Hochhäuser und Flughäfen in aller Welt tragen seine Handschrift. Am Samstag starb der deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn bei einem Fahrradunfall in Chicago im Alter von 81 Jahren.
Mit kühnen Hochhäusern wurde er berühmt: Helmut Jahn. Vergangenen Samstag verstarb der 1940 in Nürnberg geborene und seit Jahrzehnten in den USA lebende Architekt nach einem schweren Fahrradunfall in seiner Wahlheimat Chicago.
Gleich eine Reihe bekannter Gebäude in Deutschland tragen seine Handschrift: Helmut Jahn plante etwa das Sony Center in Berlin (dort nutzte er auch selbst ein Apartment) sowie den 256,5 Meter hohen Messeturm in Frankfurt am Main. Er ist auch über 30 Jahre nach seiner Fertigstellung immer noch das zweithöchste Hochhaus der EU und mit seiner bleistiftartigen Form eines der markantesten Gebäude der Frankfurter Skyline. Dutzende weiterer Hochhäuser weltweit schuf Jahn. Seine Vorliebe für großvolumige, vertikale Bauten brachten ihm den Spitznamen „Turmvater“ Jahn ein.
Perfomanceorientierte Gebäude
Sein technisches Rüstzeug lernte Helmut Jahn an der Technischen Hochschule München (heute Technische Universität München). 1966 ging er als Stipendiat nach Chicago und studierte dort am renommierten Illinois Institute of Technology, das vom Modernismus Ludwig Mies van der Rohes geprägt wurde. GlasGlas ist ein transparentes, sprödes Material, das durch Erhitzen von Sand, Kalk und anderen Inhaltsstoffen hergestellt wird. Es wird oft in der Architektur verwendet, um Fenster, Türen, Duschen und andere dekorative Elemente zu kreieren. Glas ist langlebig, stark und vielseitig, und kann in verschiedenen Farben und Texturen hergestellt werden…. und StahlStahl: Ein Werkstoff, der aufgrund seiner hohen Belastbarkeit und Stabilität oft bei Gerüstkonstruktionen eingesetzt wird. prägten daher zeitlebens auch Helmut Jahns Entwürfe.
In Chicago stieg Helmut Jahn dann in das Büro von Charles Murphy ein, der mit Mies van der Rohe das Federal Center geplant hatte. Dort wurde er später Planungsdirektor und Teilhaber – sowie schließlich Chef und Inhaber. Seit 2012 firmiert das Studio unter seinen Namen und unterhält Niederlassungen in Chicago, Berlin und Shanghai.
1972 entwarf Helmut Jahn die „Kemper Arena“ (heute Hy-Vee Arena) in Kansas City. Sie war sein erstes Großprojekt. Das einfach gehaltene Gebäude galt damals als revolutionär: Ein Skelettbau trägt diese erste stützenlose Großhalle in Amerika. „Wir wollten Gebäude bauen, wo Architektur und Ingenieurswesen zusammen etwas schaffen. Gebäude, die perfomanceorientiert waren, wie alle Gebrauchsobjekte“, erklärte Helmut Jahn einmal rückblickend.
Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten (BDA) für Helmut Jahn
In seiner Wahlheimat Chicago gelang dem Architekten mit dem schräg in den Himmel ragenden Glaszylinder des „James R. Thompson Center“ 1979 ein weiterer Coup. Als „Wegweiser ins 21. Jahrhundert“ wurde das 17-geschossige Bürogebäude der Regierung von Illinois gerühmt. Jüngst geriet es aber in Kritik wegen vieler Reparaturarbeiten.
In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren waren Reminiszenzen an die erste Blüte des amerikanischen Hochhausbaus in der Zwischenkriegszeit (etwa die Dreiteilung in Sockel, Schaft und Krone) im Zusammenspiel mit geometrischen Grundformen kennzeichnend für viele seiner Hochhausentwürfe. In den späten Neunzigerjahren und nach der Jahrtausendwende wandelte sich seine Formensprache in Richtung einer filigranen Hochtechnologie-Moderne, wie sie etwa der Bonner „Post Tower“ zeigt. Auch der Aspekt der NachhaltigkeitNachhaltigkeit: die Fähigkeit, natürliche Ressourcen so zu nutzen, dass sie langfristig erhalten bleiben und keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Nachhaltigkeit in der Architektur – Gebäude, die die Umwelt schützen und gleichzeitig Ästhetik und Funktionalität bieten Nachhaltigkeit und Architektur sind zwei Begriffe, die heute mehr denn je miteinander verbunden… wurde für Jahn immer wichtiger.
In Deutschland konnte Jahn in den letzten Jahrzehnten immer wieder große Projekte realisieren: So zählen die Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen, das Neue Kranzler Eck in Berlin und der Skyline-Tower in München zu seinen Arbeiten. Weltweit arbeitete der Deutschamerikaner an zahlreichen Großprojekten, am McCormick Place in Chicago und dem J. Edgar Hoover Building, der ZentraleZentrale: Eine Zentrale ist eine Einrichtung, die in der Sicherheitstechnik als Steuerungszentrum für verschiedene Alarmvorrichtungen fungiert. Sie empfängt und verarbeitet Signale von Überwachungseinrichtungen und löst bei Bedarf Alarm aus. des FBIs, an Bürotürmen in China, Japan und Singapur sowie an dem Flughafen-Terminal in Chicago und dem internationalen Flughafen Suvarnabhumi in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Zuletzt war er unter anderem im Emirat Katar tätig. In seiner langen Karriere lehrte Helmut Jahn an der University of Illinois in Chicago ebenso wie in Harvard und Yale. 1983 wurde Jahn die Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten (BDA) verliehen.
Die Angst, einen Fehler zu machen
2004 fotografierte Rainer Viertelböck Helmut Jahns „Highlight Towers“ in der Münchner Parkstadt Schwabing. Der Architekt war von der Aufnahme so angetan, dass er den Fotografen gleich mit der Dokumentation sämtlicher seiner Bauten beauftragte. „Das ist die Art und Weise, wie das Gebäude fotografiert werden muss“, betonte er damals. Das Werk von Helmut Jahn in Fotografien von Rainer Viertelböck, chronologisch geordnet und typologisch gruppiert, zeigte Nicola Borgmann 2015 in ihrer Architekturgalerie in München und gab ein Standardwerk dazu heraus.
„Jahn war einer der erfinderischsten Architekten Chicagos“, twitterte Chicagos Bürgermeisterin Lori Lightfood letztes Wochenende. Zeitlebens bewahrte sich Helmut Jahn einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft, wie er selbst in seinem Manifest „Die Zukunft hat immer Recht“ anlässlich seiner großen Retrospektive im Neuen Museum in Nürnberg deutlich machte: „Die Angst, einen Fehler zu machen, wenn man etwas Neues versucht, ist wohl das größte Hindernis für den architektonischen Fortschritt“.
Und hier ein Buchtipp unserer Redaktion für Sie: Helmut Jahn. Bauten von 1975 bis 2015. Fotografien von Rainer Viertelböck, hrsg. von Nicola Borgmann, mit einem Text von Aaron Betsky. 232 Seiten, 184 Farb- und Duotone-Tafeln, 29 x 30 cm, deutsch/englische Ausgabe, München 2015