24.02.2023

Öffentlich

Geschützt: Kindergarten in Zwijndrecht: ein Hybrid-Design

Bildungsbauten
Im Kindergarten in Zwijndrecht werden die Kinder durch den erhöhten Spielplatz auf den Maßstab der Erwachsenen gehoben. Foto: Stijn Bollaert
Im Kindergarten in Zwijndrecht werden die Kinder durch den erhöhten Spielplatz auf den Maßstab der Erwachsenen gehoben. Foto: Stijn Bollaert

Ein besonderes Raumprogramm für ein besonderes Gebäude: Der Kindergarten in Zwijndrecht ist nicht nur ein Kindergarten, sondern zugleich Industriehalle und Bürogebäude. Das Team von Havana Architekten stellte sich der Aufgabe und nach vier Jahren Planung sowie Bau eröffnete 2020 der Hybrid aus zwei Gegensätzen.


Das Wesen der Architektur als Designmantra

2012 gründeten Bert Haerynck und Tijl Vanmeirhaeghe das Architekturbüro Havana. Das Büro zählt aktuell acht Mitarbeiter und hat seinen Sitz in Gent. Ihre klare und einfache Handschrift zeichnet die Architekten aus und zieht sich dementsprechend wie ein roter Faden durch die Projekte. So entsteht eine natürliche Architektur ohne Schnörkel, mit klarem und oft robustem Design. Havana legen großen Wert auf die Baubarkeit und Materialität ihrer Gebäude, was zu einer scheinbar alltäglichen Architektur führt. Genau diese Zurückhaltung ist es, was die Gebäude so anziehend macht. Es entstehen Räume, die sich auf das Wesen der Architektur konzentrieren. Nichts darin ist zu viel und nichts zu wenig.


Herausforderung: Spielfläche und Büro an einem Ort

Aufgrund der geringen Grundstücksgröße, die der Gemeinde Zwijndrecht zur Verfügung stand, mussten die Architekten nach der kompaktesten Konfiguration für die benötigen 1.630 Quadratmeter des Raumprogramms suchen. Dieses brachte eine weitere Herausforderung mit: Havana sollten nicht nur einen Kindergarten bauen, auch eine Industriehalle mit Büros wurden gefordert. Solch große Gebäude findet man in der Regel freistehend. Sie formen optisch einen großen Maßstab, in dem kleine Gebäude wie der neue Kindergarten in Zwijndrecht bestehen muss. Havana schafften es diese Gegensätze in einem Gebäude zu vereinen, das den großen Maßstab mit dem eines Kindes verbindet.

Der Kindergarten in Zwijndrecht von dem Genter Architketurbüro Havana vereint in einem Hybrid-Modell Bildung und industrielle Lagerhallen. Foto: Stijn Bollaert
Übrigens beeinflusst kein hoher Zaun das Erscheinungsbild des Gebäudes negativ, denn der Spielplatz liegt etwa einen Meter über dem Boden. Foto: Stijn Bollaert

Kindergarten Zwijndrecht: Spielen mit Freiheitsgefühl

Um die Maßstäbe miteinander zu verbinden, reihten die Architekten immer tiefer werdende Satteldächer als Kaskade aneinander, die mit einer offenen Galerie über dem Spielplatz endet. Kindergartenspielplätze stellen jeden Architekten vor die gleiche Herausforderung: Sie müssen umzäunt werden, damit sich die Kinder ungefährdet frei bewegen können. Doch wie schafft man eine so große Einfassung, ohne dass diese das Erscheinungsbild des Gebäudes negativ beeinflusst? Im Fall des Kindergartens von Zwijndrecht schufen die Architekten einen Spielplatz, der etwa einen Meter über dem Boden liegt. So können die Kinder auf einem erhöhten Balkon mit Blick auf die Umgebung spielen ohne von einem Mannshohen Zaun eingesperrt zu sein: Sie werden auf den Maßstab der Erwachsenen gehoben.


Designlösung: ein Hybrid-Modell

Die Architekten schufen einen einfachen Grundriss, indem sie die verschiedenen Nutzungen auf Stockwerke verteilten. Denn während Kinder spielen wollen, wollen Erwachsene den Überblick behalten. Daher befinden sich Büros und Dienstleistungen im Obergeschoss, das Erdgeschoss hingegen gilt den Kindern und aus praktischen Gründen auch der Industriehalle. Die Lager wurden so angeordnet, dass sie an die Servicestelle des Technischen Dienstes angebunden sind. Sie liegen Rücken an Rücken zum Kindergarten, der sich wiederum in Richtung des benachbarten Schulgeländes orientiert. Havana gestalteten hier ein kompaktes Cluster und reduzierten den Fußabdruck des Gebäudes so weit, dass in Verbindung mit dem benachbarten Bachtal eine zusätzliche öffentliche Grünfläche geschaffen werden kann.

Der Kindergarten in Zwijndrecht von dem Genter Architketurbüro Havana vereint in einem Hybrid-Modell Bildung und industrielle Lagerhallen. Foto: Stijn Bollaert
Bei der Architektur handelt es sich nicht nur um einen Kindergarten. Es ist auch eine Industriehalle mit Büros. Der Unterschied ist dabei entscheidend – auch optisch. Foto: Stijn Bollaert

Schlichte Hülle

Auch die Fassade vereint den Kindergarten in Zwijndrecht mit seiner Umgebung: Die Wellblechverkleidung der Industriehalle geht in eine elegante Lamellenfassade über und endet schließlich in einer schlichten Putzfassade. Viele große Fensteröffnungen an der Kindergartenseite vergrößern die einseitig belichteten Räume des Kindergartens optisch und sorgen dabei für ein helles und freundliches Ambiente.


Auch im Innern: nüchterne Linie von Havana

Obwohl die Innenräume des Kindergartens absichtlich nüchtern gestaltet sind, setzten die Architekten jedoch auf Akzente für verschiedene Nutzungen. Während die große Wendeltreppe, die das Erdgeschoss der Kinder mit den Büros der Erwachsenen verbindet, ein gelber Hingucker ist, sind die Sitzmöbel im Kontrast in der Farbe Blau gehalten. So hält sich die Architektur zurück und bildet in diesem Sinne den Hintergrund für das laute Treiben der spielenden Kinder.

Der Kindergarten in Zwijndrecht von dem Genter Architketurbüro Havana vereint in einem Hybrid-Modell Bildung und industrielle Lagerhallen. Foto: Stijn Bollaert
Die gelbe Wendeltreppe verbindet den Kindergarten mit den Büroräumlichkeiten. Foto: Stijn Bollaert

Havanas simple Designsprache zeigt sich auch hier

Die Architekten von Havana blieben beim Entwurf sowie der Ausführung ihrer Linie treu. Sie schufen mit dem neuen Kindergarten in Zwijndrecht ein zurückhaltendes, funktionales Gebäude. Durch gezielte farbliche und materielle Akzente erhält das Gebäude seinen eigenen Charme und gibt seinen Nutzern – den Kindern – einen ganz besonderen Raum. Einen Raum, den sie jeden Tag neu interpretieren und mit Leben füllen können. Der Spagat zwischen industrieller und kindlicher Nutzung ist den Architekten durch ihr besonderes Fingerspitzengefühl gelungen.

Ein Londoner Kindergarten, der auch zu einem Hybrid-Modell gehört: Dyvik Kahles Holzbau.

H
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