26.07.2022

Öffentlich

Parktoilette im Park an der Ilm, Weimar: Genius Lokus

Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Foto: Naumann Wasserkampf Architekten

Das junge Weimarer Architekturbüro von Julia Naumann und Max Wasserkampf hat vor Kurzem eine bemerkenswert schöne Parktoilette im Park an der Ilm in Weimar fertiggestellt. Bauherrin war die Klassik Stiftung Weimar.

Der große „Park an der Ilm“ präsentiert sich als einzigartiger Landschaftsgarten am Rand der Weimarer Altstadt. Er gehört zum Weltkulturerbe, daher stehen auch kleinste Veränderungen und Bauten unter strenger Aufsicht. Während andernorts Stadtmobiliar wie Bänke, Papierkörbe, Telefonzellen und Toiletten visuell möglichst unsichtbar bleiben sollen, war die Bauherrin, die Klassik Stiftung Weimar, bei einer „Bedürfnisanstalt“ für den Park um Architektur bemüht.

Parktoilette als Gesamtkunstwerk

Das junge Weimarer Büro von Julia Naumann und Max Wasserkampf widmete der Aufgabe einer öffentlichen Parktoilette für die Besucher viel Zeit. Ihnen war aufgefallen, dass die Städte früher viel eher auf ein angemessenes, gut gestaltetes Stadtmobiliar auf ihren öffentlichen Plätzen achteten und dies auch als Teil des Stadtmarketings – wie man heute sagt – verstanden. Deshalb suchten die Architekten nach historischen Vorbildern und ihren Fügungen, übersetzten diese in eine zeitgemäße Sprache und schufen so ein bemerkenswert architektonisches Gehäuse. Bei der Planung der Einrichtung ergab sich die seltene Chance für ein kleines „Gesamtkunstwerk“, denn selbst die Gestaltung der Signaletik konnte einbezogen werden.

 

Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Foto: Naumann Wasserkampf Architekten

Rücksicht auf Detail

Statt eines banalen, industriell vorgefertigten Zweckbaus entstand ein sorgsam detailliertes Bauwerk. Die Zugänge liegen diskret an den beiden Stirnseiten, so dass von den Parkwegen aus kein direkter Einblick in die Sanitärräume möglich ist. Ein zusätzlicher Putzraum in der Parktoilette zur Aufbewahrung der Reinigungsutensilien liegt hinter einer Tapetentür. Das Traggerüst besteht aus einer Holzständerbauweise und erhielt als aussteifende Elemente und „Fassade“ farbig behandelte Massivholz-Dreischichtplatten. Ein umlaufend betonierter Sockel schützt die Platten vor Spritzwasser.

Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Foto: Naumann Wasserkampf Architekten

Im Inneren bleiben die Holzplatten naturbelassen, zudem sorgt ein Fliesenspiegel bis 1,20 Meter Höhe für eine leichte Reinigung. Die Fassadenelemente werden über lackierte Stahlprofile zusammengefügt. Ihr Schraubbild haben die Architekten nicht versteckt, sondern sie nutzen es als Schmuck und feine Fassadengliederung. Dabei sind es vor allem die Knotenpunkte, die die Architekten den Wiener Bedürfnisanstalten entlehnt haben. Ein breiter Dachüberstand von 95 Zentimeter dient den Besuchern als Unterstand bei Regen. Das Dach selbst erhielt eine aufwendige Stehfalzdeckung aus Kupfer.

Zu hoffen ist, dass so viel sorgfältig detaillierte Schönheit durch rücksichtsvolle Nutzer der Parktoilette auch erhalten bleibt.

 

Das Architekturzentrum Wien hat sich in der Schausammlung „Hot Questions – Cold Storage“ mit österreichischer Architektur in der Gegenwart beschäftigt. Wer macht Stadt? Und wie wollen wir Leben? Die Antworten dazu lesen Sie hier.

Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Schnitt, Abbildung: Naumann Wasserkampf Architekten
Foto: Naumann Wasserkampf Architekten
Grundriss, Abbildung: Naumann Wasserkampf Architekten
Scroll to Top