19.09.2022

Öffentlich

Zum Tod von Queen Elizabeth II: Ihre Rolle in der Architektur

Die Queen bei einer Eröffnungszeremonie. Quelle: Peter Ormond via Wikimedia
Die Queen bei einer Eröffnungszeremonie. Quelle: Peter Ormond via Wikimedia

Der Tod der britischen Queen am 8. September 2022 bewegt die Welt. Die 96-jährige Monarchin hatte ein bewegtes Leben voller Pflichten. Dazu gehörte oft auch die Eröffnung neuer Gebäude – einen Überblick dazu, was die Queen für die Welt der Architektur bedeutet, gibt es hier.

Die Queen und Architektur

Die britische Königin Elizabeth II trat als 25-Jährige ihre Regentschaft an. Sieben Jahrzehnte lang, von 1952 bis 2022, war sie Königin und passte ihre Rolle dabei immer wieder an den Zeitenwandel an. Der Tod der 96-Jährigen am 8. September 2022 führte bei Menschen aller Welt zu großer Trauer. Denn Elizabeth II war ein Symbol für persönliche Stärke, Pflichtbewusstsein und Konstanz. Sie war weit über die Staatsgrenzen hinaus beliebt und bekannt.

Während ihrer Rekordzeit auf dem Thron durchschnitt die Queen zahlreiche rote Bänder. Sowohl in Großbritannien als auch in Australien, Neuseeland und anderen Ländern des Commonwealth weihte sie wichtige öffentliche und private Gebäude ein. Während dieser Zeit erlebte sie, wie sich Architekturstile drastisch wandelten.

Ein Blick auf die Gebäude, die die Queen eröffnet hat, versinnbildlicht dies: Moderne, brutalistische, Hightech- und zeitgenössische Architektur gehört dazu. Namen wie Basil Spence, Powell & Moya, Norman Foster und Herzog & de Meuron fallen beim Blick auf die von der Queen geehrten Häuser, Museen, Flughäfen, Kathedralen, Opernhäuser und Parlamentsgebäude auf.

Zahlreiche Gebäude in Großbritannien und darüber hinaus wurden von der Queen eingeweiht. Quelle: Elliott Brown via Flickr, CC BY-NC-SA 2.0
Zahlreiche Gebäude in Großbritannien und darüber hinaus wurden von der Queen eingeweiht. Quelle: Elliott Brown via Flickr, CC BY-NC-SA 2.0

Die zweite elisabethanische Ära

In Großbritannien ist es bis heute üblich, eine Ära nach dem herrschenden Monarchen zu benennen. In ihrem langen, erfüllten Leben prägte Elizabeth II das Land wie sonst keine andere Person. Daher ist es kein Wunder, dass die Briten nun auf die zweite elisabethanische Ära zurückblicken und der Queen eine letzte Ehre erweisen.

In ihrer Zeit auf dem Thron eröffnete Elizabeth II über 100 Bauten allein in London. Dazu gehören unter anderem die U-Bahn-Linie Victoria Line, das Barbican Centre, das Shakespeare’s Globe Theatre, das BBC Broadcasting House sowie der Great Court im Britischen Museum.

Dies ist eine Auswahl der Gebäude, die die Queen eröffnet hat:

1950er und 1960er Jahre

  • 1955: The Queen’s Building, Heathrow, England, von Frederick Gibberd: Das zentrale Terminal des Flughafens aus der Zeit der Spätmoderne wurde später zum Terminal 2 und 2009 abgerissen, um dem Neubau von Foster + Partners Platz zu machen. Seit 2008 gibt es das von Rogers Stirk Harbour + Partners entworfene Terminal 5, das nach der Queen benannt ist.
  • 1962: Coventry Cathedral, Coventry, England, von Basil Spence: Die Queen war bei der offiziellen Weihung dieser modernen Kathedrale, die eine Kirche aus dem 14. Jahrhundert ersetzt, vor Ort. Das Gebäude ist ein Beispiel für die Spätmoderne.
  • 1963: New Zealand House, London, England, von RMJM: Das 15-stöckige Gebäude war zum Zeitpunkt seiner Eröffnung durch die Queen das dritthöchste Gebäude in London. Es ist das erste Bürohochhaus, das nach dem Zweiten Weltkrieg in der Innenstadt gebaut wurde.
  • 1968: Euston Station, London, England, von William Robert Headley und Ray Moorcroft: Dieser moderne Bahnhof war umstritten, da alte Bestandteile des Gebäudes zerstört werden mussten. Aktuell gibt es Diskussionen, den Bahnhof neuzugestalten, um dem HS2-Hochgeschwindigkeitszug mehr Platz zu bieten.

1970er

  • 1973: Sydney Opera House, Sydney, Australien, von Jørn Utzon: Eine Million Menschen wohnten der Eröffnung des berühmten Opernhauses durch die Queen bei. Der dänische Architekt Jørn Utzon und Ingenieur Ove Arup stellten mit diesem ikonischen Gebäude ein wichtiges Beispiel für die ingenieursdominierte Spätmoderne dar.
  • 1976: Museum of London, London, England, von Powell & Moya: Die Queen eröffnete in diesem Jahr sowohl das Stadtmuseum als auch den Barbican Estate, zwei berühmte brutalistische Komplexe mit einem innovativen Museumsdesign.
  • 1976: Royal National Theatre, London, England, von Denys Lasdun: Prince Charles nannte das Theater ein „Atomkraftwerk im Herzen der Stadt“. Bis heute ist es trotz der komplizierten, 25-jährigen Bauzeit ein bedeutendes Theater.
  • 1977: The Beehive, Wellington, Neuseeland, von Basil Spence: Dieser brutalistische Bau beheimatet die Exekutive des neuseeländischen Parlaments. Er erinnert an einen Bienenstock.
Das Londoner Southbank Centre aus den späten 1960er Jahren ist ein Beispiel für brutalistische Architektur. Quelle: Saval, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Das Londoner Southbank Centre aus den späten 1960er Jahren ist ein Beispiel für brutalistische Architektur. Quelle: Saval, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

1980er

  • 1982: Barbican Centre, London, England, von Chamberlin, Powell und Bon: Die Queen bezeichnete dieses Kunstzentrum als „eines der Wunder der modernen Welt“. Es ist Teil des Barbican Estate und bietet über 1.000 Sitzplätze.
  • 1986: Lloyd’s Building, London, England, von Richard Rogers: Dieses Gebäude ist ein frühes Beispiel der Hightech-Architektur. Die Gebäudetechnik und die Aufzüge befinden sich außerhalb des Gebäudes, um im Inneren mehr Platz zu schaffen.
  • 1988: Parliament House, Canberra, Australien, von Mitchell Giurgola und Thorp Architects: Zum 200. Gedenktag der Ankunft der ersten britischen Verurteilten in der Sträflingskolonie Australien eröffnete die Queen das neue Parlamentsgebäude in der australischen Hauptstadt.

1990er

  • 1991: Stansted Airport, Stansted, England, von Foster + Partners: Dieser Flughafen nahe London ist ein Beispiel für britische Hightech Architektur.
  • 1998: Museum of Scotland, Edinburgh, Scotland, von Benson + Forsyth: Dieses Gebäude ist eine Erweiterung des Royal Scottish Museum aus dem 19. Jahrhundert. Es stellt eine moderne Ergänzung in der Altstadt von Edinburgh dar.
  • 1998: British Library, London, England, von Colin St. John und MJ Long: Trotz Prince Charles, der die Bibliothek als „Akademie für die Geheimpolizei“ beschrieb, eröffnete die Queen das Gebäude feierlich. Es handelt sich um das größte öffentliche Gebäude, das im 20. Jahrhundert in Großbritannien gebaut wurde.

2000er

  • 2000: Tate Modern, London, England, von Herzog & de Meuron: Die berühmte Kunstgalerie war früher ein Kraftwerk. Dieses hatte die Queen 37 Jahre zuvor eingeweiht.
  • 2000: Great Court im British Museum, London, England, von Foster + Partners: Der mit einer freitragenden Glasschale überdachte Innenhof im wohl bekanntesten Museum der britischen Hauptstadt vergrößert die Ausstellungsfläche um 40 Prozent.
  • 2004: Scottish Parliament Building, Edinburgh, Schottland, von EMBT & RMJM: Das komplexe Parlamentsgebäude bezieht sich auf das schottische Erbe und die Landschaft, indem es unter anderem an Boote und Blumengemälde erinnert.
  • 2006: Senedd Cymru, Cardiff, Wales, von RSHP: Das Gebäude für die walisische Nationalversammlung besteht aus einem großen Stahldach und Holz sowie einer Glasfassade. Es ist eines der ersten öffentlichen Gebäude mit nachhaltigen Elementen wie einem Biomasse-Boiler und einer Regenwasser-Sammlungsanlage.
Das Dach im Britischen Museum. Quelle: pxhere
Das Dach im Britischen Museum. Quelle: pxhere

Seit 2010

  • 2011: Somerset House East Wing, London, England, von BDP: Diese Neueröffnung des historischen Gebäudeflügels unterstreicht die Geschichte des imposanten Hauses von 1547.
  • 2012: Cutty Sark, Greenwich, London, England, von Grimshaw: Die Cutty Sark wurde 1869 erbaut und war einer der schnellsten Teeklipper des Britischen Empire. 2012 wurde das Schiff restauriert sowie von der Queen erneut als Museum eröffnet.
  • 2015: Ministry of Defence, London, England, von HOK: Schon im Jahr 1990 gab es erste Pläne für die Umgestaltung des Verteidigungsministeriums. Ein ganzes Konsortium an Partnern arbeitete jahrelang am endgültigen Entwurf, den die Queen 2015 einweihte.
  • 2022: Elizabeth Line, London, England: Die neueste U-Bahn-Linie der Hauptstadt wurde erst vor wenigen Monaten eingeweiht. Sie ist nach der Queen benannt, und die Monarchin selbst kam überraschend zur feierlichen Eröffnung.

Nach Queen Elizabeth – ein Blick in die Zukunft

Trotz der vorherrschenden Trauer in Großbritannien richten sich die Augen nun auch nach vorne: Der neue König, King Charles III, steht vor vielen Herausforderungen. Architekten und Stadtplaner schauen besonders genau auf seine Pläne, denn der bisherige Prinz war dafür bekannt, stets eine Meinung zu architektonischen Experimenten zu haben.

Im Mai 1984 hielt er eine berühmte Rede über den vorgeschlagenen Anbau der National Gallery in London, die er als „monstrous carbuncle on the face of a much-loved and elegant friend“ beschrieb – ein „monströses Karbunkel auf dem Gesicht eines geliebten und eleganten Freundes“. Diese drastische Äußerung hatte Erfolg und der Anbau nach dem Entwurf von Rogers wurde nie errichtet. Stattdessen bauten Robert Venturi und Denise Scott Brown den sogenannten Sainsbury-Flügel. Dieser Anbau ist eine der wichtigsten Werke der Postmoderne in Großbritannien.

Der Prinz erregte aber nicht nur die Gemüter, sondern trug auch zum Bau neuer Gebäude und Gemeinden bei. So spendete er zum Beispiel Land im Herzogtum Cornwall, um das Dorf Poundbury zu errichten. In dieser geplanten Gemeinde mit 3.500 Bewohnern, die 2025 fertiggestellt wird, herrschen traditionelle Baustile sowie New Urbanism vor.

Eine Vision von Großbritannien

Außerdem schrieb er im Jahr 1989 ein Buch namens „A Vision of Britain“. Darin argumentierte er, dass traditionelle Baumethoden und Ästhetiken auch die Zukunft von Großbritannien beeinflussen sollten. Er ist als Bewunderer traditioneller Architektur bekannt. In der Zeitschrift The Architectural Review schrieb er im Jahr 2014, dass es an der Zeit für eine reifere Architektur sei.

Nun stellt sich die Frage, wie König Charles in seiner neuen Rolle mit Architektur und Stadtplanung interagieren wird – gelingt es ihm, auch moderne Gebäude so würdevoll und pflichtbewusst wie seine Mutter einzuweihen?

Ein Ort zu dem König Charles sicherlich seine Meinung hat, entsteht derzeit im Londoner Stadtteil Greenwich – der London Design District. Hier haben acht renommierte Architekturbüros aus ganz Europa insgesamt 16 Atelierhäuser entworfen. Ein Gebäudepaar bezieht seinen Reiz aus den raffinierten Aluminiumfassaden, die die Architekten verwendet. Wie das aussieht? Bitteschön: Atelierhäuser von Barozzi Veiga.

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