17.03.2023

Öffentlich

„Take Over“, Andrés Reisinger – Architektur im rosa Tüllkleid

Kultur
„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger

Die Serie „Take Over“ des Künstlers Andrés Reisinger ist ein echter Hingucker: Gebäude auf der ganzen Welt verschwinden unter fluffigen rosa Stoffbahnen. Doch die Kunstwerke sind nicht so, wie sie scheinen.

„Take Over“ in Rom, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Rom, © Andrés Reisinger

Farbkontrast im Alltagsgrau

Andrés Reisinger, ein Digitalkünstler und Designer aus Argentinien, liebt rosa. Seine Liebe zu der Farbe zeigt sich in seiner Kunstserie „Take Over“. Dafür verkleidet er Großstädte in zartrosa Stoffbahnen und lässt diese über Straßen und Gebäude fließen. Weiche, flauschige, leichte und manchmal auch haarige „Wattebäusche“ werden über historische Architektur drapiert und verzaubern Menschen auf der ganzen Welt.

In der Farbe und der Textur der Kunstwerke manifestiert sich auch Reisingers Vorliebe für surrealistische und traumartige Bildwelten. Die Werke von Reisinger und seinem Studio zeichnen sich oft durch weiche, organische Formen und einen spielerischen Umgang mit Farbe und Textur aus. Außerdem bilden die rosa Stoffe mit ihrer fluffigen, fließenden Struktur einen Kontrast zu den harten Kanten der städtischen Umgebung – und einen überraschenden Farbkontrast mitten im Alltagsgrau.

 

„Take Over“ in Amsterdam, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Amsterdam, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Amsterdam, © Andrés Reisinger

Täuschend echt und doch nicht real

Wenn Fotos von „Take Over“ in Social Media Feeds auftauchen, sollten die Leute zweimal hinsehen. Egal ob es pompöse und bekannte, oder unscheinbare, einfache Gebäude sind, die mitten in Weltmetropolen auf einmal rosa aufleuchten – sie alle sind wahrhaftige Hingucker und sorgen für Überraschung. Noch größer wird diese Überraschung, wenn man versteht, was hinter den Installationen steckt. Denn diese sind nicht real. Bei „Take Over“ handelt es sich um digitale Kunst, in Form von täuschend echten Renderings.

„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in London, © Andrés Reisinger

Take Over: Kunst, die Grenzen sprengt

Andrés Reisinger bezeichnet sich selbst als Künstler, der nicht einer spezifischen Kunstform zugeordnet werden möchte. Er gestaltet Interiors, Möbel, Räume und Architektur – und das alles im digitalen Raum. Dafür verwendet er meist auch digitale Werkzeuge, wie zum Beispiel 3D-Rendering-Softwares. Er möchte Entwürfe schaffen, die die Grenzen zwischen Realität und Imagination verschwimmen lassen.

Andrés Reisinger © Mark Cocksedge
Künstler und Designer Andrés Reisinger, © Mark Cocksedge

Andrés Reisinger zwischen Körperlichkeit und Abstraktion

Die verführerische Verwirrung zwischen Körperlichkeit und Abstraktion ist das Markenzeichen des Künstlers, der auch die Frage nach dem Begriff der Realität für sich neu definiert: Real sei für ihn alles, was eine Art von Erfahrung darstellt. Ob diese Erfahrung dabei in der digitalen oder in der physischen Sphäre stattfindet, spielt für Reisinger keine Rolle. Wie auch in seiner Serie „Take Over“ verbindet er die beiden Sphären miteinander. Er integriert einerseits digitale Werke in den physischen Raum und lädt andererseits Betrachtende aus eben diesem Raum dazu ein, in die Welt der Imagination und Täuschung einzutauchen. Dabei sprengt er nicht nur Grenzen zwischen physisch und digital, sondern auch die im Hinblick auf Geografie: „Take Over“ nimmt Betrachtende mit auf eine Reise durch die Metropolen der Welt.

„Take Over“ in New York City, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in New York City, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in New York City, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in New York City, © Andrés Reisinger

Städte und Stoffe

In Städten wie Amsterdam, London, Paris, Rom, New York City oder Tokio sind die digitalen Stoffbahnen dabei so etwas wie „architektonische Kleidungsstücke“. Genau wie die Mode bestimmte Eigenschaften, Emotionen sowie Persönlichkeiten hervorheben kann, spiegeln sich in den rosa Stoffen die Charakteristika der Städte. In Paris sind das zum Beispiel raffinierte und minimalistische Silhouetten, während Gebäude in London mit Schichten verschiedenster Texturen verkleidet sind. Die Installationen in Rom sollen den Glamour der Stadt einfangen, inspiriert an dem von Cinecittá-Filmen. In New York City spielt Reisinger mit Extravaganz und Performativität, in Tokio hingegen gibt es eine regelrechte Explosion an majestätischen und unterhaltsamen Szenografien.

„Take Over“ in Paris, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Paris, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Paris, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Rom, © Andrés Reisinger

Social Media – Andrés Reisingers eigenes kleines Museum

Da es sich bei „Take Over“ ausschließlich um digitale Kunstwerke handelt, findet auch ihre Verbreitung digital statt. Reisinger veröffentlichte seine Werke deshalb in seinem eigenen kleinen Museum: Seinen Social Media Profilen. Ein wichtiger Gedanke dahinter ist zudem die Demokratisierung von Kunst. In den sozialen Medien gibt es keine Öffnungszeiten, es entstehen keine Kosten für Eintritt oder Anreise. Somit wird Reisingers Kunst für eine breite Öffentlichkeit zugänglich.

„Take Over“ in Tokio, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Tokio, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Tokio, © Andrés Reisinger
„Take Over“ in Tokio, © Andrés Reisinger

Der rosa Dame folgen

Die Enthüllung der Kunstwerke auf Social Media Plattformen führte zunächst zu zahlreichen Anfragen nach Adressen und Ausstellungszeiten. Interessierte wollten die Installationen vor Ort betrachten. Dieses Missverständnis unterstreicht aber die zentrale Aussage von „Take Over“: Betrachtende werden eingeladen, ihre Wahrnehmung des städtischen Raumes zu hinterfragen und die Möglichkeiten sowie Fähigkeiten der digitalen Kunst in Betracht zu ziehen, zu erleben, wie sie die Welt um uns herum ganz neu gestalten kann.

Reisinger beschreibt es in eigenen Worten: „Ist Ihnen schon einmal eine Dame in einem rosa Pelzmantel begegnet? Sie ist faszinierend, ein visuelles Erlebnis, das an eine Modenschau oder eine andere Art von „In-Reallife“-Erfahrung erinnert. Folgen Sie nicht dem weißen Kaninchen, sondern der rosa Dame, wohin auch immer sie Sie führt.“

Apropos rosa Traumwelt: Kennen Sie schon die Architekturgeschichte vom Barbie Traumhaus?

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