18.07.2023

Öffentlich

KMSKA in Antwerpen: Zwei Museen in einem

Kultur
Keine klassische Erweiterung, sondern zwei Museen in einem: Das Rotterdamer Büro KAAN Architecten setzte einen asymmetrischen Neubau in die vier Innenhöfe des neoklassizistischen Bestandsgebäudes. Foto: Karin Borghouts
Keine klassische Erweiterung, sondern zwei Museen in einem: Das Rotterdamer Büro KAAN Architecten setzte einen asymmetrischen Neubau in die vier Innenhöfe des neoklassizistischen Bestandsgebäudes. Foto: Karin Borghouts

Nach elf Jahren Umbau eröffnete das Königliche Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA) im September 2022 wieder. Das Makeover des Museums ist clever: KAAN Architecten setzten einen asymmetrischen Neubau mit zehn Hochglanz-Räumen in das Bestandsgebäude und erweiterten damit die Schaufläche um 40 Prozent.

Das nach elf Jahren Umbau wiedereröffnete Königliche Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Das nach elf Jahren Umbau wiedereröffnete Königliche Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Foto: KMSKA / © KAAN Architecten

Mangel an Ausstellungsfläche im KMSKA

Elf Jahre. So lange war das Königliche Museum für Schöne Künste Antwerpen (KMSKA), eines der bedeutendsten Museen Belgiens, wegen Sanierungs-, Restaurierungs- und Erweiterungsarbeiten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ende September 2022 öffnete der prächtige Kunsttempel seine Pforten und überraschte mit einem Erweiterungsbau, der nach außen hin überhaupt nicht sichtbar ist. Denn eines der Hauptprobleme des Bestandsgebäudes aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert war – wie aktuell bei vielen Museen durch stetig wachsende Sammlungsbestände – der Mangel an Ausstellungsfläche. Die Lösung dafür ist clever: KAAN Architecten legten die historischen Innenhöfe frei und setzten einen asymmetrischen Neubau passgenau in die ursprüngliche Gebäudestruktur. Damit erweiterten sie die Schaufläche um 40 Prozent, und zwar ohne etwas an der Grundfläche des historischen Hauses zu verändern. Ungewöhnlich, denn Museen, die räumlich expandieren, entscheiden sich in der Regel für einen Anbau oder gar für einen Solitär.

KMSKA © Karin Borghouts
© Karin Borghouts

Wendeltreppe zur Alten Kunst

Mit ihrem genialen Wurf „Zwei Museen in einem“ schufen die Rotterdamer Architekt mehr Platz für ihre berühmten Altmeister von Rubens und Van Dyck sowie James Ensor, einem der wichtigsten modernen Protagonisten der insgesamt 8.400 Werke umfassenden Sammlung des KMSKA (von denen 650 nun ausgestellt sind). Eine Wendeltreppe führt jetzt vom neuen Empfangsbereich hinauf in die neoklassizistische Eingangshalle. Von dort tauchen die Besuchende in die Alte Kunst ein. Durch das monumentale Foyer, das im 19. Jahrhundert von dem Historienmaler Nicaise De Keyser dekoriert wurde – nach wie vor ein Highlight im Museum – flaniert man durch die historischen Säle, die nach ursprünglichen Plänen aufwändig restauriert und instandgesetzt wurden.

Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Blick in die frisch restaurierten und sanierten historische Säle. Fotos: KMSKA /© KAAN Architecten
Blick in die frisch restaurierten und sanierten historische Säle. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten

Pompeijanisches Rot und Olivgrün

Historische Stuckaturen, Fischgrätparkett, hölzerne Türrahmen wurden, wo immer möglich, gerettet und behutsam aufgearbeitet. Gediegene Wandfarben variieren nun je nach Galerieraum von pompeijanischem Rot bis Olivgrün. Tapeten, Vorhänge und bordeauxfarbene Samtsofas verströmen historisches Flair im Altbau. Die Säle hier beherbergen die Werke aus der Zeit vor 1880.

KMSKA © Karin Borghouts
Fotos © Karin Borghouts
KMSKA © Karin Borghouts
KMSKA © Karin Borghouts

White Cube im KMSKA

Direkt vom Erdgeschoß gelangt man in den geschlossenen White Cube des Museums, der die Kunst aus der Zeit nach 1880 zeigt. Der Kontrast zur Farbfassung in den Fin-de-Siècle-Sälen kann kaum größer sein: Die neuen Hochglanz-Räume sind vom Boden bis zur Decke in makellosem Weiß gehalten. Sie variieren in Beleuchtung, Höhe sowie Volumen und bilden auch damit das Gegenstück zum symmetrisch angelegten Altbau. Im Zwischengeschoss werden in gedämpftem, modulierbarem Licht empfindliche Arbeiten wie Zeichnungen und Radierungen – gepaart mit Skulpturen – präsentiert.  Eine 40 Meter lange Treppe verbindet die Räume über die Etagen und überbrückt einen Höhenunterschied von 22 Metern. Durch diesen vertikalen Einschnitt gelang es den Architekten, natürliches Tageslicht nach unten zu bringen. Denn ursprünglich war das Bestandsgebäude, 1884 bis 1890 nach Entwürfen von Jan Jacob Winders und Frans Van Dijk erbaut, als Tageslichtmuseum konzipiert. Das Tageslicht spielt daher laut KAAN Architecten auch eine entscheidende Rolle in ihrem Entwurf: Das Licht wird über vier Lichtschächte eingelassen und gestreut. Auch in den historischen Galerien sorgen durchgehende Oberlichter weiterhin für Beleuchtung.

Blick in das neue Zentraldepot des KMSKA. In der Vergangenheit war der Bestand auf sieben Lagerorte verteilt. Heute verfügt das Museum allein über 3660 Quadratmeter Regalfläche für Gemälde auf zwei Etagen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Blick in das neue Zentraldepot des KMSKA. In der Vergangenheit war der Bestand auf sieben Lagerorte verteilt. Heute verfügt das Museum allein über 3660 Quadratmeter Regalfläche für Gemälde auf zwei Etagen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Blick in das neue Zentraldepot des KMSKA. In der Vergangenheit war der Bestand auf sieben Lagerorte verteilt. Heute verfügt das Museum allein über 3660 Quadratmeter Regalfläche für Gemälde auf zwei Etagen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Blick in das neue Zentraldepot des KMSKA. In der Vergangenheit war der Bestand auf sieben Lagerorte verteilt. Heute verfügt das Museum allein über 3660 Quadratmeter Regalfläche für Gemälde auf zwei Etagen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten

Masterplan für KMSKA

Das Projekt KMSKA startete schon im Jahr 2003. Damals war der Fin-de-Siècle-Tempel so baufällig, dass sogar ein Abriss in Erwägung gezogen wurde und über einen Neubau diskutiert wurde. Der flämische Regierungsarchitekt Bob Van Reeth schrieb schließlich einen offenen Wettbewerb aus, der dann aus Nachhaltigkeitsgründen den Erhalt des Bestandsgebäudes und eine Anpassung daran beinhaltete. Das damals noch junge Rotterdamer Büro KAAN Architecten, geleitet von Kees Kaan, Vincent Panhuysen und Dikkie Scipio, gewann die Ausschreibung und erstellte daraufhin den Masterplan. In der ersten Phase wurde der ursprüngliche Museumsrundgang von 1890 freigelegt. Im Laufe der Arbeiten stellte sich heraus, dass das Gebäude sehr asbesthaltig war. Eine lange und intensive Sanierung war daher erforderlich.

Kontrastprogramm zum Fin-de-Siècle-Flair im Altbau: Die neuen Räume sind in makellosem Weiß gehalten. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Kontrastprogramm zum Fin-de-Siècle-Flair im Altbau: Die neuen Räume sind in makellosem Weiß gehalten. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Kontrastprogramm zum Fin-de-Siècle-Flair im Altbau: Die neuen Räume sind in makellosem Weiß gehalten. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten

Verjüngungskur fürs KMSKA

Neben der Infrastruktur bedurften auch die Technik und die Klimaanlage einer Verjüngungskur. „Das Gebäude brauchte wirklich eine Generalüberholung“, erklärte KMSKA-Direktorin Carmen Willems bei der Eröffnung im September 2022. „Es gab zwei wichtige Punkte, die angegangen werden mussten. Erstens gab es nicht genug Platz, um die Sammlungen gut zu präsentieren. Zweitens war es schon immer schwierig, gute Klimabedingungen im Museum aufrechtzuerhalten.“ Der neue zeitgenössische Trakt ist jetzt daher mit einem Klimasystem der Klasse A ausgestattet, der höchsten und gängigsten Klimakategorie in neuen Museen. Zudem ist eine Objektumgebungskontrolle installiert, die ein Jahr lang getestet wird.

Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Foto: KMSKA /© KAAN Architecten

Ein neues Depot

Die lange Schließung nutzte das KMSKA zum einen für umfangreiche Restaurierungsarbeiten an seinen Werken, schickte aber seine Werke auch auf Reisen. Außerdem arbeitete man hinter den Kulissen an der Lagerung der nicht ausgestellten Kunstwerke. War der Bestand früher auf insgesamt sieben Magazine verstreut, so besitzt das KMSKA jetzt seit 2013 ein neues, zentrales Depot. Es verfügt über 3.660 Quadratmeter Regalfläche für Gemälde auf zwei Etagen. Die Räume sind staub- und erschütterungsfrei sowie mit einem hochmodernen Lüftungs- und Sicherungssystem ausgestattet. Mit diesen umfangreichen Umbauarbeiten haben die Architekt:innen aus Rotterdam das KMSKA zukunftsfähig gemacht. Ihren gelungenen Umgang mit historischer Bausubstanz stellten sie bereits bei der Sanierung und Restaurierung des Thermenmuseums in Heerlen und des Barockschlosses Het Loo bei Apeldoorn unter Beweis.

Skulpturen, Zeichnungen und Radierungen sind im verdunkelten Zwischengeschoss zu sehen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten
Skulpturen, Zeichnungen und Radierungen sind im verdunkelten Zwischengeschoss zu sehen. Foto: KMSKA /© KAAN Architecten

Von Makeover zu Meisterstück

Mit dem Makeover des KMSKA haben KAAN Architecten nun allerdings ihr Meisterstück vollbracht. „Die monumentale Architektur des Museums aus dem 19. Jahrhundert überrascht in ihrem Kern mit einer versteckten neuen Architektur: bescheiden und kraftvoll zugleich“, sagt Dikkie Scipio von KAAN Architecten stolz. „Diese Symbiose schafft eine spannende und funktionelle Ausstellungsumgebung.“ Fast zwanzig Jahre hat die Architektin, die seit 2019 nun auch in Münster als Professorin im Fachbereich Entwurf lehrt, an dem Museum gearbeitet. „Ich bin die letzte Architektin, die von Anfang an mit dabei war. Das Gebäude ist zu meinem Kind geworden. Und meine Eigenen sind in der Zwischenzeit erwachsen geworden.“   

Auch das Qujiang Museum of Fine Arts in Xi’an wurde erweitert: Neri&Hu haben dem Bau eine Rotunde hinzugefügt.

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