Bis zu 10.000 Besucher und Besucherinnen am Tag, parallel laufende Forschungsarbeit. Fluch und Segen zugleich für das knapp 140 Jahre alte Hauptgebäude des Museums für Naturheilkunde in der Berliner Invalidenstraße. In weiten Teilen ist es seit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg unzugänglich. Gerkan Mark und Partner (gmp) gewinnt den 2023 ausgeschriebenen Wettbewerb, durch den das denkmalgeschützte Ensemble und die Außenanlagen inklusiv und barrierefrei instandgesetzt, denkmalgerecht saniert und mit neuen Flächen für Ausstellung, Sammlung und Forschung erweitert werden soll.
Ein divers aufgestelltes Museum
Das Museum für Naturheilkunde in Berlin ist ein Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft mit global vernetzter Forschungsinfrastruktur und internationaler Ausstrahlung. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen forschen vertiefen ihre Forschung zur Entwicklung der Erde und des Lebens an den über 30 Millionen Sammlungsobjekten des Museums.
Die Themen reichen von der Entwicklung des Sonnensystems oder die Evolution bis zur heutigen Vielfalt des Lebens auf der Erde. Für die zukünftige Weiterentwicklung mit den Themen Biodiversität, Evolution, Wissenschaft und Gesellschaft bedarf es einem Gebäude, das wirtschaftlich, funktional und nachhaltig Spitzenforschung, Sammlungsentwicklung und Wissenschaftskommunikation fördert.
Unter Denkmalschutz
Das Museum für Naturheilkunde umfasst ein unter DenkmalschutzDenkmalschutz: Der Denkmalschutz dient dem Schutz und der Erhaltung von historischen Bauten und Bauwerken. stehendes Ensemble aus drei Gebäuden: Das Hauptgebäude in der Invalidenstraße 43 (Bauzeit 1883 bis 1889) mit Ergänzungsbau im hinteren Bereich des Grundstücks (Bauzeit 1913 bis 1917). Der kleinteilig untergliederte Nordbau (Bauzeit 1906 bis 1910) war zunächst ein Instituts- und Lehrgebäude, wird inzwischen aber ebenfalls durch das Museum genutzt. Alle Gebäude des Ensembles wurden nach Entwürfen des Baurats August Tiede errichtet.
Ein gemeinsames Vorhaben von Bund und Berlin
Wegen der großen Bedeutung des Museums für Naturkunde, nicht nur als Touristenattraktion, sondern auch für die nationale und internationale Wissenschaft entschieden der Bund und die Landesregierung von Berlin bereits vor etwa sieben Jahren, den Standort an der Invalidenstraße auszubauen und neu zu entwickeln.
2020 wurden die finanziellen Voraussetzungen für das Großvorhaben geschaffen: 660 Millionen Euro, die jeweils zur Hälfte von Bund und dem Land Berlin getragen werden. Bis 2032 würden die Bauarbeiten dauern, schätzt der Geschäftsführer des Museums Stephan Junker.
Aufmerksamkeit auf vergessene Sammlungen
Besonderes Augenmerk des Großvorhabens liegt auf den Sammlungen, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges für Besucher unzugänglich in den Kellern des Museums lagern. Im Krieg wurde der Ostflügel des Museumsgebäudes stark beschädigt, große Teile stürzten ein, im Luftschutzraum starben mehrere Menschen. Große Wal-Skelette der Sammlung wurden verschüttet, Ausstellungssäle für Säugetiere zerstört. Rund 75 Prozent der Sammlung gerettet werden, die jedoch bis heute nur teilweise im Museum sichtbar sind.
Die Sanierung von gmp als Meilenstein für das Naturkundemuseum
Alle notwendigen und gewünschten Maßnahmen für den Umbau des Museums für Naturheilkunde skizzieren Museumsdirektor Johannes Vogel, Geschäftsführer Stephan Junker und das verantwortliche Projektteam im „Zukunftsplan“. Bereits seit 2018 arbeitet das Museum für Naturkunde Berlin in verschiedenen Teilprojekten an dessen Umsetzung.
Mit dem Entscheid des Architekturwettbewerbes wurde ein erster Meilenstein erreicht: Der Gewinnerentwurf von gmp mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten ermöglicht dem Museum mit der Überdachung der beiden Innenhöfe die Neustrukturierung der Besucherinfrastruktur im Hauptgebäude.
Inklusiv mit erweiterter Ausstellungsfläche
Der Entwurf sieht die Überdachung der beiden Innenhöfe des Museums vor, um Platz zu gewinnen – sie werden zu Innenräumen und erweitern die Ausstellungsfläche. Der aktuelle „Sauriersaal“ wird nach dem UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. zur „Welcome ZoneIn der Architektur und Gebäudetechnik bezeichnet eine Zone einen Bereich innerhalb eines Gebäudes, der in Bezug auf Heizung, Klimatisierung oder Belüftung eine eigene Regelung benötigt. Zonen werden oft nach ihrer Nutzung, Größe oder Lage definiert, um eine maßgeschneiderte Versorgung mit Energie und Luft zu gewährleisten….“ mit Ticketing, Information und Wissenschaftsaustausch. Von dort gelangen die Besucher in die neu überdeckten Höfe mit neuen Ausstellungsflächen und einer barrierefreien Anbindung an den Nordflügel im hinteren Bereich.
Die Einblicke der Hofeinbauten vermitteln Offenheit und TransparenzTransparenz: Transparenz beschreibt die Durchsichtigkeit von Materialien wie Glas. Eine hohe Transparenz bedeutet, dass das Material für sichtbares Licht durchlässig ist. und bilden eine Brücke des Wissenschaftstransfers zwischen Museum und Gesellschaft. Auch der Vorplatz erhält durch eine leichte Anrampung zur Haupttreppe und den beiderseitig angeordneten Rampen eine barrierefreie Erschließung. Durch die Umstrukturierung sind auch vom Museumsbetrieb abgekoppelte Veranstaltungen denkbar.
Ein Bestandsbau mit Herausforderungen
Sich als Forschungsmuseum von Weltrang der Gesellschaft sichtbar zu machen, sich zu öffnen und Menschen zusammenzuführen, ist eines der größten Anliegen des Umbaus. Gleichzeitig soll der architektonische Charakter des alten Hauses erhalten bleiben – eine schwierige Aufgabe, die gmp im Rahmen des Architekturwettbewerbes gelöst hat.
Johannes Vogel äußerte sich wie folgt zur Juryentscheidung: „Wir bauen in den nächsten Jahren weiter an einem nachhaltigen, grünen Museum für Berlin, für Natur und für die globale Gemeinschaft. Durch die Erweiterung der Ausstellungsfläche und die Überbauung der Höfe haben wir die Möglichkeit, unsere weltweit beachtete wissenschaftliche Arbeit noch erlebbarer für die Besuchenden zu gestalten und einen intensiveren Dialog über die Zukunft der Erde zu führen.”
Wertschätzende Entwurf von gmp
Die Architekten von Gerkan Mark und Partner werden nun in gewisser Weise ebenfalls zu Projektverantwortlichen des Zukunftsplanes für das Museum für Naturkunde. Die Gebäude sollen nicht konserviert, sondern in die Zukunft entwickelt werden, unter gleichzeitiger Wertschätzung und Achtung als denkmalgeschütztes Ensemble. Der Entwurf zum UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. des Hauptgebäudes ist der erste Schritt Richtung Wissenschaftscampus, der Besuchern und Beschäftigten eine hohe Aufenthaltsqualität bietet.
Der erste Projektabschnitt mit dem Entwurf von gmp umfasst knapp 21.000 Quadratmeter Fläche und mit rund 294 Millionen Euro etwa die Hälfte des vom Bund und vom Land Berlin bereitgestellten Budgets zur baulichen und infrastrukturellen Ertüchtigung des Museums. Damit ergibt sich nun die Möglichkeit, die betreffenden Gebäude und Außenanlagen des Museumsensembles instand zu setzen, denkmalgerecht zu sanieren und den wachsenden Flächenbedarf durch mehrere Neubauten zu befriedigen.