Thomas Bauer-Friedrich, Anke Dornbach & Susanna Köller. Kuratoren der Ausstellung „Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback“ im Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale bis 12.01.2020.
BAUMEISTER: Wie ist die Verbindung der Stadt Halle zum Bauhaus?
DIE KURATOREN: Da gibt es verschiedene Verbindungen. Mit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle befindet sich hier die noch höchst lebendige ältere Schwester des Bauhauses – 1915 gegründet. Nach der Auflösung des Bauhauses in Weimar kamen auch einige Bauhäusler an diese Schule, darunter etwa Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks. Der Bauhaus-Meister Lyonel Feininger hatte auf Einladung des Museumsdirektors Alois Schardt und der Stadt Halle von 1929 bis 1931 direkt bei uns hier in der Moritzburg sein Atelier und schuf in dieser Zeit seinen berühmten elfteiligen Zyklus der Halle-Ansichten. Damit hätten wir auch gleich eine der Verbindungen zu unserer aktuellen Ausstellung „Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback“, die die drei wieder in unserer Sammlung befindlichen Halle-Gemälde mit vier Leihgaben wiedervereint. Darüber hinaus waren die Bauhaus-Meister Kandinsky, Klee und Schlemmer Teil der historischen Moderne-Sammlung des Museums und sind es auch bis heute.
B: Was war Ihr Leitgedanke bei der Zusammenstellung?
K: Auf über 1.000 Quadratmetern haben wir die verlorene, 1937 als „entartet“ beschlagnahmte Sammlung der Moderne rekonstruiert. In der Weimarer Republik gehörte das Museum zu den bedeutendsten deutschen Ausstellungshäusern für zeitgenössische Kunst, der heute sogenannten klassischen Moderne. Die Aktion „Entartete Kunst“ der Nationalsozialisten bereitete dieser Entwicklung ein Ende. Insgesamt gingen 147 Kunstwerke verloren, 15 konnten seit den 1990er-Jahren wieder zurückerworben werden. Es sind zudem 40 der verlorenen Arbeiten als Leihgaben aus öffentlichen und privaten internationalen Sammlungen aus den USA, Japan und zahlreichen Ländern Europas wieder zurückgekehrt und lassen zusammen mit den 1937 nicht beschlagnahmten Werken die Sammlung von einst wieder erstehen: insgesamt knapp 300 Werke, unter anderem von Feininger, Heckel, Kandinsky, Kirchner, Klee, Kokoschka, Lissitzky, Marc, Nolde, Rohlfs. Ergänzt wird die Ausstellung im zweiten Obergeschoss durch eine Präsentation von Meisterwerken der fünf Bauhaus-Meister Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Georg Muche und Oskar Schlemmer.
B: Besonders auch für Architekten ist ein Besuch interessant…
K : Komplettiert wird das Comeback der historischen Moderne-Sammlung durch den digitalen Teil der Ausstellung. 1927 hatte Walter Gropius am Architekturwettbewerb der Stadt Halle an der Saale für eine moderne Stadtkroneteilgenommen. Aufgabe war es, hoch über der Saale einen Gebäudekomplex zu entwerfen, bestehend aus einer multifunktionalen Konzert- und Kongresshalle, einem modernen Sportforum und einem neuen Kunstmuseum für die Sammlungen des Kunstmuseums in der Moritzburg. Gropius‘ Entwurf wurde nicht gewürdigt. Er war zu visionär. Die Stadtkrone wurdenie realisiert. Dank einer Kooperation mit dem Studiengang Multimedia-VR-Design der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ist mittels Virtual RealityVirtual Reality (VR): Damit bezeichnet man eine Technologie, die es ermöglicht, eine computergenerierte Umgebung zu erschaffen, in die der Nutzer durch das Tragen einer speziellen Brille oder eines Headsets eintauchen kann. Dadurch entsteht eine realitätsnahe, immersive Erfahrung. das Stadtkronen-Gelände sowie vor allem das Kunstmuseum erstmals begehbar. Im Innern ist die Sammlung der Moderne des halleschen Museums zu sehen, darunter zahlreiche Werke, die heute nicht mehr reisen dürfen oder zerstört oder in ihrem Verbleib unbekannt sind.
Dieses Interview ist in der November-Ausgabe des Baumeisters erschienen. Hier geht’s zum Shop.