Das erste Traumhaus aus dem Jahr 1962 kam in einem für amerikanische Frauen wichtigen Jahrzehnt auf den Markt. So dürfen Frauen in den 60er Jahren beispielsweise studieren oder ein Bankkonto eröffnen, ohne dass ein Mann seine Unterschrift zusätzlich setzen muss. Die Antibabypille wird eingeführt und leitet die „sexuelle Revolution“ ein. Außerdem wird eines von Barbies liebsten Kleidungsstücken Mode: der Minirock. Das alles ermöglichte Frauen ein selbstbestimmteres Leben.
Genau zu diesem Zeitpunkt erscheint das erste Haus von Barbara Millicent Roberts als „Statement der Unabhängigkeit“, wie es in der Publikation von Mattel heißt. Der falt-, tragbare und komplett aus Pappe bestehende Bungalow war die Vision einer studentischen Junggesellinnenbude mit Büchern, Wimpeln, Möbeln im modernistischen Stil und ganz wichtig: ohne Küche. Das Detail, welches laut Mattel Barbies emanzipierte Identität unterstreichen soll, ist wortgetreu im Fernseher zu sehen. Eine der ersten US-Sitcoms ist „I Love Lucy“ mit der Schauspielerin Lucille Ball nicht nur einer der beliebtesten Fernsehkomikerinnen Amerikas wurde, sondern einen starken weiblichen Archetypus verkörperte. Eben jene Lucy sei in Barbies Fernseher dargestellt.
Barbie war keine Hausfrau. Klischeefarben sind hier übrigens auch kein Thema. Möbel und Architektur spiegeln die modernistischen Stile und Ideen dieser Zeit wider: Charles und Ray Eames, Herman Miller und Florence Knoll sind an dieser Stelle die richtigen Assoziationen. Ebenso die Wohnkonzepte der Nachkriegszeit. Barbie beziehungsweise ihr Haus von 1962 ist ein wegbereitendes, zeitgenössisches Zitat und ein Beispiel dafür, wie Persönlichkeit im privaten Raum ausgedrückt und inszeniert werden kann.
Im Buch „Barbie Dreamhouse“ zeigt sich die Entwicklung von Designstilen und Wohnidealen sowie der Einfluss von Popkultur und Architekturdiskurs. So ist das Traumhaus von 2021, mit der die Publikation abschließt, ein Influencer-Haus aus Los Angeles – mit viel pink, Plüsch, Glitzer und einer Rutsche. Ob die feministische und visionäre Barbara Millicent Roberts dieses Zitat der Popkultur begrüßen würde?