18.03.2023

Wohnen

Barbie Traumhaus – eine Architekturgeschichte

Einfamilienhaus Innenarchitektur
Barbie Traumhaus von 2000, Foto: Evelyn Pustka

Barbies Traumhaus wird 60. Und das feiert der Spielzeughersteller Mattel mit einem Buch. Die Monografie zeigt sechs ausgewählte Beispiele wie sich das Puppenhaus von 1962 bis 2021 entwickelt hat. Entscheidend dabei: Wie alles begann, entspricht nicht dem heutigen Klischee.

Seit Barbara Millicent Roberts – alias Barbie – 1959 in die Kinderzimmer der Welt einzog, prägten ihre Fashion, Pferdekutschen, Autos und Traumhäuser viele Kindheiten. Die bespielten Phantasiewelten waren sicherlich mehr als eine Inszenierung von Häuslichkeit, Traumberuf und unrealistischem Schönheitsideal. Letzteres – Barbies Körpermaße von umgerechnet rund 96-45-86 bei einer Größe von 1,70 Meter – war besonders ein Dorn im Auge von Kritikern und Erziehungsberechtigten. Seit Ende 2015 wurden diese Stimmen besänftigt, denn Barbie und ihre Freund*innen aus Plastik bekamen neue Körperformen, Hautfarben und Gender-Typologien. Aber wie schaut es mit den Häusern und Möbeln von Barbie aus? Waren diese Traumgebilde oder steckt sogar Architektur- und Designdiskurs in ihnen?

Barbie Traumhaus von 1974, Foto: Evelyn Pustka
Barbie Traumhaus von 2000, Foto: Evelyn Pustka
Barbie Traumhaus von 2000, Foto: Pin-Up
Barbie Traumhaus von 1979, Foto: Evelyn Pustka
Barbie Traumhaus von 1990, Foto: Pin-Up
Barbie Traumhaus von 1990, Foto: Pin-Up

Barbie Traumhäuser von 1962 bis 2021

Die Antwort auf diese Frage liefert das Buch „Barbie Dreamhouse“, das diesen Winter anlässlich des 60-jährigen Jubiläums von Barbies Traumhaus publiziert wurde. Laut den Herausgebern – dem Spielzeughersteller Mattel und dem Architekturmagazin Pin-Up – sei es die erste ernsthafte architektonische Übersicht, eine dynamische und noch nie dagewesene Studie über das meistverkaufte Puppenhaus der Welt. Hierzu wurden Persönlichkeiten der Architektur- und Designbranche für Zitate und Essays herangezogen. Hochglanzbilder von Modefotografin Evelyn Pustka und detaillierte Architekturzeichnungen der Häuser bebildern das Buch. Zu sehen sind insgesamt sechs von Barbies Traumhäusern aus den Jahren 1962 bis 2021 – und somit auch die Stile und Wohnideale der jeweiligen Zeit.

 

Das erste Barbie Traumhaus (1962), Foto: Evelyn Pustka
Fernseher im Barbie Bungalow von 1962 zeigt Schauspielerin Lucille Ball. Foto: Evelyn Pustka
Der Freischwinger im 1974 Dreamhouse ist ein Mix aus Marcel Breuers Cesca und Verner Pantons Klassiker. Foto: Evelyn Pustka

Barbie lebt visionär und selbstbestimmt in Junggesellinnenbude

Das erste Traumhaus aus dem Jahr 1962 kam in einem für amerikanische Frauen wichtigen Jahrzehnt auf den Markt. So dürfen Frauen in den 60er Jahren beispielsweise studieren oder ein Bankkonto eröffnen, ohne dass ein Mann seine Unterschrift zusätzlich setzen muss. Die Antibabypille wird eingeführt und leitet die „sexuelle Revolution“ ein. Außerdem wird eines von Barbies liebsten Kleidungsstücken Mode: der Minirock. Das alles ermöglichte Frauen ein selbstbestimmteres Leben.

Genau zu diesem Zeitpunkt erscheint das erste Haus von Barbara Millicent Roberts als „Statement der Unabhängigkeit“, wie es in der Publikation von Mattel heißt. Der falt-, tragbare und komplett aus Pappe bestehende Bungalow war die Vision einer studentischen Junggesellinnenbude mit Büchern, Wimpeln, Möbeln im modernistischen Stil und ganz wichtig: ohne Küche. Das Detail, welches laut Mattel Barbies emanzipierte Identität unterstreichen soll, ist wortgetreu im Fernseher zu sehen. Eine der ersten US-Sitcoms ist „I Love Lucy“ mit der Schauspielerin Lucille Ball nicht nur einer der beliebtesten Fernsehkomikerinnen Amerikas wurde, sondern einen starken weiblichen Archetypus verkörperte. Eben jene Lucy sei in Barbies Fernseher dargestellt.

Barbie war keine Hausfrau. Klischeefarben sind hier übrigens auch kein Thema. Möbel und Architektur spiegeln die modernistischen Stile und Ideen dieser Zeit wider: Charles und Ray Eames, Herman Miller und Florence Knoll sind an dieser Stelle die richtigen Assoziationen. Ebenso die Wohnkonzepte der Nachkriegszeit. Barbie beziehungsweise ihr Haus von 1962 ist ein wegbereitendes, zeitgenössisches Zitat und ein Beispiel dafür, wie Persönlichkeit im privaten Raum ausgedrückt und inszeniert werden kann.

Im Buch „Barbie Dreamhouse“ zeigt sich die Entwicklung von Designstilen und Wohnidealen sowie der Einfluss von Popkultur und Architekturdiskurs. So ist das Traumhaus von 2021, mit der die Publikation abschließt, ein Influencer-Haus aus Los Angeles – mit viel pink, Plüsch, Glitzer und einer Rutsche. Ob die feministische und visionäre Barbara Millicent Roberts dieses Zitat der Popkultur begrüßen würde?

Barbie Haus von 2021 mit Rutsche und Partyzimmer, Foto: Pin-Up

Buchdetails

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