19.02.2023

Öffentlich

Neue Nachhaltigkeit für die Kirche

Holz Kirche Nachhaltigkeit
Der Gottesdienst- und Versammlungsraum der Ørestad-Kirche wird zur Lichtung unter Bäumen. Visualisierung: Vivid Vision 2022
Der Gottesdienst- und Versammlungsraum der Ørestad-Kirche wird zur Lichtung unter Bäumen. Visualisierung: Vivid Vision 2022

2026 soll sie fertiggestellt werden: Die neue Ørestad-Pfarrkirche für Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen – die erste neue Kirche seit über 30 Jahren. Vier Jahre sollen Planung und Bau des insgesamt 1 750 Quadratmeter großen Sakralbaus dauern, der der ausdrucksstarken Architektursprache Ørestads einen neuen architektonischen Ansatz bietet. Der Entwurf von Henning Larsen spiegelt die Natur der offenen Landschaft von Ørestad wider und legt gleichzeitig den Grundstein für die angestrebte DGNB-Gold Zertifizierung.


Licht und Natur

Das internationale Studio für Architektur, Landschaft und Städtebau Henning Larsen stellt das Spiel von Licht und Natur in den Mittelpunkt seiner Designphilosophie. Basierend auf einem skandinavischen Ethos entwickelt das Studio experimentelle und kontextorientierte Gebäude, ohne den Blick auf deren nachhaltige Wirkung zu verlieren. Letztere ist nicht nur im Sinne der Umwelt zu verstehen, Henning Larsen versucht auch durch soziale Nachhaltigkeit den Nutzern, Gemeinden sowie Städten einen dauerhaften Mehrwert zu bieten. Das Studio bringt dadurch jahrzehntelange Erfahrung in der Gestaltung von Kirchen und religiösen Gebäuden in Dänemark mit.

Das Konzept der Ørestad-Kirche ist aus dem Wald abgeleitet
Das Konzept der Ørestad-Kirche ist aus dem Wald abgeleitet. Visualisierung: Henning Larsen

Eine Lösung für Klima und Gemeinschaft

Ørestads Tradition des Experimentierens mit der gebauten Umwelt sowie die Lage der Pfarrkirche zwischen zwei Häuserreihen fordert nach Außen ein urbanes Konzept, das Aufmerksamkeit erregt. Hinzu kommen dabei Faktoren wie Nachhaltigkeit und Sakralisierung. Wie sich diese Faktoren ableiten lassen, erklärt Jacob Kurek, Global Design Director von Henning Larsen: „Mit Holz zu bauen und die Kraft des Lichts zu nutzen, war die offensichtliche Lösung für das Klima, den Kontext und die Gemeinschaft“.

Die Lage der Ørestad-Kirche fordert ein urbanes Konzept
Die Lage der Ørestad-Kirche fordert ein urbanes Konzept. Visualisierung: Henning Larsen

Charakterstarke Fassade

Die Fassade der Pfarrkirche von Ørestad ist eines ihrer äußeren Merkmale, durch das sie in Erinnerung bleibt. Sie ist rau wir die Rinde eines Baumes und verhält sich wie ebendiese. Während der Jahreszeiten und im Lauf der Zeit verändert sich ihr Charakter. Sie wirkt dabei als Brücke zur Natur um Ørestad. Diesen Effekt verstärkt der durchgehende Ziegelboden, der den Sakralbau mit seiner Umgebung verschneidet sowie durch verschiedene Farbtöne und eingelassene Glaselemente an gefallenes Laub erinnert. Bänke, Sitznischen und Podeste erheben sich überdies aus dem Boden oder entwickeln sich aus der Fassade, immer homogen zum jeweiligen Material. So führt der Weg aus der Gemeinde und ihrer Umgebung über den extrovertierten, aktivierten Außenraum ins Innere der Kirche.

Die Holzvertäfelung der Fassade der Ørestad-Kirche ähnelt der Charakteristik von Baumrinde
Die Holzvertäfelung der Fassade der Ørestad-Kirche ähnelt der Charakteristik von Baumrinde. Visualisierung: Vivid Vision

Harte Schale weicher Kern

Ebenso die skulpturale Dachform ist ein markantes Merkmal der Ørestad-Kirche. Die verschiedenen Türme, machen die Fassade kleinteilig und halten sich dennoch durch das durchgehende Fassadenbild der Holzschindeln zurück. Nach Innen bleibt der Sakralbau unberührt von der Hektik der Stadt: Die hölzernen Türme sind im Inneren wahrnehmbar und leiten sich aus dem Gefühl ab, unter einem Baumdach im Wald zu stehen. Sie dabei wirken als Lichtkaskaden, öffnen den Blick in den Himmel und brechen das Licht jeden Tag auf vielfältige Weise. Die von oben lichtdurchflutete Kapelle entfacht durch die Verbindung zur Natur außerdem die Spiritualität der Menschen.

Die Fassade der Ørestad-Kirche zeichnet sich durch Holz und eine besondere Dachlandschaft aus
Die Fassade der Ørestad-Kirche zeichnet sich durch Holz und eine besondere Dachlandschaft aus. Visualisierung: Vivid Vision
Das Innere der Ørestad-Kirche erinnert an ein Baumdach
Das Innere der Ørestad-Kirche erinnert an ein Baumdach. Visualisierung: Henning Larsen

Ein modernes Konzept für Ørestad Kirche

Henning Larsen nutzte die Gestaltung der neuen Ørestad-Kirche, um moderne Konzepte der sozialen Nachhaltigkeit in ihren Kern einzubetten: Um die gesamte Gemeinde einzubeziehen wurde auch die Nutzung abseits von Gottesdiensten bedacht. So kann der flexible Kirchenraum für verschiedene Gottesdienste und Zeremonien angepasst werden, während ein Kirchenbüro und informelle Kulturräume zu gemeinsamen Mahlzeiten, kleinen Konzerten, Yoga, Tanzen oder Vorträgen einladen.

Die Fassade der Ørestad-Kirche wird durch Bücherregale und Schachtische für die Gemeinde aktiviert
Die Fassade der Ørestad-Kirche wird durch Bücherregale und Schachtische für die Gemeinde aktiviert. Visualisierung: Henning Larsen

Zur Ruhe kommen

Dennoch kommen die leisen Töne in der Kirche nicht zu kurz: Die schlichten Innenräume bieten den Besuchern Trost vom Alltag und laden zum Innehalten ein. Aufgrund des Lichtspiels wird der Versammlungsraum durch die Gestaltung des Daches zur Lichtung unter Bäumen. In Anlehnung an Klostergärten schützt das Kirchengebäude einen von oben belichteten Innenhof, an den eine kleine Kapelle angrenzt. Die schattigen Ecken weichen einem Garten, in dem die Besucher sowie Besucherinnen in aller Stille sitzen können. Inspiriert vom nahe gelegenen Naturschutzgebiet Amager Fælled werden die Außenanlagen der Ørestad-Kirche überdies mit Gräsern, Stauden und Kirschbäumen bepflanzt.

Im geschützten Innenhof der Ørestad-Kirche können die Besucher zur Ruhe kommen
Im geschützten Innenhof der Ørestad-Kirche können die Besucher zur Ruhe kommen. Visualisierung: Vivid Vision

Neue Wege für den Sakralbau – Kirche auf den zweiten Blick?

Das neue Wahrzeichen der Gemeinde ist erst auf den zweiten Blick als Kirche zu erkennen und hat eine andere Strahlkraft als beispielsweise der Kölner Dom – doch vielleicht ist es genau das, was wir beim selten gewordenen Neubau von Kirchen bedenken müssen: Die Zahl der Gläubigen ist rückläufig, es braucht neue Konzepte und den Mut, diese auch umzusetzen. Mit dem Entwurf für Ørestad hat Henning Larsen das Ziel eines nachhaltigen Sakralbaus, der sich harmonisch in seiner Umgebung verhält, erfüllt. Ob sie mit ihrer Idee einer Kirche als Gemeindetreffpunkt ins Schwarze treffen, wird sich in ein paar Jahren zeigen.

Im zentralspanischen Cuenca hat das Madrider Architekturbüro Sancho-Madridejos eine Kapelle errichtet, bei der man Holz definitiv suchen muss. Mehr zu dem Origamikunstwerk aus Stahlbeton hier.

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