Verschiedene Epochen, unterschiedliche Architekturstile: Wer waren bedeutende Vertreter des Jugendstils und welche Werke gehen auf sie zurück? Sprachen die Zeitgenossen um die Jahrhundertwende schon selbst vom „Jugendstil“? Ein Blick auf die Epoche der Architekturgeschichte, in der ein neuer Reformstil den Historismus ablösen sollte.
„Jugendstil“ und „neuer Stil“
Kurz vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam das auf, was heute als Jugendstil bezeichnet wird. Allerdings fanden sich die Künstler, die wir heute dieser Stilepoche zurechnen, nie unter diesem Begriff zusammen. Er entstand als Hilfsbezeichnung des Kunstjournalismus, abgeleitet von der Münchner Zeitschrift „Die Jugend“, die ab 1896 junge deutsche Buchkunst und Druckgrafik veröffentlichte. Um die Jahrhundertwende findet sich stattdessen häufig der Begriff vom „neuen Stil“. Denn darum ging es den meisten Künstlern, die wir heute als „Jugendstilkünstler“ bezeichnen. Sie wollten einen Reformstil schaffen, der die unterschiedlichen Spielarten des Historismus endlich ablösen sollte.
Neue nationale Reformstile
Dass die Geschmackshoheit der historischen Stile an ihr Ende gelangt war – diese Einschätzung teilte kurz vor 1900 nicht nur die Avantgarde. Wer in das europäische Ausland blickte, sah, dass hier die Stilreform bereits deutlich weiter fortgeschritten war. In Großbritannien war die Arts-and-Crafts-Bewegung bereits kurz nach der Jahrhundertmitte entstanden und hatte mit William Morris einen charismatischen Protagonisten gefunden. In Frankreich und Belgien stand währenddessen die Art Nouveau in Blüte. Nicht ohne einen mitschwingenden Nationalismus verwies die Kunstpresse somit auf die Erfolge des Auslandes bei der Entwicklung neuer nationaler Reformstile. Man befürchtete bereits, kulturell hinter die Nachbarländer zurückzufallen.
Einflüsse auf den Jugendstil
Die künstlerischen Bemühungen in den anderen Teilen Europas wirkten aber höchst befruchtend auf die deutschen Künstler. Der Jugendstil ist ohne Arts-and-Crafts, Art Nouveau und die österreichische Sezessionsbewegung nicht denkbar. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch ganz eigenständige Errungenschaften des Jugendstils gibt.
Erstes Zentrum der neuen Kunstrichtung war München. Hier suchten etwa Hermann Obrist und August Endell intensiv nach neuen Dekorformen. Endells „Atelier Elvira“ von 1898 ist eines der frühesten Beispiele für Jugendstil-Architektur. Die Ornamentformen des Baus sind ein höchst individueller Ausdruck der Suche nach post-historistischem Dekor. Endell ließ sich dabei ähnlich wie auch Obrist von Naturformen inspirieren. Der Architekt Richard Riemerschmid sowie die Maler Bernhard Pankok und Peter Behrens wandten sich, inspiriert von englischen, belgischen und französischen Vorbildern, nun dem Kunsthandwerk zu. Kunsthandwerkliches Entwerfen wurde geradezu zum Inkubator bei der Entwicklung des neuen Stils.
1898 wurden die „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ als Zusammenschluss Münchner Handwerkbetriebe gegründet. Hier ließen Münchner Jugendstilkünstler wie Riemerschmid, Pankok, Obrist sowie Behrens ihre kunsthandwerklichen Entwürfe fertigen. Insbesondere Arts-and-Crafts-Entwürfe wurden dabei stark rezipiert. Auch in der Architektur wirkte das englische Vorbild stilprägend. Das Atelierhaus von Richard Riemerschmid in Pasing aus dem Jahr 1898 greift direkt Arts-and-Crafts-Bauten auf. Daneben gewann insbesondere das Frühwerk Henry van de Veldes schnell Einfluss auf die deutschen Entwerfer.