04.12.2023

Gewerbe

Puni, Brennkammer in Glurns

Ziegel
Ein einzigartiger und ungewöhnlicher Anblick – Die Whiskydestillerie Puni steht mitten im Vinschgau in Südtirol. Foto: René Riller
Ein einzigartiger und ungewöhnlicher Anblick – Die Whiskydestillerie Puni steht mitten im Vinschgau in Südtirol. Foto: René Riller

Selbst gebrannt: Mystisch verhüllen die eigens für diesen Bau entworfenen Ziegel eine Südtiroler Whiskydestillerie. Ungewöhnlich, denn den rauchigen Branntwein verortet man nicht unbedingt im italienischen Raum. Dabei machen Voraussetzungen wie klares Wasser und gutes Getreide den Vinschgau geradezu prädestiniert dafür. Architekt Werner Tscholl nahm die Herausforderung an. 

Foto: René Riller
Foto: René Riller
Der öffentliche Zugang führt durch eine einzige Tür. Wenn diese geschlossen ist, fügt sie sich vollständig in die Fassade ein und verschwindet.

BAUMEISTER: Die Whiskydestillerie „Puni“ ist nicht nur in Südtirol, sondern in ganz Italien einzigartig. Wie kam der Bauauftrag zustande, und wie fanden Sie die Idee einer Destillerie in Ihrer Heimat?

Werner Tscholl: Das ist eine etwas längere Geschichte. Das erste Mal, dass ich von der Idee gehört habe, war bei der Restaurierung von Schloss Sigmundskron, dem Messner Mountain Museum Bozen. Albrecht Ebensprenger, Gründer der Whiskydestillerie, ist selbst Baumeister und saniert alte Schlösser und Burgen. Beim Abschluss des gemeinsamen Projekts in Bozen saßen wir als Team zusammen und fragten ihn, an welchem Projekt er als Nächstes gerne arbeiten würde. Seine Antwort: eine Whiskydestillerie. Da haben wir uns alle angeschaut und geschmunzelt. Es war einfach undenkbar, dass irgendjemand auf die Idee kommen würde, im Vinschgau eine Whiskydestillerie zu bauen. Ein paar Jahre später ist er wieder auf mich zugekommen und fragte direkt heraus: Willst du mir diese Destillerie nun entwerfen oder nicht? Nach einem kurzen Zögern – macht er jetzt Scherze? – habe ich natürlich ja gesagt.

B: Aber benötigt man für Whisky nicht Seeluft und das schottische Hochmoor?

W T: Nein. Wichtig ist das reine, kristallklare Wasser. Und das haben wir auch hier im Vinschgau. Puni ist nicht nur der Name der Destillerie, sondern auch ein Fluss im oberen Vinschgau, dessen Wasser für den Whisky benutzt wird.

B: Und die Tradition einer Obst- oder Getreidebrennerei ist im Vinschgau ja eigentlich auch vorhanden, oder?

W T: Ja, die Tradition wäre da. Nur ist nie jemand auf die Idee gekommen, eine Whsikydestillerie zu bauen. Dabei ist der Gedanke hier genau richtig: Der Vinschgau war früher die Getreidekammer Tirols. Es wurde sehr viel, sehr gutes Getreide angebaut. Und Getreide ist, neben dem Wasser, Hauptbestandteil von Whisky. So ist der Vinschgau eigentlich prädestiniert für eine Whiskydestillerie, einen eigenen Whisky.

Foto: René Riller
Foto: René Riller
Im zweiten Obergeschoss ist eine Wohnung untergebracht. Die einzige Öffnung in der Fassade gehört zur Terrasse für den Blick in die Landschaft.

B: Wenn man an Südtirol und die dortigen Baumaterialien denkt, assoziiert man nicht sofort rote Ziegelsteinbauten. Wie kam es zu dieser Wahl?

W T: Die roten Ziegelsteine sind im ländlichen Raum Südtirols üblich für Lüftungsfenster von Wirtschaftsgebäuden. Ziegellochmuster benutzt man schon sehr, sehr lange, um beispielsweise Heu gut zu lüften. Dennoch ist es nicht so präsent. Erst im Nachhinein habe ich festgestellt, dass gegenüber dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, ein solches Wirtschaftsgebäude stand. Dieses Muster hat mich ganz klar in Jugendzeiten unbewusst geprägt. Und da die Whiskydestillerie ein modernes Wirtschaftsgebäude ist, passt diese Assoziation.

B: Hat die traditionelle Bauweise rund um Glurns Sie auch in anderen Aspekten beeinflusst?

W T: Der Obervinschgau ist ein romanischer Ort. Das bedeutet, die Architektur ist sehr karg und arm; die Materialien sind einfach und einheitlich – das wollten wir zeigen: dieses Karge, dieses Romanische. Im Prinzip ist Ziegel ein ganz bescheidenes Baumaterial, das aber so zusammengesetzt und trotz der Einfachheit eine gewisse Würde ausstrahlt. Die Atmosphäre eines Ortes interessiert uns mehr als die traditionellen Stadelbauten.

B: Dann waren der Ziegel und sein Format ausschlaggebend für die Architekturform?

W T: Genau. Der Bauherr ist ein sehr guter Baumeister und sollte daher seine Whiskydestillerie selbst bauen. Wir wollten ihn als Maurer herausfordern und eine Destillerie entwerfen, die am Ende ganz einfach aussieht, aber extrem schwierig zu bauen ist. Jede horizontale und vertikale Linie musste stimmen, damit das Gebäude so wirkt. Wenn da ein Ziegel aus der Reihe tanzt, würde man es sofort merken. Es war ein Abenteuer. Aber es ist dem Bauherrn gut gelungen, da eben wirklich Fachleute am Werk waren. Und weil alles seine Handarbeit ist – auch das Ziegelbrennen –, war das Projekt kostentechnisch machbar. Der Aspekt, dass man Whisky und Ziegel brennt, entschied ebenso die Materialwahl.

B: Gibt es auch bauliche Qualitäten des Ziegels?

W T: Ja, das Lüftungselement, welche Ziegel innehaben. Zudem war ganz ursprünglich mal angedacht, Glasziegel zu verwenden. Das hätte dann aber keine historische Kraft gehabt. Ziegel wurde schon so oft in der Geschichte vorher genutzt, und eben diese Geschichte sollte er hier widerspiegeln.

Foto: René Riller
Fotos: René Riller
Im Untergeschoss befinden sich Silos, Mühle, Brennblasen sowie der Verkostungskeller für Besucher und Besucherinnen.
Foto: René Riller

B: Ist der verwendete Ziegel ein reguläres Produkt?

W T: Im Inneren sind handelsübliche Ziegel mit dem Format 12 mal 24 Zentimeter verwendet worden. Aber für Außenfassade und Fensteröffnungen waren diese zu klein. Deswegen entschieden wir uns, die Ziegel selbst herzustellen und um das Doppelte zu vergrößern: auf 24 mal 48 Zentimeter. Die Blöcke wären in dem Format viel zu schwer, wenn sie vollständig gefüllt wäre, und das wäre technisch nicht umsetzbar gewesen. Deshalb sind die Ziegelblöcke – insgesamt 5.500 Stück – extra hohl gegossen worden. Außerdem durften wir keinen Mörtel verwenden, weil man sonst den Abstand zwischen den Fugen gesehen hätte. Wir mussten das Ganze kleben.

B: Welche Raumwirkung haben Sie mit dem Ziegelmuster verfolgt?

W T: Die löchrige Ziegelfassade hat uns mehrere Dinge erlaubt. Von außen kann man zwar hineinblicken, aber es ist nicht klar erkennbar, was drinnen passiert. Eine geheimnisvolle Atmosphäre entsteht, wie sie beim Brennen von Alkohol üblich ist. Im Inneren haben wir dieses diffuse Licht, was eine ebenso geheimnisvolle Atmosphäre schafft. Zugleich gibt jedes einzelne Loch in der Ziegelfassade den Blick auf ein perfektes, kleines Bild als Ausschnitt der Landschaft frei. Vor dem geistigen Auge fügen sich die Bilder dann wieder zu einem Gesamtbild zusammen.

B: Warum besteht der Bau aus zwei unabhängigen Hüllen – einer inneren aus spiegelnden Glasflächen und schwarzen Paneelen sowie einer äußeren Hülle aus Zementziegeln?

W T: Das hat zwei Gründe. Zum einen wollten wir eine Schwelle schaffen, die Besucher überschreiten, ohne direkt ins Gebäude einzutreten. Wir ermöglichten ihnen so einen Rundgang, um die Ziegelfassade von innen und gleichzeitig durch die spiegelnde Glasfassade vage in die Räume der Destillerie zu sehen. Dieser Zwischenraum und die Tatsache, dass es nur einen einzigen kleinen Eingang gibt, bringt eine gewisse Mystik mit sich. Die Besucher spüren das: Sie kommen rein und werden ruhiger, nahezu andächtig. Der zweite Grund ist ein ganz einfacher: Wir wussten nichts über das Whiskybrennen oder wie man eine funktionale Brennerei baut. Mit einer vorgesetzten Fassade ist es uns möglich, stetig den Innenraum für die Funktion zu ändern, ohne in die Architekturhülle einzugreifen oder dabei abhängig von Fenstern zu sein. Gleichzeitig verschleiern wir den Blick auf den inneren Wandel. Noch während der Bauzeit konnten wir auf Vorschläge der schottischen Ingenieure reagieren und das Innere perfektionieren, um eine echte schottische Destillerie zu schaffen.

Foto: René Riller
Fotos: René Riller
Das Erdgeschoss ist mit dem Untergeschoss über Glaskästen visuell verbunden.

B: Inwiefern hat die schottische Architektur eine Rolle für den Entwurf gespielt?

W T: Es war das erste Mal, dass wir sowas entworfen haben. Deswegen sind wir viel herumgefahren und haben uns Destillerien angeschaut; wir wollten uns von den erfahrenen Schotten beraten lassen – und das haben wir auch. Doch umgesetzt haben wir alles anders, als es in Schottland gemacht wird. Sogar die Brandblasen sind zwar in Schottland gefertigt, doch nach eigenen Vorstellungen des Bauherrn. Bei den ganzen Besuchen in Schottland und den Destillerien, die wir uns in ganz Europa angesehen haben, ist uns eines aufgefallen: Destillerien sind meist chaotisch. Da gibt es Silos, Edelstahltanks, Schuppen, Lager, Produktionsräume und mehr. Ein Destilleriegebäude ist immer ein Konglomerat, das langsam entstanden ist, aber eigentlich nirgends zusammenpasst. Es gab kaum eine alte Destillerie, die wirklich schön aussah. Das wollten wir nicht. Wir wollten ein einheitliches, geschlossenes Gebäude schaffen, in dem wir von Anfang an alles aufnehmen, was eben sonst im Laufe der Jahre hinzugekommen wäre. Wir sehen also den Einfluss aus Schottland darin, dass wir nicht die schottischen Sammelsurien, sondern ihre Erfahrung nachahmen und die nötigen Funktionsräume kompakt in einem Bau untergebracht haben.

B: Die Destillerie wurde vor beinahe einem Jahrzehnt fertiggestellt. Wie kam sie bei den Südtirolern und Südtirolerinnen an?

W T: Sie kommt vom ersten Tag an sehr gut an, weil die Besucher und Besucherinnen – egal ob Fachleute oder Laien – verstehen oder ganz intuitiv erfahren, was wir ausdrücken wollten. Das ist für mich eines der wichtigsten Kriterien bei Architektur.

B: Im Vinschgau herrschte lange Zeit eine landwirtschaftliche Obst-Monokultur, unter der Artenvielfalt und Baukultur litten. Würden Sie sagen, dass es gelungen ist, durch die Whiskydestillerie die dortige Produktion von Roggen attraktiv zu machen?

W T: Ein Impuls ist auf jeden Fall da. Wenn man heute durch den Vinschgau fährt, fällt auf, dass wieder viele Getreidefelder entstehen und die Bauern die Tradition aufleben lassen. Solche Veränderungen gehen natürlich nicht von heute auf morgen, und zehn Jahre sind nicht viel Zeit. Es wird noch mehrere Impulse brauchen, aber es ist ein Anfang gemacht. Seit die Destillerie steht und mehr Getreide angebaut wird, hat sich das Bewusstsein der Menschen verändert. Am meisten fasziniert mich an dem Projekt daher, dass da jemand kommt und aufzeigt, wie eine Landschaft ist, wie sie in der Geschichte war, was angebaut wurde und was dort möglich ist. Das hat der Bauherr mit seiner Idee in die Realität umgesetzt und etwas in dieser Landschaft bewegt.

Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
Pläne: Werner Tscholl Architekt
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