Daher blicken wir doch auf den Henkersweg und den Weinstadl (2). Nicht selten sieht man dort auf den Balkonen Studenten mit einem Bier in der Hand, denn in dem Gebäude aus dem 15. Jahrhundert befindet sich seit 1950 ein Studentenwohnheim. Mein Vater hat zu Studienzeiten auch einmal dort gewohnt.
Das nächste Ziel ist das Germanische Nationalmuseum am Kornmarkt (3). Das Museum umfasst mehrere Gebäudeteile aus verschiedenen Bauepochen. Den Kern bilden Überreste eines spätmittelalterlichen Kartäuserklosters. Die Erweiterungsbauten am Kornmarkt, samt Museumsbibliothek hinter einer großzügigen Glasfassade, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Münchner Architekten Sep Ruf. Eine markante städtebauliche Geste bildet die Straße der Menschenrechte, welche den Museumseingang flankiert. Nach dem Entwurf des israelischen Künstlers Dani Caravan wurden auf 27 Rundpfeilern aus weißem Beton und zwei Bodenplatten jeweils ein Auszug aus den 30 Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in deutscher und in einer weiteren Sprache eingraviert. Dieses aus einem Wettbewerb für Kunst am Bau entstandene Werk ist einerseits ein Mahnmal gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten, aber auch eine Erinnerung daran, dass Menschenrechte heute noch vielerorts massiv verletzt werden.
Nicht weit entfernt befindet sich neben der Stadtmauer ein weiterer Museumsbau, dem man einen Besuch abstatten sollte: Das Neue Museum – das erste bedeutende Projekt des Architekten Volker Staab (4). Im Jahre 2000 eröffnet, feiert das Museum für moderne Kunst und Design dieses Jahr 20-jähriges Bestehen. Die lange geschwungene Glasfassade ermöglicht es auch Passanten, einen Blick auf einzelne Kunstwerke zu werfen und verbindet so das Museum mit dem Stadtraum.
Die Klarakirche – wo Pop auf Gottesdienste trifft
Wenn man schon in dieser Ecke Nürnbergs ist, empfehle ich, einen Fuß in die Klarakirche zu setzen (5). Das kleine überwiegend im gotischen Stil erbaute Gotteshaus überrascht im Innern durch eine angenehm helle, puristische Gestaltung dank einer gelungenen Sanierung durch Brückner&Brückner Architekten. Einen modernen Kontrast bildet die Kapelle aus geschichteten Glasplatten im Eingangsbereich. Besonders an der Gemeinde St. Klara ist das Konzept der offenen Kirche. Einerseits kann man Weihnachtsgottesdienste besuchen, aber auch Konzerte im Rahmen des Nürnberg Pop Festivals. In diesem Sakralraum funktioniert beides gleichermaßen gut.
Schlägt man nun einen Schlenker gen Osten ein, wirft man einen Blick auf ein Beispiel zeitgemäßer, skulptural anmutender Architektur in der Altstadt: die Sebald Kontore (6). Der 2012 fertiggestellte Bürobau von GP Wirth Architekten übersetzt die Charakteristika der Altstadtbauten – steiles SatteldachSatteldach: Eine Art von Dach, das aus zwei geneigten Flächen besteht, die an der höchsten Stelle zusammentreffen., Natursteinoberflächen, LochfassadeLochfassade: Eine Lochfassade ist eine Fassadenbauweise, bei der sich die Fassadenelemente aus vertikalen oder horizontalen schmalen Elementen zusammensetzen, welche zwischen den Glasflächen sitzen und somit lichtdurchlässig wirken. – in einen modernen monolithischen Baukörper. So setzt das Gebäude neue Akzente, ohne die gegebenen Strukturen zu übergehen.
Es gäbe noch viele Ecken zu erkunden, aber die werden im nächsten Streifzug vorgestellt. Mein Spaziergang endet heute, wie so oft, auf der Burg (7). Unzählige Male stand ich schon hier und immer noch überwältigt mich der Rund-um-Blick über die Dächer. Hier kann man in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen ungestört die Abendsonne genießen.
Alle Bilder und Skizzen: Annette Strack
Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.