Die Historie der Pariser Rue Cadet ist bodenständig sowie königlich, das neue Hotel „La Fantaisie“ von außen schlicht und harmonisierend, von innen bunt, laut und pittoresk. Dass all dies zusammen eine überzeugende Einheit ergibt, zeigen PPX und Martin Brudnizki.
Die Geschichte der Pariser Rue Cadet fing bereits im 16. Jahrhundert an. Damals grenzte der noch einfache Weg an das Grundstück der Familie Cadet. Die Brüder Jacques und Jean waren zu diesem Zeitpunkt die Gärtnermeister von Karl IX. und belieferten den Hof mit Obst, Gemüse, Kräutern und mehr. Heute ist die nach den Brüdern benannte Straße Teil des 9. Arrondissement von Paris; eine öffentliche, belebte und touristische Straße in einem der am dichtest besiedelten, aber auch der am wenigsten begrünten Viertel der Stadt. Ironisch, wenn man an die Historie der Straße denkt. Auf dem ehemaligen Grundstück der königlichen Gärtnermeister, der 24 Rue Cadet, befand sich seit Ende des 20. Jahrhunderts ein Hotel. Kein ansehnliches. Eines, das architektonisch weder dem Maßstab und Aufbau, noch der Identität der Nachbarbauten oder der engen Straße entsprach. Schlecht gealtert, unproportioniert und ohne Frei- oder öffentlichen Raum, hatte das Hotel zwar keine gute, aber seine bessere Zeit definitiv hinter sich. Die französische Hotelgruppe Leitmotiv wird dies ähnlich gesehen haben, als sie das alte Haus erworben hat. Sie beauftragte das in Paris ansässige Architekturbüro Petitdidierprioux mit der Revitalisierung des Baus.
Hommage an den Standort
Petitdidierprioux mussten den Bestandsbau entkernen, wobei der Großteil des Tragwerks erhalten blieb. Ein wesentlicher Punkt bei der Entstehung des neuen Hotels. So wurden der Nachbarschaft große Abrissarbeiten erspart, und die Architekten konnten ihre ressourcenschonende Vorgehensweise starten. Bei ihrem Entwurf verfolgten Petitdidierprioux zwei Ansätze: Zum einen stand die umweltfreundliche Neuerfindung der Architektur im Fokus des Wiederaufbaus, zum anderen die Geschichte des Grundstücks. Ersteres gelang ihnen durch präzise sowie sparsam durchdachte Ergänzungen, sorgfältig geplante Eingriffe und ohne unnötigen Abfall. Zweiteres durch das inhaltliche Konzept: Das im Juni 2023 eröffnete Hotel „La Fantaisie“ folgt der Idee von Gemüse- und Blumengärten. Von wo aus einst die Gebrüder Cadet mit ihrer Gärtnerei den französischen Hof versorgten, ist ein idyllischer Ruheort inmitten urbanen Lebens aufgekeimt.
Aufblühender Dialog zur Nachbarschaft
Das neue Fünf-Sterne-Haus La Fantaisie vervollständigt und vereinfacht die Häuserzeile um die 24 Rue Cadet. Die schlichte Straßenfassade tritt als Hauptelement der Architektur auf. Vorpatiniertes, grau-grünes ZinkZink: Ein Metall, das oft für Dachrinnen, Dachdeckungen und andere Bauteile im Außenbereich verwendet wird. verkleidet das Gebäude straßen- und rückseitig in glatter, gefalteter oder gerippter Ausführung. Zusammen mit dem Kupferdach greifen Petitdidierprioux nicht nur die urbane Architekturlandschaft der französischen Hauptstadt und ihren Detailreichtum auf, sondern geben auch dem fehlenden Grün Raum. Dies geschieht nicht nur über die Farbe oder straßenseitig mit vereinzelten Balkonpflanzen: Aufgrund der Materialität und gleichmäßigen Gliederung der FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. mit ihren großen Stahlfenstern, schlanken Pfosten und schmalen Balkonen entsteht die bezweckte Assoziation von Gewächshäusern.
Während die Hauptfassade stilisiert auf Gewächshäuser verweist, werden im Besonderen rückseitig französische Gewächshäuser des späten 19. Jahrhunderts widergespiegelt. Hier ist es jedoch mehr als eine Assoziation; eine versteckte Terrasse im üppig begrünten und von Petitdidierprioux vergrößerten Innenhof sowie eine Art Wintergarten über die gesamte Breite des Grundstücks schaffen eine ruhige Oase unweit der belebten Straße. Dieser ebenerdige und allmähliche Übergang von städtischer EnergieEnergie: die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten oder Wärme zu erzeugen. zum begrüntem Rückzugsort ist ein inkludierender: Im Gegensatz zum Vorgängerbau öffneten die Architekten die Erdgeschossebene für Nachbarn und Gäste. Vorbei an einem Café mit Bar, gelangt man über die Rezeption im Flur in den hinteren Teil des Gebäudes zum Restaurant „Golden Poppy“, bevor man in den Garten schreitet. Auch vertikal ist das Hotel für die Öffentlichkeit zugänglich: Im siebten Stockbezeichnet den Rahmen, der insbesondere bei Türen und Fenstern um das bewegliche Element herum angebracht wird. Er dient zur stabilen Integration des beweglichen Teils in die Wand und ermöglicht es, die Türen oder Fenster zu öffnen und zu schließen. befindet sich eine Rooftop-Bar mit Panoramablick auf die Dächer von Paris. Im ersten Untergeschoss ist ein Spaist ein Ort der Entspannung und Erholung, der vor allem in der Wellness-Branche weit verbreitet ist. Der Begriff „Spa“ steht dabei für „Sanus per Aquam“ und bedeutet „Gesundheit durch Wasser“. Ein Spa kann verschiedene Einrichtungen umfassen, wie zum Beispiel Saunen, Whirlpools, Dampfbäder oder Massageräume. Es ist ein Ort der Ruhe… mit Wasserbecken, Massageräumen und einer Sauna in Anlehnung an alte römische Thermen und unterirdische QuellenQuellen: Das Ausdehnen von Holz aufgrund von Feuchtigkeitsaufnahme. untergebracht.
Balance zwischen Architektur und Flora
Zwischen dem Spaist ein Ort der Entspannung und Erholung, der vor allem in der Wellness-Branche weit verbreitet ist. Der Begriff „Spa“ steht dabei für „Sanus per Aquam“ und bedeutet „Gesundheit durch Wasser“. Ein Spa kann verschiedene Einrichtungen umfassen, wie zum Beispiel Saunen, Whirlpools, Dampfbäder oder Massageräume. Es ist ein Ort der Ruhe… im Untergeschoss, der Gastro im Parterre und auf dem Dach kann das Hotel seine Gäste in 63 Zimmern und zehn Suiten beherbergen. Das Design der Innenräume orientiert sich an dem Konzept der Architektur – wenngleich die Ausdrucksform eine völlig andere ist. Der schwedische Innenarchitekt und Designer Martin Brudnizki stieß erst hinzu, nachdem der Entwurf des neuen Hotels definiert war. Während sich die Arbeit von Petitdidierprioux durch einfache und klare Linien auszeichnet, schuf Brudnizki einen ausdrucksstarken und zugleich vervollkommenden Kontrast zur Architekturhülle.
Selbstbewusst werden FarbenFarben: Verschiedene Empfindungen, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt werden., Materialien und Drucke verflochten; ein Wechsel zwischen romantischen Blumenprints und geometrischen Mustern ist allgegenwärtig. Das Grün der FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. spiegelt sich in verschiedenen Nuancen im Innern wider. Es ist die vereinende Basis für Architektur, Interieur und Geschichte des Standorts. Dazu kommt eine Farbpalette aus überwiegend pastelligen Tönen in Blau, Gelb und Koralle. Floral geformte Leuchten, Rohrgeflecht- und Rattanmöbel, Naturstein, Samt- und Boucléstoffe – die farbenfrohe Inneneinrichtung scheint aus einer anderen Zeit und Welt zu sein; einer Traumwelt mit Garten, ein Spaziergang durchs Herbarium. La Fantaisie ist Brudnizkis erstes Hotelprojekt in der französischen Hauptstadt.
Botanischer Genuss
Aber noch eine weitere Person feiert mit diesem Hotel eine Premiere in Paris: Dominique Crenn. Die französische Köchin zog es in den 80er-Jahren nach San Francisco, wo sie als erste Frau in den USA mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Unter ihrer gastronomischen und nachhaltigen Leitung präsentiert das Hotel eine Interpretation kalifornischer Küche mit französischen Wurzeln – und dies ausschließlich vegan und pescetarisch. Das Gesamtkonzept von La Fantaisie kompensiert den engen und urbanen Standort, tritt subtil in den Dialog mit dem Umfeld, ermöglicht ein Durchatmen, eine Pause vom Alltag auf verschiedenen Ebenen – wortwörtlich und übertragen. Aber besonders schafft das Hotel eine Balance zwischen Architektur und Flora.
Ebenfalls sehenswert in Paris: Die neonroten Lichter eines neuen, angesagten Gastronomiebetriebs schimmern über den Canal Saint-Martin: Gros Bao verbindet hochwertige Kulinarik mit einem gepflegten Ambiente.