12.02.2024

Öffentlich

LINA und der junge Diskurs

Nachwuchs
Logo: © LINA
Logo: © LINA

LINA, das steht für „Learning, Interacting and Networking in Architecture“ und ist ein europäisches Vernetzungsprojekt zwischen etablierten Forschungseinrichtungen und jungen Architekturschaffenden in den Bereichen Kunst, Kultur und Architektur. Initiiert wurde LINA von der Universität Ljubljana. Mittlerweile nimmt eine Vielzahl an Institutionen daran teil, die sich quer über ganz Europa verteilen — von Irland bis zum vorderasiatischen Georgien, von Portugal bis nach Estland. Mit einem jährlichen Stipendium ermöglicht LINA jungen Architekturschaffenden, ihre Ideen zu vertiefen und ihre Bekanntheit zu erhöhen. Dies geschieht mithilfe von Workshops, Vorträgen, Mentorinnenprogrammen und anderen interdisziplinären Vehikeln der Kooperation.


Vernacular + Visionary = Future

Dieses Jahr wurden 25 Projekte ausgewählt mit dem Hauptaugenmerk auf besonderes Potenzial in der Klimakrise. Sie sollen branchenweit eine Bereicherung bieten für den möglichen Umgang mit den herausfordernden Umständen unserer Gegenwart. Sie sollen also im Kontext der Klimakrise neue Zugänge zur Praxis darstellen. Das Thema lautete nicht minder ambitioniert: „THE FUTURE OF BUILDING. Vernacular + Visionary = Future“. Im LINA Open Call konnten sich Teilnehmende bewerben, um an europäischen Partnerinstitutionen Forschungsaufenthalte zu absolvieren und ihre Ideen zu vertiefen. Ziel soll es sein, die im Thema vorgegebene Gleichung mithilfe der eigenen unterschiedlichen Backgrounds zu beantworten. Durch die Vernetzung mit anderen sollen Lösungen entstehen. In Graz diente das Haus der Architektur (HDA Graz) als prominenter Arbeitsplatz inmitten der UNESCO-gewürdigten Altstadt, mit der TU Graz sowie der Universität Stuttgart als Kooperationspartnerinnen.

In der Altstadt von Graz dient das Haus der Architektur als Kooperationspartner von LINA. Foto: Unsplash
In der Altstadt von Graz dient das Haus der Architektur (HDA) als Kooperationspartner von LINA.

Forschungsaufenthalt

Vier Architekturbüros wurden aus diesen 25 Projekten ausgewählt, um von Februar bis März im HDA Graz zu residieren: Ralph Nabil Nasrallah (PAN- PROJECTS, London), self-office (Barcelona), Zwahlen Krupičková (Zürich) und Róisín Cahill (Dublin). Klimatisch stark diversifiziert, bringt jeder und jede der Teilnehmenden einen eigenen persönlichen und professionellen Zugang sowie eine andere Hintergrundgeschichte mit in den Forschungsaufenthalt.

Sie sollen sich dabei „an der Sammlung von traditionellen und neuen Gebäudetypologien, Bauweisen und Materialien aus verschiedenen Regionen und Klimazonen beteiligen. Alle Architekten bringen ihre unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und klimatischen Erfahrungen mit nach Graz. Diese Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam neue Ideen für intelligente Bauweisen als Antwort auf die Herausforderungen der weltweit zunehmenden Starkwetterereignisse zu entwickeln, ist das Ziel“, so das HDA über das Forschungslabor.

Das HDA lädt vier Architekturbüros zu sich. Foto: © Thomas Raggam, HDA
Das HDA lädt vier Architekturbüros zu sich.

Wer redet hier eigentlich über jungen Diskurs?

Im Rahmen des Aufenthalts in der steirischen Hauptstadt wurden verschiedene öffentliche Veranstaltungen, Workshops und Vorträge abgehalten (mehr dazu hier). Ein Diskussionsabend thematisierte dabei explizit den jungen Diskurs: „New Generation Dialog. Junge ArchitektInnen – Planen für die Zukunft“ lud Architektinnen und Architekten, aber auch Laiinnen und Laien zum Gespräch ein. Am Podium sprachen Elisabeth Merk (Stadtplanerin, Architektin und Stadtbaurätin München), Alexandra Würz-Stalder (Gemeinderätin Stadt Graz, Ausschuss u.a. für Verkehr, Stadt- und Grünraumplanung), Robert Piechl (Leiter Stadtplanung Klagenfurt) und Raquel Ruiz (Preisträgerin EUROPAN 16).

Der Altersdurchschnitt und die Vitas der Teilnehmenden des Podiums mögen bei diesem Themenschwerpunkt durchaus verwundern, auch das Publikum selbst wähnte sich wohl nicht mehr als ganz so jung. Jedoch: Beiträgerinnen des aktuellen März-Hefts des Baumeister waren vertreten – als „First Row Respondents“ (weitere Infos zum Heft gibt es hier) – und meldeten sich engagiert zu Wort. Sowohl Theresa Reisenhofer als auch Mitglieder der Interessengemeinschaft Architektur lenkten die Themen auf akute Probleme in der alltäglichen Architekturarbeit.

Die Stadtbaurätin von München, Elisabeth Merk, ist eine der Sprecherinnen des Events. Foto: © Michael Navy, Landeshauptstadt München
Die Stadtbaurätin von München, Elisabeth Merk, war eine der Sprecherinnen auf dem Event.

Tradierte Probleme und neue Lösungsvorschläge

Die Themen kreisten dabei immer wieder um Probleme, mit denen sich junge Professionistinnen und Professionisten konfrontiert sehen. Besonders der schwere Zugang zu Wettbewerbsverfahren zog sich durch alle Herkunftsländer der sprechenden Personen. Föderalismus erschwere nicht nur flächendeckend gleiche Bedingungen, sondern auch freie Wettbewerbe. Doch die Zeit des reinen Kritisierens ist bei den Jungen längst vorbei. Diese Hürden sind bereits von Beginn an ein fixer Teil der Arbeitsrealität junger Architekturschaffender – Grund genug also, um niederschwellig an Lösungen und Workarounds zu feilen, die auch in der Diskussionsrunde angesprochen wurden:

Kooperationen von großen und namhaften Büros mit jungen Selbstständigen zum Beispiel, eine Änderung der Rahmenbedingungen für Wettbewerbe (beim EUROPAN klappt es schließlich auch), insbesondere auch hinsichtlich der Zusammensetzung (und Diversifikation) von Jurys, mehr Wertschätzung für interdisziplinäre Teams (die es gerade heute besonders braucht) und – ganz generell – wieder mehr Freiheiten für neue Entwurfsideen.

Sie zeichnen ein Bild von einer offenen Architekturlandschaft, in der generationenübergreifend und interdisziplinär an Entwurfslösungen gearbeitet wird. Wettbewerbe sollen möglichst offen gestaltet sein, um innovative Vorschläge abseits der überholten Entwurfsideen zu generieren. Prototypen, temporäre Strukturen und Experimente sollen einen höheren Stellenwert in der Praxis erhalten, denn sie speisen die weitere Entwicklung von neuen Architekturmodellen.

An konstruktiven Wünschen und Lösungsvorschlägen mangelt es also nicht. Das Problem liegt wohl woanders. Aber wo? Vielleicht wüsste das Podium des Diskussionsabend ja eine Antwort auf diese Frage. Was die jungen Büros übrigens an Graz als EUROPAN-Ort besonders schätzen? Der Innovationswille sei hier auffallend groß, so Raquel Ruiz, selbst Preisträgerin des prestigeträchtigen Wettbewerbs mit dem Projekt Free Mühlgang.

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