Dannien Roller Architekten haben das ehemalige Militärgebäude in der Tübinger Schellingstraße zum neuen Sitz vom Nachlass-, Betreuungs- und Insolvenzgericht umgebaut. Mit überlegten Eingriffen haben sie die Bestandsstruktur des Amtsgericht Tübingen nicht nur erhalten, sondern diese auch als ästhetisches Mittel eingesetzt.
Eine Frage der Wertschätzung
Wie geht man mit dem Bestand um? Diese Frage wird angesichts der Klimakrise immer drängender. Denn der Bausektor ist ein großer Emittent von Treibhausgasen, einerseits durch die InstandhaltungInstandhaltung: Die Instandhaltung umfasst alle Maßnahmen zur Pflege und Wartung von technischen Anlagen, um deren Funktionsfähigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. von Gebäuden, andererseits aber auch durch Ressourcenverbrauch und Materialeinsatz bei Neubauten. Daher ist es im FalleEine Falle in der Architektur ist ein Mechanismus, der verwendet wird, um eine Tür, ein Fenster oder eine andere Öffnung in einer Position zu halten oder zu verriegeln. Es handelt sich meist um einen Bolzen oder ähnliches, der in eine entsprechende Aussparung greift. Die Falle verhindert, dass die Tür oder… von Bestandsgebäuden ratsam zu prüfen, ob ein Gebäude erhalten werden kann. Durch Sanierung, Revitalisierung und UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. wird vielen Bestandsgebäuden ein zweites Leben geschenkt. So auch beim neuen Amtsgericht Tübingen von Dannien Roller Architekten, das 2021 fertiggestellt wurde.
Das ehemalige Kammergebäude der Thiepvalkaserne wurde in Folge der Notariatsreform 2017 zur neuen Heimat des Amtes in Tübingen. Die Herausforderung bestand darin, die 1907 errichtete Struktur den neuen Bedürfnissen an Raumprogrammatik, Technik und Standards anzupassen. Von der Statik bis zum BrandschutzBrandschutz: Der Brandschutz beinhaltet alle Maßnahmen und Vorkehrungen, die dazu dienen, Brände zu vermeiden, zu erkennen und zu bekämpfen. Hierzu gehören unter anderem der Einsatz von Brandmeldern, Rauchwarnern, Feuerlöschern und Brandschutzeinrichtungen wie Brandschutztüren oder Brandschutzverglasungen. musste das Gebäude in die Gegenwart geholt werden. Dazu wurde grundlegend der Umgang mit der historischen Bausubstanz reflektiert. Soll sie als Trägerin neuer Architektur dienen oder bewusst inszeniert werden, um auf den genius loci aufmerksam zu machen? Die Architekten von Dannien Roller entschieden sich für letzteres.
Umfangreiche Sanierung
Die Transformation vom Militärgebäude zu einem Ort der unabhängigen Rechtsprechung sollte nicht nur angesichts ideologischer Belange, sondern auch bezüglich des Denkmalschutzes behutsam durchgeführt werden. Die unterschiedlichen Nutzungen der Räume des Amtsgericht Tübingen machten umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich. So beinhaltete das Kammergebäude nebst Wäscherei auch eine Fahrzeughalle, die beide entsprechende Spuren am Bestand hinterlassen haben.
Fundamente mussten ausgetauscht und die Bodenplatte tiefer gelegt werden. Auch die Decke über dem Erdgeschoss wurde entfernt, weshalb umfangreiche Abfangmaßnahmen ergriffen nötig wurden. Auch konnte ein barrierefreier Zugang hergestellt werden, der nun direkt über die historischen Torbögen von der Schellingstraße aus erfolgt. Rückseitig wurden vormalige Garagentore zu großen Fenstern ausgebildet, wodurch die größeren Räume ausreichend mit TageslichtTageslicht: Natürliches Licht, das während des Tages durch die Fenster oder Oberlichter in ein Gebäude strömt. versorgt werden. Um das äußere originale Erscheinungsbild nicht zu stören, wurde der Windfang im Eingangsfoyer nach innen gezogen, und bewusst als leichte Konstruktion aus HolzHolz: Ein natürlicher Werkstoff, der zur Herstellung von Schalungen und Gerüsten genutzt werden kann. Es wird oft für Bauvorhaben im Bereich des Holzbaus verwendet. und GlasGlas ist ein transparentes, sprödes Material, das durch Erhitzen von Sand, Kalk und anderen Inhaltsstoffen hergestellt wird. Es wird oft in der Architektur verwendet, um Fenster, Türen, Duschen und andere dekorative Elemente zu kreieren. Glas ist langlebig, stark und vielseitig, und kann in verschiedenen Farben und Texturen hergestellt werden…. gestaltet.
Würde für das alte Haus des neuen Amtsgericht Tübingen
Die neue Stahlbetondecke, welche anstelle der originalen über dem Erdgeschoß eingebracht wurde, lassen Dannien Roller Architekten sichtbar im Bereich des Eingangs und der Gerichtssäle. Weiters setzen sie auf einen hellgrauen Wandanstrich, hellen SichtestrichEin Sichtestrich ist ein Bodenbelag, bei dem der Estrich als sichtbarer Bestandteil des Bodens verwendet wird. Dabei wird der Estrich in der Oberfläche geglättet und anschließend versiegelt oder mit Farbe oder Beschichtungsmaterial veredelt. und Eichenholz bei der Möblierung. Durch übersichtlichen Einsatz von Farbe und Material will man dem Gebäude eine Klarheit in seinem Ausdruck und Eleganz für dessen Funktion geben. Wichtige Assoziationen mit einem unabhängigen Gericht sind für Dannien Roller Architekten unter anderem Würde und Unabhängigkeit, Ordnung und TransparenzTransparenz: Transparenz beschreibt die Durchsichtigkeit von Materialien wie Glas. Eine hohe Transparenz bedeutet, dass das Material für sichtbares Licht durchlässig ist.. Dies soll auch in ihrem Entwurf räumlich erlebbar werden.
Aktivierung und Ergänzungen
Abseits des Erdgeschosses mit den Gerichtssälen und der organisatorischen Funktionsräume, sind in den restlichen Obergeschossen die Arbeitsräume für Richterinnen, Richter und Mitarbeitende sowie die Registraturen untergebracht. Im Zuge des Umbaus dieser Räume wurde neues Material, eine neue Formensprache und Konstruktion hinzugefügt. Auch hier wollen sich Dannien Roller Architekten zurückhalten in der architektonischen Geste, um eine ruhige Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Die Büroräume siedeln sich um eine zentraleZentrale: Eine Zentrale ist eine Einrichtung, die in der Sicherheitstechnik als Steuerungszentrum für verschiedene Alarmvorrichtungen fungiert. Sie empfängt und verarbeitet Signale von Überwachungseinrichtungen und löst bei Bedarf Alarm aus. Begegnungszone im Gebäude an. Hier findet sich auch die Teeküche für Mitarbeitende. Sie bildet den sozialen und kommunikativen Kern des oberen Geschosses. Von diesem zentralen Raum aus sind die Büros zu beiden Seiten gespiegelt erschließbar. Die beiden an den Stirnseiten befindlichen Treppenhäuser werden um einen Lift ergänzt, der das barrierefreie Erdgeschoss mit dem restlichen Gebäude verbindet. Das neue Amtsgericht Tübingen soll nicht nur eine Heimat für die Gerichtsbarkeit sein, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern versichern, dass hier beste Arbeit für die Gesellschaft getan wird.
Der Fokus auf ein freundliches, ruhiges und übersichtliches Ambiente war dafür von großer Wichtigkeit für die Architekten. Besonders auch, um das Flair des ehemaligen Militärbaus in eine zeitgemäße Arbeitsumgebung zu transferieren. Dass sich im Inneren etwas getan hat, kann man schlussendlich auch an der FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. zur Schellingstraße erkennen, ziert hier doch seit dem UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. die schlanke und zeitlose Innschrift „Amtsgericht“ das Gebäude.
Übrigens: Nur wenige Meter von der Altstadt Tübingens entfernt liegt ein historisches Gebäude das von Dannien Roller Architekten + Partner umgebaut wurde – und genutzt wird. Mehr dazu hier.