03.08.2021

Wohnen

Gwathmey revisited

Die Haupt Residence ist eines der ikonischen Strandhäuser des Büros Gwathmey & Siegel in den Hamptons bei New York. Vier Jahrzehnte blieb der 1978 errichtete Bau in den Dünen vom Amagansett unverändert. Nun hat das Büro Worrell Yeung das Haus mit Hilfe der Originalpläne restauriert.

 

Foto: Naho Kubota

 

Vielleicht hat die Moderne in den USA nie einen mondäneren Ausdruck gefunden, als in den Landhäusern der New York Five. Richard Meier, Peter Eisenman, John Hejduk, Michael Graves und Charles Gwathmey schufen in den Sechziger- und Siebzigerjahren Villen, die die Formensprache des internationalen Stils in eine fast abstrakte Geometrie übersetzten. Hier ging es nicht einmal mehr vorgeblich um Funktionalismus, hier feierte sich die Moderne als ästhetisches Ereignis. Während Graves später zu einem der Protagonisten der Postmoderne wurde, Eisenmann und Hejduk hochexperimentelle und dekonstruktivistische Ansätze verfolgten, blieb Richard Meier in seiner Formensprache insbesondere Le Corbusier verpflichtet.

 

Foto: Naho Kubota

 

Charles Gwathmey, der 1967 mit Robert Siegel das Büro Gwathmey & Siegel in New York eröffnete, wurde mit seinen Beach Houses, Apartments und Büros zu einem der Lieblingsarchitekten der New Yorker Oberschicht. Insbesondere seine Wochenendhäuser in den Hamptons auf Long Island wurden zum Inbegriff von Luxus und Erfolg. Eigens für die Komödie Weekend at Bernie’s (1989, deutscher Titel: Immer Ärger mit Bernie) entwarf das Büro eine Kulissenvilla, die wesentliche Elemente ihrer epochalen De Menil-Residenz aufgriff. Und Oliver Stone ließ Gordon Gekko, die Hauptfigur seines Welterfolgs „Wall Street“ und Inbegriff des entfesselten Kapitalismus der Zeit, natürlich in einem Beachhaus á la Gwathmey wohnen.

 

Foto: Naho Kubota

Ein unberührter Gwathmey

 

Charles Gwathmey starb 2009. Die Strandhäuser seines Büros werden inzwischen für hohe zweistellige Millionenbeträge gehandelt, nicht zuletzt, weil sich viele von ihnen in den besten Lagen der Hamptons befinden. Die Haupt Residence von 1978 etwa liegt in Amagansett, einem Ort, dessen prominente Einwohner von Bill Clinton bis Paul McCartney reichen. Von einem 4000 Quadratmeter großen Grundstück in den Dünen blickt es auf den Atlantischen Ozean.

 

Foto: Naho Kubota
Foto: Naho Kubota

 

Die Haupt Residence ist ein typisches Beispiel für ein Gwathmey & Siegel-Strandhaus dieser Jahre. Die Fassaden sind Long Island-typisch mit grauem Zedernholz verkleidet. Zur Eingangsseite gibt sich der Bau im unteren Bereich verschlossen. Die Treppe, die im Innern zu den beiden Wohnetagen hinaufführt, zeichnet sich als Negativform ab. Dort öffnet sich dann die Außenwand mit großen Fenstern.

 

Foto: Naho Kubota
Foto: Naho Kubota

 

Auf der Rückseite zieht sich die weitgehend in Glas aufgelöste Fassade unter einen breiten Dachüberstand zurück. Wie eine gewaltige Bühne ist dem Haus hier ein Pooldeck vorgelagert, das auf das nahe Meer ausgerichtet ist und den zentralen Schauplatz für die Freiluftaktivitäten der Bewohner und ihrer Gäste bildet. Die Dachlandschaft mit ihren skulpturalen Schornsteinen lassen ebenso an Le Corbusier denken, wie die Reling-artigen Geländer des Decks und der Balkone.

 

Foto: Naho Kubota

Klassiker mit Glasbausteinen

 

Auch im Innern des Hauses finden sich viele typische Gwathmey & Siegel-Motive. Der zentrale Wohnraum erstreckt sich über die doppelte Geschosshöhe. Das unter Wohngeschoss geht dabei stufenlos in das Pooldeck über. Grafisch anmutende Wandflächen, konvexe Auswölbungen, Glasbausteine, Öffnungen aus dem Obergeschoss in den doppelstöckigen Wohnbereich – all dies sind typische Merkmale, die sich fast immer in den Strandhäusern der New York Five fanden.

 

Foto: Naho Kubota
Foto: Naho Kubota

 

Gwathmey & Siegel-spezifisch sind die aufwendigen Holzeinbauten, die nur wenig bewegliches Mobiliar notwendig machen. Anders als etwa Richard Meier haben Charles Gwathmay und Robert Siegel bei vielen Ihrer Arbeiten auch Farbelemente eingesetzt. In der Haupt Residence etwa sind einzelne Wandbereiche in Terrakotta, hellblau und grau gehalten. Die Architekten spielen bei ihrem Entwurf geschickt mit versetzten Geschosshöhen. Das Treppenhaus hinter der Eingangsfassade nimmt dabei fasst die gesamte Hausbreite ein. Rampentreppen überwinden den Höhenunterschied zwischen den Ebenen. Ein großes tonnenförmiges Oberlicht bringt zusätzliche Helligkeit in diesen Hausteil.

 

Foto: Naho Kubota
Foto: Naho Kubota

Nur die Küche zeugt vom Eingriff

Seit seiner Erbauung blieb das Haus glücklicherweise vor Umbauten weitgehend verschont. Nun hat das New Yorker Architekturbüro Worrell Yeung die Villa anhand der Originalpläne und mit dem festen Willen, im Geiste von Charles Gwathmey zu handeln, instandgesetzt. Sie tauschten Fassadenverkleidung, Fenster und Dachbelag aus. Gleichzeitig wurde auch das große gewölbte Oberlicht über der Treppe wurde ersetzt, ebenso wie der Belag des Pooldecks. Dabei würde größtmöglicher Aufwand betrieben, um das Erscheinungsbild des Originalentwurfs von Gwathmey & Siegel zu bewahren.

 

Foto: Naho Kubota

 

Die größte Veränderung, die die Architekten von Worrell Yeung vornahmen, betrifft die Küche. Hier wünschten sich die neuen Eigentümer des Hauses eine stärkere Öffnung zum großen Wohnraum und zum Pooldeck. Dafür entfernten die Architekten eine Wandzunge, so dass nun Küchen-, Ess und Wohnbereich ineinanderfließen. Gleichzeitig öffnet sich die Küche auf einer Raumseite vollständig zum Pooldeck. Die zeitgemäß neuentwickelten Küchenelemente bilden weiterhin mit dem eingebauten Mobiliar des restlichen Hauses eine gestalterische Einheit, während die losen Möbel der Bewohner klar zeitgenössische Zutaten sind.

 

Foto: Naho Kubota

 

Nach der Auffrischung lässt die Haupt Residence nun wieder die raffinierte Architektursprache von Charles Gwathmay und Robert Siegel ablesen. Sie stellt die Detailbesessenheit und das exakte Auge der beiden Architekten für Details, Farben und Materialität unter Beweis. Und sie lässt klar erkennen, warum insbesondere ihre Standhäuser auch heute noch heiß begehrte Architekturtrophäen sind.

 

Eine Restaurierung ganz anderer Art führten das Büro Worrell Yeung bei einem historischen Fabrikkomplex im New Yorker Stadtteil Brooklyn durch. 

 

Foto: Naho Kubota
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