Auf seinem Weg zum Architekturbüro léonwohlhage trifft Andi auf Hauptstadtarchitektur aus Stein und Beton. (Foto: Andreas Maierhofer)

Als einer von vier Gewinnern der Baumeister Academy 2017 ist Andreas Maierhofer, Architekturstudent der TU Graz, seit Anfang März 2017 als Praktikant bei leónwohlhage in Berlin tätig. Sechs Monate lang wird er Teil der leónwohlhage-Community sein und ein spannendes Leben in Berlin führen. Hier berichtet er von seinen ersten Tagen.

Auf seinem Weg zum Architekturbüro léonwohlhage trifft Andi auf Hauptstadtarchitektur aus Stein und Beton. (Foto: Andreas Maierhofer)
Mit dem Fahrrad durch Berlin - am Reichstag vorbei (Foto: Andreas Maierhofer)
Die erste Sightseeing-Tour mit dem Rad führt den Grazer Architekturstudenten natürlich auch zum Brandenburger Tor (Foto: Andreas Maierhofer)
Andi macht sich mit der Berliner Architektur vertraut - hier das Kanzleramt von Schultes Frank Architekten. (Foto: Andreas Maierhofer)

Safety first

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens, als ich aus dem Nachtbus steige und Berliner Luft einatme. „Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein.“ Was wie eine Beleidigung klingt, ist eine Ode an die Schönheit des Schrecklichen in dieser Stadt. Eine Stadt ohne Sperrstunde. Eine Stadt die „coolnessmäßig aus allen Nähten platzt“. Berlin. Ein Ort der so frei sein soll, dass sich sogar ein ehemaliger amerikanischer Präsident dazu hingezogen fühlt. Was macht diese Stadt so besonders? Was machen die Menschen hier anders? Und vor allem, was kann ich in dieser Stadt lernen? In sechs Monaten kann ich diese Fragen hoffentlich beantworten.

Bevor ich in das Büroleben bei léonwohlhage einsteige, habe ich noch drei Tage, um mich auf die Stadt einzulassen. Mit dem Rad mache ich mich auf den Weg von meiner zwischenzeitlichen Bleibe an den Ort, an dem ich das nächste halbe Jahr meine Berliner Brötchen verdiene – aus dem Szeneviertel Friedrichshain in das etwas spießige Wilmersdorf. Ich suche den Weg zu meiner zukünftigen Wohnung im Wedding, einem Stadtteil der schon seit 15 Jahren im Kommen ist, aber irgendwie doch nicht kommt. Als krönenden Abschluss schaue ich mir die touristischen Hotspots an und fahre durch das Regierungsviertel und über den Alexanderplatz nach Hause. Nach fünf Stunden und 35 Kilometern auf Berlins Straßen führt mein Weg in das Radgeschäft – ein Helm muss her, die Berliner Autofahrer sind nicht die größten Fahrradfreunde. Eine Woche später lese ich einen Artikel über die Pläne der Stadt in den Ausbau der Radwege zu investieren, da die Unfallrate dramatisch hoch sei – da erscheint mir meine Investition gleich noch besser.

Wo bleibt das Theater?

Meine erste Woche als Teil von léonwohlhage startet erfrischend unspektakulär. Alle sind per Du und es liegt eine überraschend entspannte Atmosphäre in der Luft. Um die 35 Mitarbeiter zählt das erfolgreiche Büro, wobei auffallend viele Nationen vertreten sind: neben Deutschland sind das Österreich, Italien, Spanien, Ukraine, Kasachstan, Japan, Korea und wahrscheinlich noch einige, von denen ich noch nichts weiß. Schon am dritten Tag sitze ich bei Überstunden mit meinem Projektleiter und der Chefin am Modell zusammen. Wir diskutieren über die Grundrisse. Von klassischer Hierarchie nichts zu spüren, man begegnet sich auf Augenhöhe, mit viel Interesse und ohne Drama.

Das Theater erlebe ich jeden Tag aufs Neue zwischen Bett und Arbeit – und umgekehrt. Jede Großstadt bietet ihr eigenes Schauspiel, doch was hier von einer Endstation zur anderen an der U-Bahn Linie U1 passiert, gleicht einem Stück in fünf Akten: die Exposition beginnt mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes im ruhigen, schnöseligen Wilmersdorf. Vorbei am edlen Kurfürstendamm spricht man schon vom Höhepunkt. Danach fällt die Spannung bis man am bekannten „Kotti“ anhält. Der letzte Akt, die Katastrophe also, präsentiert sich mir an der Warschauer Straße. Eine hochspannende Bühne mit Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zwischen Business-Chic und Bieratem-Flair bekommt man eine großartige, tragische und komische Vorstellung von dem, was Berlin sein kann. So schön schrecklich und doch schrecklich schön.

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