Auch wenn man in Zeiten Trumps den Begriff Deal kaum noch verwenden kann, stellt sich dennoch die Frage: Ist das Praktikum eine bereichernde Lebenserfahrung oder reine Ausbeute? – Nach dem Interview mit Mark Michaeli, Architektur-Professor an der TU München, berichtet Baumeister Academy Gewinner Maximilian Graber aus erster Hand von seinen Arbeitserfahrungen als Architekturstudent. Max absolviert derzeit ein Praktikum bei MVRDV in Rotterdam.
Von der Uni ins Arbeitsleben
Nach Ende meines vierten Bachelorsemesters an der TU München packte mich die Neugier: Wie sieht der Alltag eines Architekten aus? So ein Praktikum kann da bestimmt nicht schaden. Doch als es soweit ist, stelle ich mir die Frage: Bin ich überhaupt bereit dafür? In den ersten Wochen meines vorherigen Praktikums bei Renzo Piano ließ mich dieser Gedanke nicht los. Doch schließlich stellte ich in der dritten oder vierten Woche fest: Die Arbeit selbst macht mich Tag für Tag selbstbewusster. Ich lebte mich ein, an meinem neuen Arbeitsplatz, gewöhnte mich an neue Gesichter, Sprachen und Computerprogramme und wuchs täglich mit meinen Aufgaben. Und schnell verlor ich die Scheu, nachzufragen. Denn das ist schließlich der Deal, den Mark Michaeli in seinem Interview mit dem Baumeister Architekturmagazin vergangene Woche ansprach: Diese Form des Arbeitsverhältnisses beruht auf einer gewissen Gegenseitigkeit. So ist ein Praktikum nicht nur allein Mehrwert für den Praktikanten, sondern ebenso eine gute Möglichkeit für erfahrene Architekten, ihr Wissen wieder aufzufrischen, wenn sie Rede und Antwort stehen müssen.
Geben und Nehmen
Aber leider kommt es immer wieder vor, dass Praktikanten fürs Kaffeekochen verantwortlich sind, stupide Pläne nachzeichnen oder tagelang Excel-Sheets abarbeiten müssen. Und dafür bezahlt man sie noch nicht einmal anständig. Zum Vorteil vieler Büros gibt es genügend Studenten die sich nebenbei – im wahrsten Sinne des Wortes – etwas Kleingeld dazuverdienen müssen oder Berufserfahrung sammeln möchten. Ein fertiger Architekt kostet für die gleiche Arbeit mindestens das Dreifache. Und natürlich, ich sehe es ja ein, dass diese „schnöden“ Tätigkeiten zum Job gehören. Doch wo bleibt da der Lerneffekt, der zweite Teil des Deals? Als Praktikant erwarte ich mir eine gewisse Herausforderung, eine Aufgabe, an der ich wachsen kann oder einen Mentor, von dem ich lerne. Zugegeben, als Student bringt man vielleicht nicht unbedingt jahrelange Baustellenerfahrung oder ausgeprägtes Detailwissen mit, doch was ist mit frischem Wind, Kreativität, Gespür für Form, Farbe, Material und vor allem Motivation? Ich bin der Meinung, dass ein Praktikum sein Lehrgeld auch Wert sein sollte. Da darf man als Praktikant doch auch seine Ansprüche haben, oder? Meine Meinung: Erfüllen am Ende beide Parteien ihre Vertragsbedingungen, dann sollte einem erfolgreichen Praktikum nichts im Wege stehen.
Hier geht’s zum Interview mit Mark Michaeli.
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