Im Herzen der Sargfabrik

In einer ehemaligen Sargfabrik in Wien wohnen seit 1996 unterschiedlichste Bewohner zusammen. Baumeister-Academy Gewinnerin Franzisca besuchte das Wohnprojekt. Ihr Highlight: das unterirdische Badehause, das an manchen Tagen für Besucher geöffnet ist.

Die Sargfabrik Wien ist ein selbstinitiiertes Wohnprojekt und eröffnete 1996. Es liegt im 14. Gemeindebezirk Penzing, ein klassischer Wohnbezirk mit verdichteter Blockrandbebauung im Westen Wiens.  Die Bewohner der Sargfabrik bezeichnen den Bau als Lebensmodell – ein Wohnbau, in dem mehr als nur gewohnt werden soll. Dachgärten, das Kulturhaus, ein Restaurant und Café, ein Kindergarten, das Badehaus – all diese Flächen werden als Gemeinschafts- und Kommunikationsflächen gesehen.

Die Sargfabrik wurde Ende des 19. Jahrhunderts für die Sargproduktion der ehemals größten Sargfabrik der österreichisch-ungarischen Monarchie “Maschner & Söhne” errichtet und wurde bis 1970 dafür eingesetzt. 1986 fanden sich circa dreißig Menschen zusammen, um ein neues Wohnprojekt ins Leben zu rufen. Ziel war es, eine demokratische Wohngemeinschaft zu bilden, in der man flexibel gestaltbare Wohneinheiten findet. Eine bunte Mischung aus Bewohnern aus verschiedenen Kulturen, unterschiedlichsten Alters und auch sozial benachteiligte Menschen sollen dabei mit einbeozgen werden. Das selbstverwaltete Wohnprojekt vom Verein für Integrative Lebensgestaltung initiierte das Projekt und das Architekturbüro BKK-3 plante es anschließend. Nachdem die Initiative keinen passenden Bauträger fand, übernahm der Verein selbst die Rolle des Bauherren.

Zwischen zwei Gebäudeflügeln befindet sich ein begrünter Innenhof mit einem Teich in der Mitte. Darunter liegt das Badehaus.

Von außen ist die Größe der Sargfabrik schwer erkennbar, nur Teile der farblich in orange gehaltenen Fassade, heben sich von den Gründerzeithäusern und Gemeindebauten ab. Zwischen zwei Gebäudeflügeln befindet sich ein begrünter Innenhof mit einem Teich in der Mitte, welcher gleichzeitig das Dach des darunter befindlichen Badehauses bildet. Dahinter ragt der weiß gestrichene Schornstein der ehemaligen Fabrik in die Höhe. Die Wohnungen der unterschiedlichen Gebäudeteile werden durch massive offene Stiegenhäuser und Laubengänge erschlossen. Brücken sollen die Wege zwischen den Bewohnern kurz halten, um den Austausch zu erleichtern. Sehr auffällig sind die massiven Balkone mit den schräg nach vorn gekippten Betonbrüstungen – die, wie die ganze Sargfabrik, in einem satten Orange gehalten sind.

Der weiß gestrichene Schornstein der ehemaligen Fabrik in die Höhe.

Der orientalische Badeabend für Frauen

Unter dem zentralen Innenhof liegt das Badehaus, welches für Mitglieder 24 Stunden geöffnet ist. Gäste von außerhalb, so wie ich, können während einer der “Events” das Badehaus besuchen – wie zum Beispiel den orientalischen Badeabend für Frauen, welchen ich an einem kalten Freitagabend im Dezember in Anspruch nahm.

Die Umkleidekabinen des Badehaus.

Umgeben von den dicht aneinander stehenden Bauteilen mit den vielen Wohnungseingangstüren, führt eine steile Treppe zu dem Badehaus hinab. Am Empfang werden wir freundlich begrüßt, das Konzept wird uns erklärt – die Schuhe bleiben im Vorraum, Wasser und kleine Erfrischungen stehen am Tresen bereit, ob mit oder ohne Badeanzug bekleidet bleibt uns frei überlassen. Zwei frei stehende Kabinen schweben mitten in dem abgeschrägten Raum, zwischen Eingang und Badebereich. Das Badehaus ist kleingehalten, eine intime Atmosphäre unterhalb des Wohnbaus.

Geht man einmal ums Eck, steht man schon vor dem lang gezogenes Becken, in dem man sich nach dem Saunagang abkühlen und seine Bahnen ziehen kann. Dahinter erblickt man ein großes Fenster durch das Licht in das unterirdische Becken fällt. Während wir uns von den Düsen im Rücken massieren lassen, halten sich einige Besucherinnen in dem Becken auf, auf den Liegen rundherum schlafen Frauen, manche flüstern miteinander – eine Mischung aus einem wohligen Raunen und dem Hallen des sprudelnden Beckens erfüllen den verfliesten Raum.
Untermalt ist der Abend mit einem sich immer wechselnden bunten Licht – von Gelb, zu Grün, zu Blau, zu Rot und wieder zu Gelb. Diese Szenerie wirkt ein wenig in die Jahre gekommen, doch vielleicht birgt genau dieser Eindruck den Charme in sich.

Alle Bilder: Franzisca Rainalter

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

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