13.05.2021

Portrait

Der Wolkenkratzer-Architekt: ein Nachruf auf Helmut Jahn

Hochhäuser und Flughäfen in aller Welt tragen seine Handschrift. Am Samstag starb der deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn bei einem Fahrradunfall in Chicago im Alter von 81 Jahren.

Helmut Jahn. Foto: Ingrid von Kruse / jahn-us.com

Mit kühnen Hochhäusern wurde er berühmt: Helmut Jahn. Vergangenen Samstag verstarb der 1940 in Nürnberg geborene und seit Jahrzehnten in den USA lebende Architekt nach einem schweren Fahrradunfall in seiner Wahlheimat Chicago.

Gleich eine Reihe bekannter Gebäude in Deutschland tragen seine Handschrift: Helmut Jahn plante etwa das Sony Center in Berlin (dort nutzte er auch selbst ein Apartment) sowie den 256,5 Meter hohen Messeturm in Frankfurt am Main. Er ist auch über 30 Jahre nach seiner Fertigstellung immer noch das zweithöchste Hochhaus der EU und mit seiner bleistiftartigen Form eines der markantesten Gebäude der Frankfurter Skyline. Dutzende weiterer Hochhäuser weltweit schuf Jahn. Seine Vorliebe für großvolumige, vertikale Bauten brachten ihm den Spitznamen „Turmvater“ Jahn ein.

Das Sony Center in Berlin. Foto: jahn-us.com
Der Messeturm in Frankfurt. Foto: jahn-us.com

Perfomanceorientierte Gebäude

Sein technisches Rüstzeug lernte Helmut Jahn an der Technischen Hochschule München (heute Technische Universität München). 1966 ging er als Stipendiat nach Chicago und studierte dort am renommierten Illinois Institute of Technology, das vom Modernismus Ludwig Mies van der Rohes geprägt wurde. Glas und Stahl prägten daher zeitlebens auch Helmut Jahns Entwürfe.

In Chicago stieg Helmut Jahn dann in das Büro von Charles Murphy ein, der mit Mies van der Rohe das Federal Center geplant hatte. Dort wurde er später Planungsdirektor und Teilhaber – sowie schließlich Chef und Inhaber. Seit 2012 firmiert das Studio unter seinen Namen und unterhält Niederlassungen in Chicago, Berlin und Shanghai.

1972 entwarf Helmut Jahn die „Kemper Arena“ (heute Hy-Vee Arena) in Kansas City. Sie war sein erstes Großprojekt. Das einfach gehaltene Gebäude galt damals als revolutionär: Ein Skelettbau trägt diese erste stützenlose Großhalle in Amerika. „Wir wollten Gebäude bauen, wo Architektur und Ingenieurswesen zusammen etwas schaffen. Gebäude, die perfomanceorientiert waren, wie alle Gebrauchsobjekte“, erklärte Helmut Jahn einmal rückblickend.

Die Highlight Towers in München. Foto: jahn-us.com
Das Thompson Center in Chicago. Foto: jahn-us.com
Der Leatop Plaza in der chinesischen Großstadt Guangzhou. Foto: jahn-us.com
Das 75-stöckige CitySpire Center in New York City. Foto: jahn-us.com
Der Wolkenkratzer North LaSalle in der Innenstadt von Chicago. Foto: jahn-us.com

Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten (BDA) für Helmut Jahn

In seiner Wahlheimat Chicago gelang dem Architekten mit dem schräg in den Himmel ragenden Glaszylinder des „James R. Thompson Center“ 1979 ein weiterer Coup. Als „Wegweiser ins 21. Jahrhundert“ wurde das 17-geschossige Bürogebäude der Regierung von Illinois gerühmt. Jüngst geriet es aber in Kritik wegen vieler Reparaturarbeiten.

In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren waren Reminiszenzen an die erste Blüte des amerikanischen Hochhausbaus in der Zwischenkriegszeit (etwa die Dreiteilung in Sockel, Schaft und Krone) im Zusammenspiel mit geometrischen Grundformen kennzeichnend für viele seiner Hochhausentwürfe. In den späten Neunzigerjahren und nach der Jahrtausendwende wandelte sich seine Formensprache in Richtung einer filigranen Hochtechnologie-Moderne, wie sie etwa der Bonner „Post Tower“ zeigt. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit wurde für Jahn immer wichtiger.

In Deutschland konnte Jahn in den letzten Jahrzehnten immer wieder große Projekte realisieren: So zählen die Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen, das Neue Kranzler Eck in Berlin und der Skyline-Tower in München zu seinen Arbeiten. Weltweit arbeitete der Deutschamerikaner an zahlreichen Großprojekten, am McCormick Place in Chicago und dem J. Edgar Hoover Building, der Zentrale des FBIs, an Bürotürmen in China, Japan und Singapur sowie an dem Flughafen-Terminal in Chicago und dem internationalen Flughafen Suvarnabhumi in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Zuletzt war er unter anderem im Emirat Katar tätig. In seiner langen Karriere lehrte Helmut Jahn an der University of Illinois in Chicago ebenso wie in Harvard und Yale. 1983 wurde Jahn die Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten (BDA) verliehen.

Der Post-Tower in Bonn. Foto:

Die Angst, einen Fehler zu machen

2004 fotografierte Rainer Viertelböck Helmut Jahns „Highlight Towers“ in der Münchner Parkstadt Schwabing. Der Architekt war von der Aufnahme so angetan, dass er den Fotografen gleich mit der Dokumentation sämtlicher seiner Bauten beauftragte. „Das ist die Art und Weise, wie das Gebäude fotografiert werden muss“, betonte er damals. Das Werk von Helmut Jahn in Fotografien von Rainer Viertelböck, chronologisch geordnet und typologisch gruppiert, zeigte Nicola Borgmann 2015 in ihrer Architekturgalerie in München und gab ein Standardwerk dazu heraus.

„Jahn war einer der erfinderischsten Architekten Chicagos“, twitterte Chicagos Bürgermeisterin Lori Lightfood letztes Wochenende. Zeitlebens bewahrte sich Helmut Jahn einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft, wie er selbst in seinem Manifest „Die Zukunft hat immer Recht“ anlässlich seiner großen Retrospektive im Neuen Museum in Nürnberg deutlich machte: „Die Angst, einen Fehler zu machen, wenn man etwas Neues versucht, ist wohl das größte Hindernis für den architektonischen Fortschritt“.

Und hier ein Buchtipp unserer Redaktion für Sie: Helmut Jahn. Bauten von 1975 bis 2015. Fotografien von Rainer Viertelböck, hrsg. von Nicola Borgmann, mit einem Text von Aaron Betsky. 232 Seiten, 184 Farb- und Duotone-Tafeln, 29 x 30 cm, deutsch/englische Ausgabe, München 2015

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