Das historische Viertel Delfshaven, in dem das Büro von MVRDV steht, ist ein kleines Fleckchen Geschichte, das links und rechts von der Modernität überrollt wird. Das fühlt sich ein bisschen so an, als hätte man ein Stückchen Münster in das Frankfurter Bankenviertel verschleppt. Außerdem grenzt Delfshaven direkt an das riesige Hafengebiet an, welches Rotterdam weltberühmt gemacht hat. Ich habe Häfen schon immer geliebt, und habe jetzt das besondere Privileg, jeden Morgen fast die gesamte Strecke zur Arbeit an eben jenem Hafen mit dem Fahrrad vorbei fahren zu dürfen. Überhaupt liebe ich das Fahrradfahren in Rotterdam! Ich bin der festen Überzeugung, wenn man eine fremde Stadt kennen lernen will, muss man sich einfach so richtig in ihr verlaufen. Das habe ich dieses Wochenende nach Lust und Laune getan – auf dem Fahrrad. Hier gibt es zweispurige Fahrradwege auf beiden Seiten der Straße, an denen die Ampeln sogar auf grün springen, wenn sich ein Fahrrad nähert! Da es auch eigene Spuren für die Straßenbahnen gibt, sehen die Kreuzungen hier manchmal recht abenteuerlich aus.
Ich bin jetzt seit einem knappen Monat in Rotterdam und kenne inzwischen die Teeküche bei uns im Büro besser, als meine zu Hause. Die Tage sind lang, die To-Do-Listen noch länger und doch habe ich noch kein Büro mit einer so positiven Atmosphäre und einer fast unbegrenzt guten Stimmung erlebt. An meinem ersten Arbeitstag war ich natürlich nervös, und natürlich habe ich damit gerechnet, total zu versagen. Ich habe mir schon tausend Fettnäpfchen ausgemalt, in die ich reintreten könnte, aber natürlich war letzten Endes jede dieser Ängste vollkommen unbegründet. Nicht, weil ich mich geschickter als erwartet angestellt habe, sondern, weil meine neuen Kollegen so entspannt und herzlich sind, wie man es sich nur wünschen kann. Und glücklicherweise gibt es eine ganze Horde von Praktikanten, mit denen man sich gemeinsam blöd anstellen kann.
Inzwischen habe ich gelernt, die Montage komplett zu übergehen (da mache ich nämlich immer alles falsch) und die Woche gedanklich am besten direkt am Dienstag zu beginnen. Ich habe gelernt, dass man sich unglaublich schnell in ein neues Programm einarbeiten kann, sei es auch an nur einem Tag. Ich habe gelernt, dass Fassaden unendliche Farbkombinationen zulassen, dass Markisen der Brandschutzklasse A1 aber nur in drei Farben erhältlich sind (grau, grau und grau). Vor allem aber habe ich gelernt, wenn es mittags plötzlich zu Knacken und zu Rauschen anfängt, sollte man am besten alles stehen und liegen lassen und losrennen. Dies ist die wichtigste Lektion von allen. Wenn um 13:30 Uhr der Lautsprecher ertönt, dann ist Essenszeit. Knapp 90 Mitarbeiter sitzen dann gemeinsam an einem Tisch und jeder will etwas vom Salat abhaben. Mittwoch ist ein ganz besonders guter Tag, da gibt es nämlich Suppe!
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