll sie nun zu einem transdisziplinären Ort der Vernetzung führen und damit auch wiederbeleben.

Jelečević arbeitet mit dem Konzept des Palimpsests, also der Überschreibung. Er kontextualisiert räumliche Elemente mit historischen Ereignissen und ergänzt sie um eine neue Schicht architektonischer Typologie: dem Forum. Hier soll ein Platz entstehen, der die Vergangenheit zur Disposition stellt. Das schwierige Erbe soll durch einen partizipatorischen Ansatz ein Teil der zukünftigen Gesellschaft werden. Politische wie gesellschaftliche Fragen können in VALTER einen Platz finden zur öffentlichen Besprechung. Architektonisch gebiert sich dieser Ansatz in einem Körper, der über der Anlage schwebt und diese räumlich vervollständigt. Die Ergänzung soll sich in ihrer Materialität zurückhalten und bewusst einen Kontrast zum historischen Bestand bilden, ohne ihn zu erdrücken.

Das Projekt VALTER von Dinko Jelečević gewann den EUmies Award 2023. Namensgeber ist Ludwig Mies van der Rohe. Grafik: Dinko Jelečević
Grafik: Dinko Jelečević

Open: Earth Bound

Heuer wurde zudem der ergänzende „Young Talent Open”-Preis ausgeschrieben, der junge Teilnehmerländer außerhalb der Organisation “Creative Europe” berücksichtigt. Den aufgrund von Mies van der Rohe ins Leben gerufene Preis möchte besonders auch afrikanisch-stämmige herausragende Arbeiten würdigen. In dieser Kategorie wurde Shaha Raphael und ihr Projekt “Open: Earth Bound” (AA School of Architecture) ausgezeichnet. Es dreht sich um die Frage, ob architektonisch veränderte Landschaft zu einem neuen Bewusstsein von Menschen zur Erde beitragen kann. Raphael bedient sich dabei der Cut/fill-Methode. Es extrahiert also Material aus dem Boden, um Raum zu schaffen, und das ausgehobene Material als Landschaft darüber neu zu formen.

Open: Earth Bound ist das Projekt, für das Sarah Raphael den EUmies Award 2023 erhalten hat. Grafik: Shaha Raphael
Open: Earth Bound ist das Projekt, für das Shaha Raphael den EUmies Award 2023 erhalten hat. Grafik: Shaha Raphael
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