Das Museum für Kunst und Gewerbe – kurz: MK&G Hamburg – thront seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über den Steintorplatz nahe des Hauptbahnhofs. Während vorbeifahrende Autos und Lastwägen außen den Ton angeben, werden Besucherinnen und Besucher innen seit April 2023 mit einer neuen Geste Willkommen geheißen. Genauer gesagt ist es ein farbiges Statement des Hamburger Designbüro Studio Besau-Marguerre: Das Museum der Jetztzeit darf sich neu definieren und neu definiert werden.
Eine Frage der Repräsentation
Museen zeigen für gewöhnlich nicht nur, sondern haben selbst oft eine lange Geschichte. Früher waren sie als Sammlungen wohlhabenden Adels oder Geistlicher, quasi für den Privatkonsum, konzipiert. Erst später erkannte man das Potenzial, die wertvollen und seltenen Stücke auch einem Besucherkreis zugänglich zu machen. Durch das Teilen der Artefakte mit einer zunehmenden Öffentlichkeit entstand auch ein neuer Weg der Wissensvermittlung und Forschung. Und letztlich auch ein wertvoller Beitrag zu einem stärkeren öffentlichen Diskurs über jene Dinge.
Während also Sammlungen ab dem 17. Jahrhundert aufgrund ihrer Entstehungsgeschichten hauptsächlich in elitären Prunkgebäuden untergebracht waren, wuchs in den Städten zunehmend der Bedarf an neuen repräsentativen Räumen, um beispielsweise Kunstwerke und historische Gegenstände auszustellen. Diese sollten dann nicht mehr nur mit Adelsfamilien in Verbindung gebracht werden. Stattdessen suchte man Aushängeschilder für lokales Gewerbe und den Handel, um die Städte international auch wirtschaftlich gut zu präsentieren.
Exponate in der Hauptrolle
Am Zweck der Repräsentation hat sich auch bis heute nichts geändert. Bis zur Gegenwart etablierte sich lediglich unter Architekturschaffenden der Hang zum sogenannten White Cube, also einer raumgewordenen Geste der Zurückhaltung. Im Museum sollten schließlich allein die Exponate die Hauptrolle spielen. Architektur dürfe zwar außen exzentrisch daherkommen. Im Inneren aber sollte sich die Aufmerksamkeit der Besuchenden weitgehend auf die Kunstwerke (und anschließend die Museumsshops) beschränken.
Die Entstehung des MK&G
Nun ist das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zwar in einem aus heutiger Sicht historischen Gebäude untergebracht. Dieses wurde jedoch eigens für den Zweck eines Kunstgewerbemuseums geplant und gebaut. Vorbilder hierfür waren die ersten dieser Art in Europa, die nach London später auch in Paris, Wien und Berlin entstanden. Justus Brinckmann, Gründer des MK&G, begann die Sammlung mit seinem mehrwöchigen Besuch bei der Weltausstellung 1873 in Wien.
Seither wuchs der Bestand um unzählige Gegenstände aus aller Welt. Unterstützt durch die „Patriotische Gesellschaft“ verfolgte man jedoch nicht nur den Plan, das Kunstgewerbe einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Sondern es wurde auch darauf abgezielt, die Qualität heimischer Produktion zu erhöhen, indem man herausragende Exponate quasi als Vorbilder nach Hamburg holte.
Denkmalschutz
Die notwendige Architektur hierfür sollte „eine einfache, allen Luxus vermeidende, aber der Bedeutung und Ausdehnung des großen Bauwerks entsprechend würdige Haltung“ erkennbar machen, so der Architekt Carl Johann Christian Zimmermann. Die großen Straßen sowie der Hauptbahnhof waren damals noch nicht anwesend. Stattdessen gab es eine große Parkanlage um das Bauwerk herum. Im Inneren wurde die bis heute sichtbare FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. des 1619 errichteten Hotels „Kaiserhof“ erhalten, denn Brinckmann war sich bereits zu seiner Zeit dem DenkmalschutzDenkmalschutz: Der Denkmalschutz dient dem Schutz und der Erhaltung von historischen Bauten und Bauwerken. bewusst.
Raumstruktur MK&G
Das Museum war aber nicht alleiniger Mieter des Gebäudes. Die Geschosse abseits vom Erdgeschoss waren diversen Schulen vorbehalten. Bis ins 20. Jahrhundert zogen sich die Schulen jedoch an andere Standorte zurück. Was blieb, war die kleinteilige Raumstruktur von den ehemaligen Klassenräumen sowie der allgegenwärtige Platzmangel. So erweiterte sich das MK&G bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Zuletzt mit dem Neubau eines ganzen Flügels, was deren Zahl auf fünf erhöhte. Die Kür ist nun die Umgestaltung der unbefriedigenden Eingangssituation, derer sich das Hamburger Studio Besau-Marguerre angenommen hat.
Eine mutige Entscheidung
Es ist dabei keinesfalls die erste Arbeit am MK&G, dem sich EvaEVA – EVA ist die Abkürzung für Ethylenvinylacetat, eine Art von Kunststoff, der in der Dachabdichtung und als Dämmstoff verwendet wird. Marguerre und Marcel Besau angenommen haben. BAUMEISTER hat bereits im Sommer 2022 ein Interview mit der Designerin und dem Designer geführt, in dem sie über die Neugestaltung der Konferenz- und Arbeitsräume des Museums sprechen. Gute vier Monate dauerte die Umsetzung des neuen Konzepts für das Foyer des Museums. Ganz dem historischen Vorbild und ihrer eigenen Designsprache nach, haben sich Museum und Besau-Marguerre gegen einen Ausläufer des White Cube-Konzepts entschieden. Stattdessen entschied man sich für eine Kostprobe zeitgenössischen Hamburger Designs.
Schon beim Entwerfen der internen Arbeitsräume setzte man mit dem Fokus Kommunikation auf einen inklusiven Designanspruch. Dieser zieht sich nun auch bis in den Empfangsbereich durch. Das setzt nicht nur eine stilistische, sondern im gewissen Maß auch ideologische Klammer um das MK&G. Auffällig sind dabei zwar die Formen, doch in erster LinieLinie: Die Linie ist der Begriff für die Kabelverbindung zwischen elektrischen Geräten und dem Stromversorgungsnetz. Es handelt sich dabei um den Strompfad, der den Strom von der Quelle zu den Endgeräten leitet. die FarbenFarben: Verschiedene Empfindungen, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt werden.. Mit knalligem Zitronengelb und vollherzigem Blau hat man Akzente in der Möblierung gesetzt. Gestützt wird diese Entscheidung von sanften Orangetönen, die in unterschiedlicher Intensität die Wände bespielen, ergänzt um Akustik-Wandelemente in dafür umso kräftigerem Gelb.
Besau-Marguerre fördern den Dialog
Für die Neukonzeption des Foyers wurden zuerst bestehende Besucherinnenströme analysiert. Das Hamburger Designstudio wollte gemeinsam mit dem Museum eine „Entzerrung“ der Funktionen erreichen. Auch den hohen Räumen soll Rechnung getragen werden. Die verbesserte Raumakustikbeschäftigt sich mit der Schallausbreitung und -wahrnehmung in Räumen. Die Raumakustik spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Räumen für Zwecke wie Musikdarbietungen, Sprachverständlichkeit oder Arbeitsplatzkomfort. sorgt nun für mehr Wohlbefinden bei den Besuchern und ermöglicht ein entspanntes Verweilen im Empfangsbereich.
Dass der Raum durch die Designelemente nicht nur schön aussieht, sondern dabei Qualität in Materialität und Funktion maßgebend sind, merkt man auf den ersten Blick. Die Sitzmöbel sind modular, die Hocker lassen sich unter die Tische schieben und die Vorhänge sind nicht nur dekorativ. Sie strukturieren mühelos auch den Raum und unterstützen die AkustikAkustik bezieht sich auf die Beschaffenheit eines Raumes in Bezug auf Schall und dessen Ausbreitung. In der Architektur wird die Akustik beispielsweise bei der Planung von Konzertsälen oder anderen Veranstaltungsräumen berücksichtigt, um eine optimale Klangqualität zu erreichen..
Stadtraum im MK&G Museumsgebäude
Der Direktorin des MK&G, Tulga Beyerle, war es ein besonderes Anliegen, den Stadtraum ein Stück weit ins Museumsgebäude hineinzuführen. So soll die Distanz zwischen der Umgebung und dem MK&G aufgelöst werden, was wiederum einen offeneren Dialog ermöglicht. Studio Besau-Marguerre betont die wichtige Funktion des Foyers – es ist immerhin der erste Raum, den die Besucherinnen wahrnehmen. Der erste Eindruck ist entscheidend, befand auf die Direktion des Museums, weshalb der Empfang sofort das Gefühl von Willkommen sein vermitteln soll.
Wohlfühlen als kalkulierter Entwurfsgedanke
Durch das farbliche Konzept von Blau-, Terrakotta- und Gelbtönen werden Besucherinnen und Besucher von klaren Verhältnissen begrüßt. Die Auswahl geschah dabei keinesfalls zufällig. Die KassettendeckeEine Kassettendecke ist eine Deckenkonstruktion, bei der Kassetten (d.h. flache, rechteckige Elemente) aus Metall oder Holz auf einem Trägersystem montiert werden. Die Kassetten können eine Vielzahl von Designs und Oberflächen aufweisen und bieten eine kosteneffektive Möglichkeit, eine moderne und ästhetisch ansprechende Deckenoberfläche zu schaffen. des historischen Windfangs bestand aus den drei Grundfarben, die für das zeitgenössische Konzept lediglich modern interpretiert wurden. Der Empfangstresen ist im satten Blau gehalten und leicht vom ganzen Foyer aus zu erkennen, was nicht nur eine räumliche, sondern auch funktionelle Orientierung garantiert. Die Garderoben sind in logischer Abfolge dahinter situiert.
runde Elemente: allgegenwärtig
Im Medienbereich zur rechten Seite ist genügend Platz für Gruppen und Schulklassen, um sich hier zu treffen und gemeinsam auf den Museumsbesuch vorzubereiten. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es eine mit gemütlichen Sitzmöbeln ausgestattete Lounge, die zum Ausruhen einlädt. Die allgegenwärtigen runden Elemente leiten sich übrigens vom historischen Gebäude ab, genauer gesagt von den Rundbögen der Fensterist eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes, die Licht, Luft und Blick nach draußen ermöglicht. Es gibt verschiedene Arten von Fenstern, die sich in Größe, Form und Material unterscheiden können. Das Fenster ist ein wesentlicher Bestandteil der Gebäudearchitektur und hat sowohl funktionale als auch ästhetische Bedeutung. Es ist eine… und Durchgänge. Sie finden sich im Empfangstrese, den Sofas und in den Lichtschienen wieder, die den Raum in gleichmäßiges Licht tauchen. Das Lichtkonzept wurde dabei vom Hamburger Planungsbüro LichtLicht: Licht bezeichnet elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums. In der Architektur wird Licht zur Beleuchtung von Räumen oder als Gestaltungselement eingesetzt. 01 entworfen.
Mit dem neuen Foyer setzt das MK&G ein farbliches Statement und verfolgt konsequent die eigene Haltung zu lokalem Design. Das Museum ist als mehr als nur ein Raum für Kunst und Design. Es ist selbst ein Akteur und will im zeitgenössischen Diskurs Platz nehmen – zu dem besonders die breite Bevölkerung eingeladen ist. Bitte eintreten!