Entwurfsstudio Sustainable Urbanism an der TU München (Copyright: Andy Westen)

Bietet mir ein Praktikum zukunftsweisende Lebenserfahrung oder bin ich nur eine billige Arbeitskraft? – Diese Frage hat sich wohl schon jeder mal im Studium (oder danach…) gestellt. Für die Baumeister Academy haben wir uns mit Mark Michaeli unterhalten. Er ist Professor für Sustainable Urbanism und Studiendekan der Architekturfakultät der TU München. Ein Interview über die Frage, ob das Bologna Modell, Studenten wirklich einschränkt und wie wichtig es ist, nicht nur die Regelstudienzeit im Blick zu haben.

Entwurfsstudio Sustainable Urbanism an der TU München (Copyright: Andy Westen)
Modellarbeit im Entwurfsstudio (Copyright: Andy Westner)
Entwurfslabor Wallersdorf: Neues Wohnen im Ländlichen Raum (Copyright: Julia Ulrich, Constantin Boe)
Entwurfslabor Wallersdorf: Neues Wohnen im Ländlichen Raum – Neugestaltung Marktplatz (Copyright: Julia Ulrich, Constantin Boe)
Entwurfslabor Wallersdorf: Neues Wohnen im Ländlichen Raum – Strategien für den Dorfkern (Copyright: Julia Ulrich, Constantin Boe)

„Ein Architekt, der sich die Zeit für die Berufserfahrung nimmt, ist unter Umständen ein besserer, als einer, der durchs Studium durchhetzt.“ – Mark Michaeli

Herr Michaeli, die Studenten Maxi Graber und Andi Maierhofer sind gerade im Zuge der Baumeister Academy bei MVRDV in Rotterdam und léonwohlhage in Berlin. Haben Sie während Ihres Studiums Praktika absolviert?
Ich habe insgesamt 2,5 Jahre mein Studium unterbrochen, war als Praktikant bei Hahn und Helten in Aachen, die damals auf Sakralbau spezialisiert waren. Danach bei Wim van Bergh in Heerlen in den Niederlanden, wo ich besonders das Nachdenken über Architekturtheorie vertieft habe und zuletzt bei Daniel Libeskind in Berlin. Dort konnte ich komplexe dreidimensionale Geometrien für das Victoria Albert Museum mitentwickeln. Ein großartiger Entwurf, er wurde aber leider nie realisiert.

Für wie wichtig halten Sie es, während des Studiums Praktika zu absolvieren?
Sich wirklich mal ein halbes Jahr Zeit zu nehmen und ein Büro zu suchen, wo man neues Wissen und weitere Erfahrungen mitnehmen kann, halte ich für essentiell.

 

 

Aber bleibt überhaupt noch Zeit, erste Erfahrungen im Berufsalltag zu sammeln? Von den Studenten wird doch immer mehr abverlangt?
Mein Eindruck ist, dass von den Studenten nicht mehr abverlangt wird als früher. Ich glaube nur, dass heute ein ganz anderer Druck herrscht, diese Dinge in einer, durch das Bologna Modell festgesetzten Regelstudienzeit, zu machen. Auch als Lehrende spüren wir den Druck. Ich glaube aber, dass man sich als Architekt während seines Studiums diese Zeit nehmen muss. Und auch wenn das in den Broschüren für den Studiengang aufgrund politischer Entscheidungen anders kommuniziert wird: Ein Architekt, der ein bis zwei Jahre länger studiert, sich die Zeit für die Berufserfahrung genommen hat, ist unter Umständen ein besserer, als der, der durchs Studium durchhetzt.

Was ist wichtiger in der Ausbildung an der Uni: Förderung von visionärem Denken oder praxisnahe Anwendung?
Das ist eine groteske Frage. Eigentlich darf sich das auf keinen Fall ausschließen, sonst hat meiner Meinung nach die Universität als Idee versagt. Und warum haben wir das Gefühl, dass nicht beides möglich ist? Weil wir uns offensichtlich die Zeit nicht nehmen, die wir für die Befassung mit beidem brauchen. Was in der Lehrrealität in erster Linie auf der Strecke bleibt, ist in der Tat das visionäre Denken. Die Studenten sagen manchmal, die Universität schränkt sie in ihren Ideen ein. Aber dem ist nicht so. Als Architekturprofessor verlange ich aber vor allem eine entsprechend kluge Argumentation, wenn ein Entwurf über das Übliche hinausgeht.

Werden aus Ihrer Sicht Praktikanten häufig nur als billige Arbeitskräfte ausgenutzt?
Praktikanten sind für Büros eine gute Möglichkeit, über neue Ideen zu sprechen, neue Techniken zu erfahren. Jemand der das versteht, nutzt die Praktikanten nicht aus, sondern geht einen Deal ein. Dann entsteht ein Geben und Nehmen. Wirtschaftliche Zwänge verlangen von den Büros aber häufig den Einsatz von Billigarbeitskräften, gerade in der Wettbewerbsabteilung. Da kann man nur den Appell an die öffentlichen Ausschreiber weitergeben, Ausschreibungen angemessen zu honorieren – was in Deutschland leider kein Standard ist. Durch das Vergabesystem an den günstigsten Anbieter geraten viele Planer in Schwierigkeiten.

Warum haben Sie sich für die Uni entschieden, also die Theorie und nicht für die Praxis?
Auch als Professor an der Uni ist man stark in Prozesse eingebunden, die für die Praxis wichtig sind. Zum Beispiel in Diskussionen für den Städtebau, wie es mit unseren Städten weitergehen soll. Ich bin nach einem Forschungsprojekt der ETH Zürich in der Universität hängen geblieben, weil sie für mich den Raum darstellt, in dem ich mich immer wieder mit neuen Themen auseinandersetzen kann. Das ist bei allen Widrigkeiten, die das Unileben mit sich bringt, eine unglaubliche Möglichkeit das weitere Berufsleben immer neu zu gestalten und zu erfinden.

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Die Baumeister Academy wird unterstützt von GRAPHISOFT, der BAU 2019 und der Schöck Bauteile GmbH.

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