Flexibilität nicht nur für die Nutzung, sondern auch für Innenraumkonfigurationen: Mit ihrem visionären Ansatz im Münchner Osten gewinnen MVRDV zusammen mit N-V-O Nuyken von Oefele Architekten für ihr WERK12 den renommierten DAM Preis für Architektur 2021. Jacob van Rijs, Mitbegründer von MVRDV und verantwortlicher Architekt für das WERK12, erzählt davon, wie man weniger baut, um dafür mehr zu haben.
Flexibilität umgebauter Fabriken
Mit dem WERK12 verweist MVRDV auf den EXPO Pavillon 2020. Während Ihr dort Landschaften gestapelt habt, sind es hier in München Optionen, Möglichkeiten für die Zukunft. Was hat Euch dazu inspiriert, die gewünschten sechs oder sieben Etagen auf fünf zu reduzieren und die Mischnutzung auch räumlich flexibel für die Zukunft weiterzudenken?
Jacob van Rijs: Der Standort selbst, das Werksviertel in München, die alte Pfanni Fabrik. Wir haben uns inspirieren lassen von der Flexibilität umgebauter Fabriken, in Rotterdam sind wir selbst auch in einem solchen Gebäude. Und wir lieben die Kombination von hohen Decken mit Mezzaninetagen und den großzügigen Räumen mit unglaublichem Wandlungspotential für die Zukunft. Also warum nicht einfach auch neu so bauen, dachte ich.
EXPO 2000 Pavillon
Inklusive der Balkone ist das Gebäude mit Abmessungen von 35 mal 35 Metern sehr tief, wir brauchten also eine gewisse Deckenhöhe, um das LichtLicht: Licht bezeichnet elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums. In der Architektur wird Licht zur Beleuchtung von Räumen oder als Gestaltungselement eingesetzt. ganz in das Gebäude hineinzubekommen. Daraus entwickelten sich die fünf Etagen, aber mit doppelter Raumhöhe, 5,5 Meter, wodurch einerseits eine wunderbare räumliche Wirkung entsteht, andererseits eine Flexibilität der Nutzung. Und mit den eingezogenen Zwischenetagen konnten dennoch die entsprechenden Quadratmeterzahlen für die Nutzer auch im fünfstöckigen Gebäude erreicht werden.
Eigentlich wollte der Auftraggeber ja den EXPO 2000 Pavillon nach München umziehen. Das ging leider nicht. Aber wir haben unsere Idee von damals aufgegriffen, statt eines zentralen Kerns die Erschließung umlaufend an den FassadenFassaden sind die Außenwände von Gebäuden, die zur Straße hin sichtbar sind. zu platzieren. Damit bekommt man wahnsinnig große Flächen, die in Kombination mit den hohen Räumen dann auch wirklich Nutzflächen sind.
„So viel Kreativität und Ambitionen sind im WERK12 zusammengekommen.“
Wie lässt sich flexible Architektur entwerfen, wie geht man mit den „Unbekannten“ um?
Jacob van Rijs: Na ja, wir hatten die Vision, dass sowohl ein Club als auch eine Kindertagesstätte in das Haus einziehen könnten. Alles sollte möglich sein, daher brauchte es die Flexibilität. Der Rhythmus der Struktur ergab sich dann aber daraus, dass wir auf eine bestehende Tiefgarage bauen mussten. Das fügte sich aber später dann ganz glücklich, denn die Konstruktion war für sechs oder sieben Etagen geplant, sprich alles sehr belastbar. So konnte das Schwimmbad im dritten Stockbezeichnet den Rahmen, der insbesondere bei Türen und Fenstern um das bewegliche Element herum angebracht wird. Er dient zur stabilen Integration des beweglichen Teils in die Wand und ermöglicht es, die Türen oder Fenster zu öffnen und zu schließen. relativ spät im Bau noch hinzugefügt werden. Und das ist natürlich wunderbar, schwimmen mit Blick auf die Marienkirche!
„unmünchnerisch“
Hat Euch der Ort, hier in München, überrascht? Wie habt Ihr die Atmosphäre hier erlebt?
Jacob van Rijs: Also da muss man vor allem den Eigentümer Werner Eckart loben, der für das Werksviertel die Vision hatte, „out oft he box“ zu denken! Und auch die Stadt München, die eine hervorragende Planung aktiv gefördert hat. So viel Kreativität und Ambitionen sind hier zusammengekommen.
Bei meinem ersten Besuch kam es mir so ganz „unmünchnerisch“ vor, so anders als die Locations der Schickeria oder die beliebten Treffpunkte wie Gärtnerplatz oder Flaucher. Grob und fast ein bisschen derb.
Von diesem wilden Esprit wollten wir etwas bewahren. Und das kam den Nutzern des WERK12 auch sehr entgegen, eignet sich die recht industrielle Architektur mit den Balkonen ja auch super für spontane Feste. Und das Kunstprojekt, die Buchstaben der Künstler Beate Engl und Christian Engelmann, verstärken den Bezug zum Ort noch mehr.
Donald Ducks Ausrufe
Wörter, Sprache sind ja auch ein Bestandteil der visuellen Identität von MVRDV. Gehörte das Bild der Buchstaben von Beginn an zum WERK12?
Jacob van Rijs: Es gehörte zum Entwurf dazu, aber nicht in dieser Form. Es gab einen Wettbewerb mit ganz tollen Einsendungen, teilweise mit sehr langen, intelligenten deutschen Wörtern, die sich um die Etagen legten. Dass Engl & Engelmann dann gewonnen hatten, lag auch an der Comicsprache, die sehr einprägsam, deutlich und knapp ist. Das Gebäude spricht dich an. Die Ausrufe stammen übrigens aus der deutschen Version von Donald Duck, die wunderbare Erika Fuchs hat sie sich vor langer Zeit ausgedacht.
„Warum nicht, alles ist möglich, gerade an diesem Ort!“ – Jacob van Rijs
Und was meinst Du, wie wird sich die Nutzung des Gebäudes WERK12 hier im Werksviertel weiterentwickeln?
Jacob van Rijs: Einerseits ist es die neutrale Box, in der sich die Nutzer ihre eigene Welt schaffen können. Andererseits bietet das Gebäude eine hohe Lebensqualität mit den hohen Decken und den XL-Balkonen rundherum. Also dieser Mix aus Neutralität, mit ganz spezifischen Eingriffen die Nutzung aber attraktiv gestalten zu können, ist sehr gut gelungen, finde ich. Und das ist das Schöne, damit kann sich die Nutzung auch ändern.
Heute gibt es Gastronomie, ein Fitnesscenter, das Audi Innovation Lab und ein Penthouse, in dem DJs zu ihren Afterparties einladen können. Aber das Gebäude könnte in Zukunft relativ einfach umgeändert werden, in Büros, Wohnungen, in ein Kaufhaus … oder eben die Kombination von Club und Kindertagesstätte. Warum nicht, alles ist möglich, gerade an diesem Ort!
Credits: MVRDV | Fotos: Ossip van Duivenbode
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