Das heißt, sie konnten es schon mal?
Uli Hellweg: Ich meine, dass das frühere Senate durchaus mal gekonnt haben. Wolfgang Nagel hat zum Beispiel einiges auf den Weg gebracht nach der Wende. Auch wenn manches damals vielleicht zu groß gedacht war. In der Kommunalpolitik entscheidet ja nicht das Parteibuch, sondern der kluge Kopf. Das ändert sich schon langsam auf der Landesebene, und in der Bundespolitik funktioniert Politik nach ganz anderen Kriterien. In Berlin ist es in letzter Zeit nicht klug gelaufen. Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft besser wird. Planungskultur ist mehr als Bürgerbeteiligung. Das muss man ganz klar sagen.
Gibt es konkrete Projekte, die als positives Beispiel dienen?
Uli Hellweg: Zum Beispiel Alexanderplatz, Haus der Statistik. Ich glaube auch, dass bei den basisorientierten Initiativen der Baugemeinschaften in Kreuzberg oder Friedrichshain vieles gut läuft.
Es scheint eine Frage der beteiligten Akteure zu sein und wie die verfügbaren Instrumente eingesetzt werden, und weniger eine Frage nach den Instrumenten selbst. Müssen die passenden Leute erst kommen, damit die Instrumente nach ihrem Potential voll ausgeschöpft werden?
Uli Hellweg: Na ja, die Personalfrage hängt ja immer mit politischen Konstellationen zusammen. Aber die These, dass nicht die Instrumente das Problem sind, sondern die Politik, um das mal zu entpersonalisieren, ist plausibel. Aber Politik wird ja immer von Menschen in Konstellationen und Koalitionen gemacht, das heißt auch in Zwängen gemacht. Dass es manchmal so kommt, wie es kommt, hängt aus meiner Sicht von politischen Kontexten und deren Klientel ab. Aber nochmals: nicht die Instrumente sind das Problem. Nun war ich ja auch mal Baudezernent. Wenn wir etwas wollten, dann haben wir das mit dem Instrumentarium auch hingekriegt. Wenn wir etwas nicht wollten, fiel uns auch immer etwas ein. Natürlich kann man Instrumente immer nachschärfen und zielgenauer machen.
Zum Beispiel?
Uli Hellweg: Es gibt eine Diskussion um die kleinen Entwicklungsmaßnahmen. Wir haben viele kleine Baulücken, die man noch entwickeln könnte, wenn man das Instrument des Entwicklungsrechts einsetzen könnte. Man müsste es weniger aufwändig und weniger bürokratisch machen. Beim Bodenrecht gäbe es auch eine ganze Menge Möglichkeiten, etwa im Steuerbereich, beim Vorkaufsrecht oder bei der Wertabschöpfung. Dazu gibt es zahlreiche gute Vorschläge vom Deutschen Städtetag oder dem DIFU.
Nun ist die Coronapandemie noch nicht vorbei. Wenn man von drei Optionen ausgeht, was den Ausgang der Krise betrifft, bedeutet das: es ändert sich gar nichts, es ändert sich alles, oder bestehende Trends werden verstärkt. Welchen Standpunkt vertreten Sie?
Uli Hellweg: Dass bestehende Trends verstärkt werden, würde ich auch so sehen.
Welche Trends wären das?
Uli Hellweg: Zum Beispiel die Digitalisierung. Das Beispiel Homeoffice wird gerade viel diskutiert. Ob die Prognosen eintreten werden mit bis zu 80 Prozent Homeoffice? Sicherlich wird es allgemein nicht ganz so hoch ausfallen. In bestimmten Sektoren wird das eher gehen, etwa im Versicherungs- und im Finanzbereich. Das ist auch eine Chance. Die großen Versicherungspaläste sind nicht unbedingt eine Bereicherung für die Urbanität der Innenstädte.
beide lachen
Die könnten sich ja auch aus urbanistischer Sicht mehr Mühe geben!
Uli Hellweg: Könnten sie! Aber vielleicht brauchen sie auch gar nicht mehr so viel Fläche und könnten dann, zum Beispiel, Flächen umnutzen. Da kommt man allerdings gleich in die Tücken des Baurechts, denn es geht sofort um BrandschutzBrandschutz: Der Brandschutz beinhaltet alle Maßnahmen und Vorkehrungen, die dazu dienen, Brände zu vermeiden, zu erkennen und zu bekämpfen. Hierzu gehören unter anderem der Einsatz von Brandmeldern, Rauchwarnern, Feuerlöschern und Brandschutzeinrichtungen wie Brandschutztüren oder Brandschutzverglasungen. und SchallschutzSchallschutz – Die Fähigkeit eines Gebäudes oder Raumes, Schall abzuschirmen und zu dämpfen., die eine Umnutzung teuer machen. Man müsste daher die Nutzung nach dem Gebäude suchen, statt das Gebäude auf die Nutzung anzupassen. Eine solche Anpassungsstrategie wäre etwas, das man stadtplanerisch verstärken könnte. Dabei spielt sofort der nächste Trend eine Rolle. Was ist mit dem Einzelhandel? Er war schon vor Corona in der Krise. Lieferdienste sind eine starke Konkurrenz. Damit werden Flächen in der Innenstadt frei und die Funktion der Innenstadt insgesamt steht zur Disposition. Daher glaube ich, dass sich unsere Innenstädte ändern werden. Wir werden uns von dem Bild der Konsum-Innenstadt, wie es in den Fünfzigerjahren geprägt wurde, trennen müssen. Wenn man erstmal wartet, bis die Leerstände um sich greifen, ist es zu spät. Leerstand ist wie Müll, ein Leerstand zieht den nächsten an. Die monofunktionale Ausrichtung der Innenstadt auf Konsum muss man daher proaktiv aufbrechen.