Die Münchner Galerie Walter Storms zeigt aktuell Arbeiten von Klaus Kinold (1939–2021), der innerhalb der zeitgenössischen Architekturfotografie eine ganz besondere Rolle einnimmt: Die Werke des jüngst verstorbenen Fotografen offenbaren mit ihrer schlichten Ästhetik die kraftvolle Schönheit von Architektur und die Intentionen ihrer Schöpfer.
Klare Bildsprache
Bauwerke konnte er in schlichte, aber dennoch faszinierende Bilder übersetzen: Klaus Kinold (1939–2021). Die Arbeiten des im Frühjahr 2021 verstorbenen Münchner Fotografen haben vor allem die Nachkriegsmoderne dokumentiert. Außerdem hat Kinold mit seinen Fotografien maßgeblich die Rezeption dieser Bauten mitbestimmt. Die Galerie Walter Storms widmet derzeit die erste posthume Ausstellung. Kinolds Leitsatz dabei lautete: „Ich will Architektur zeigen, wie sie ist“. Seine Werke offenbaren die kraftvolle Schönheit von Architektur und zeigen überdies sehr genau die Intentionen ihrer Schöpfer.
Charakteristisch für Kinold ist die klare Bildsprache: aufgeräumte und menschenleere Gebäude, strukturiert durch Symmetrieachsen. Seine technisch perfekten sowie vorzugsweise schwarz-weißen Bilder – er arbeitete vor allem mit analogen Mittelformatkameras – vermitteln neben strenger Ästhetik und konstruktiver Erfassung der Gebäude ein ganz besonderes Gespür für Materialien. Sein umfassendes Verständnis für Baugestaltung verrät Kinold als ausgebildeten Architekten.
Kinold kam als Architekt zur Architekturfotografie
Über das Architekturstudium kam er zur Fotografie. In den 1960er Jahren studierte Kinold in Karlsruhe bei Egon Eiermann, dem Meister des Stahlbaus, Architektur. Autodidaktisch hatte er sich Aufnahme- und Dunkelkammertechnik angeeignet. Er wurde am Lehrstuhl Rudolf Büchner schnell zum „Hausfotografen”, der Modelle und Bauten seiner Professoren fotografierte. Von seinem Mentor Egon Eiermann hatte er die klare sowie nüchterne DurchdringungDurchdringung – Eine Durchdringung ist ein Element, das durch eine Konstruktion hindurchgeht, wie zum Beispiel ein Rohr oder eine Kabeldurchführung. architektonischer Probleme gelernt ebenso wie die Präzision des Gestaltens, die er auf seine Fotografien übertrug.
Intensiv setzte sich der Architekturvermittler vor dem Fotografieren mit dem Bauwerk auseinander sowie erfasste dessen architektonisches Konzept. So war für Kinold der Besuch des rekonstruierten Barcelona-Pavillon Mies van der Rohes, ein Meilenstein moderner, aber verloren geglaubter Architektur, ein Schlüsselerlebnis. Kinolds Fotografien des neu errichteten Pavillons, aktuell in München zu sehen bei Walter Storms, vermitteln uns die Faszination des Raums, des offenen Grundrisses, und machen es uns anhand seiner Arbeiten möglich, die Verschränkung von Innen und Außen bildlich zu erfahren. Durch die Glaswand erblickt man die Skulptur ‚Der Morgen‘ von Georg Kolbe. Das einen halben Meter tiefe Becken ist mit schwarzen Glasplatten ausgekleidet. Dabei wirkt es wie ein SpiegelSpiegel: Ein reflektierendes Objekt, das verwendet wird, um Licht oder visuelle Informationen zu reflektieren., in dem sich die Figur reflektiert.
Von Ando bis Zumthor
Auch Kinolds Fotografien des zweiten Schlüsselwerk Mies van der Rohes, die Villa des jüdischen Textilfabrikanten Fritz Tugendhat in Brünn, zeigt Walter Storms. Die Aufnahmen datieren ins Jahr 2019 und sind zudem die letzte große Fotoserie vor Kinolds Tod. Das Haus Tugendhat konnte 2010 bis 2012 durch eine aufwendige Sanierung in den Originalzustand zurückversetzt werden und ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Auch diesen Epochenbau fotografierte Kinold nach seinen strengen ästhetischen Prinzipien.
Kinold dokumentierte darüber hinaus die Bauten vieler bedeutender Architekten, unter anderem von Alvar Aalto, Tadao Ando, Heinz Bienefeld, Dominikus Böhm, Walter Gropius, Herman Hertzberger, Herzog & de Meuron, Le Corbusier, Richard Meier, Ludwig Mies van der Rohe, Carlo Scarpa, Karljosef Schattner, Álvaro Siza und Peter Zumthor. Darüber hinaus arbeitete er aber nicht nur als Auftragsfotograf, sondern war selbst verlegerisch tätig. Er gab internationale Architekturzeitschriften heraus (Periodika wie „KS Neues“, „Bauen in Beton“ und „MODUL“).
Anlässlich seines 70. Geburtstags im Jahr 2009 ehrte das Münchner Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne unter der Ägide von Winfried Nerdinger Kinold mit einer großen Retrospektive. Werke des 1939 in Essen geborenen Fotografen sind mittlerweile in zahlreichen internationalen Museen wie dem Metropolitan Museum of Art in New York und dem Architekturmuseum der TU München vertreten.
Ludwig Mies van der Rohe, Barcelona Pavillon, Haus Tugendhat. Herausgegeben von Klaus Kinold. Texte von Christoph Hölz, Wolf Tegethoff versehen mit Grundrissen und Architekturzeichnungen, deutsch/englisch, Hirmer Verlag, 35 Euro. Mit der Buchhandelsausgabe erscheinen nummerierte und signierte Vorzugsausgaben mit einem Originalfoto von Klaus Kinold (Silbergelatineprint, 21 × 30 cm). Erhältlich bei der Galerie Storms, www.storms-galerie.de.
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