Zwei Leerstände in der Landeshauptstadt Graz werden im Rahmen der prekARTe 23 zu Demonstrativräumen. In einer ehemaligen Mühle sowie einem Geschäftshaus in der Innenstadt sind bis Ende Oktober Veranstaltungen und zeitgenössische Experimente geplant. Damit möchten die Veranstalter auf die Raumnot und den zunehmenden Leerstand in Städten aufmerksam machen.
Jahrelanger Leerstand
Was haben Demonstrationen mit Architektur zu tun? Geht es nach dem Organisationsteam APORON 21, das die prekARTe 23 ausrichtet, eine Menge. Was den Leerständen fehlt ist frisches Leben. Während die Räume der Rösselmühle in Gries auch neun Jahre nach deren Stilllegung ungenutzt bleiben, ist das ehemalige Kleidergeschäft Käftner in der Reitschulgasse unweit vom zentralen Verkehrsknotenpunkt Jakominiplatz erst seit zwei Jahren aufgelassen. Davor war es über hundert Jahre lang ein Teil der Grazer Geschichte. Aus diesem Grund legt der Verein Aporon 21 im Rahmen der Bespielung auch ein Archiv an. So soll der bisher unbeachtete Hintergrund des Gebäudes aufgearbeitet und erfahrbar werden.
Die Rösselmühle hingegen ist seit längerem bereits ein Streitpunkt in Graz. Nach einem kürzlichen Brand soll sie nun teilweise abgerissen werden. Durch die gute Lage und Größe ist das Grundstück von besonderem Investoreninteresse. Ein reines Wohnprojekt würde der Gegend schlecht tun, sagt jedoch das „Kommittee Rösselmühle“, bestehend aus Architekten, Künstlerinnen und Stadtforschern. Das ruft Kritikerinnen und Kritiker der Investorenkultur auf den Plan, für den Erhalt des historischen Gebäudes einzutreten und die ehemalige Mühle anderweitig zu nutzen. Im Idealfall könnte hier ein belebtes Kunst- oder Kulturzentrum entstehen, das die im Gentrifizierungsprozess befindliche Gegend mit niederschwelligen Angeboten aufwerten würde.
Die Rösselmühle nach dem Brand. Foto © fotograf:itsch / APORON 21
Prekäre Kunst
Das Wort „prekär“ beschreibt schwierige Umstände, um eine Lage zu verbessern oder aus einer misslichen Lage zu entkommen. Prekär ist auch das Wortspiel, das für die Leerstandproblematik in Graz herangezogen wird. Die prekARTe möchte damit auf die Situation von Kunstschaffenden aufmerksam machen. Während auf deren Seite günstige Räume zum Arbeiten fehlen, gibt es ungenutzten Leerstand, der sich nicht nur negativ auf das direkte Umfeld auswirkt, sondern auch wirtschaftliches Potenzial und Synergien ungenutzt lässt.
Mit der temporären oder längerfristigen Nutzung von Leerständen kann also beiden Seiten geholfen werden. Wie eine solche Nutzung aussehen kann, wird anhand der zwei Standorte demonstriert: Gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz, Raum 115, Studio Magic, dem Grazer Verein wohnlabor, Junge Kunst, SizeTwo und weiteren Beteiligten zieht wieder frisches Leben in die Räume ein. Mit Ausstellungen und Workshops, Clubbings und einem Café werden vom 22.9.2023 bis 29.10.2023 damit außerdem die Räume wieder öffentlich zugänglich gemacht.
Die prekARTe 2023 findet in der Rösselmühle und im Kaufhaus Kräftner in Graz statt. Grafik © prekARTe
Gentrifizierungsumkehr
Mit dem Programm möchte man nicht nur zeigen, was Leerstände zu bieten haben und welches sträflich ungenutzte Potenzial in ihnen schlummert. Der Raum für kritische künstlerische und gesellschaftliche Interventionen ermöglicht laut Veranstaltern auch eine „Schubumkehr der Gentrifizierung“, also das Generieren eines Mehrwerts für den Standort abseits von Konsum und Immobilienpreisen.
Die Rösselmühle soll als „temporärer Kunstinkubator“ Anlaufstelle für zeitgenössische Themen im künstlerisch-urbanen Diskurs sein. Das ehemalige Kaufhaus Kräftner eignet sich durch die zentrale Lage als Café, für Abendveranstaltungen wie Clubbings, und um ein Residency-Programm zu realisieren.
Die prekARTe 23 ist dabei nicht die erste ihrer Art. Bereits im Jahr 2022 wurde eine ganze Etage eines Möbelhauses zum prekären Kunstraum auf tausend Quadratmetern.
prekARTe 23
Kunst Klub Kräftner:
23.9. bis 29.10.2023
Reitschulgasse 13, 8010 Graz
Di–Sa 14:00–22:00
Rösselmühle:
22.9. bis 15.10.2023
Oeverseegasse 1, 8020 Graz
Di–Sa 16:00–19:00 und Termine nach Vereinbarung
Die prekARTe findet in Kooperation mit dem Steirischen Herbst statt, dem 1968 gegründeten, jährlichen interdisziplinären Festival in Graz.
Leerstand ist längst kein neues Thema. Der Stadtplaner Uli Hellweg sagt dem Baumeister im Interview: „Leerstand ist wie Müll.“ Das ganze Gespräch ist hier nachzulesen.