03.01.2024

Gewerbe Wohnen

Industrie und Wohnen am Kanal

Fassade Ziegel
Der Wohn- und Gewerbekomplex liegt unmittelbar am Canal de l'Ourcq in Paris. Foto: Stefan Tuchila
Der Wohn- und Gewerbekomplex liegt unmittelbar am Canal de l'Ourcq in Paris. Foto: Stefan Tuchila

Im Osten von Paris, ab der Porte de la Villette, ist aus städtebaulicher Sicht derzeit einiges los. Denn entlang des Ourcq-Kanals schreitet die wirtschaftliche und städtische Entwicklung mit großen Schritten voran. In Pantin, Romainville und Bobigny wurden in der nahen Vergangenheit bereits neue Stadtteile entwickelt. Diesem Prozess schließt sich nun auch der Kanton Bondy an. Hier entsteht am Ufer des Kanals ein neues, zukünftig vollständig begrüntes Ökoquartier.


Auf der Suche nach Beständigkeit

Den Ort selbst zeichnet eine industrielle Vergangenheit aus. Im Zuge der städtischen Revitalisierung entsteht nun ein Quartier mit Wohnraum und qualitätsvollen Aufenthaltsflächen. Das Studio Brenac & Gonzalez, welches bereits in Romainville ein Wohngebäude realisierte, wollte diesen Aspekt des Historischen in der heutigen Gestaltung eines neuen Wohnhauses aufgreifen. Das französische Büro, welches bereits auf eine 80-jährige Firmengeschichte zurückblickt, begründet seine Arbeitsphilosophie in der Suche nach dem Beständigen über die Zeit hinaus: „Wir möchten unsere Arbeit sowohl in unserer Zeit als auch außerhalb der Zeit ansiedeln, immer auf der Suche nach dem Flüchtigen und dem Unveränderlichen.“, beschreiben sie ihren Ansatz selbst.

Foto: Stefan Tuchila
Fotos: Stefan Tuchila
Der von Brenac & Gonzalez realisierte Komplex vereint Wohnen und Gewerbe miteinander.
Foto: Stefan Tuchila

Beliebtes Naherholungsgebiet

Anlass für den Bau des Kanals war einst der Trinkwasserbedarf der Stadt Paris. Ebenso diente er der Güterbeförderung. Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts hatte es erste Überlegungen gegeben, das Wasser des Flusses Ourcq zur Versorgung von Paris zu verwenden. Doch die tatsächliche Realisierung des Kanal-Projektes erfolgte erst Anfang des 19. Jahrhunderts auf Initiative von Napoléon I. Dazu wurde der Fluss Ourcq hinter dem Ort Silly-la-Poterie, unweit des Waldes Forêt de Retz, teilweise umgeleitet und zu einem schiffbaren Wasserweg ausgebaut. Heute hat der Kanal keinerlei wirtschaftliche Bedeutung mehr. Seine Ufer und begleiteten Wege dienen den Parisern jedoch als beliebtes Naherholungsgebiet. Zukünftig werden auch die Bewohner des neuen Ökoquartiers in Bondy von der Nähe zum Kanal profitieren können.

Foto: Stefan Tuchila
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Das Gebäude besteht insgesamt aus drei Baukörpern.
Foto: Stefan Tuchila

Verschiebungen und Rücksprünge

Brenac & Gonzalez wählten für diese prominente Lage ein identitätsstiftendes Gebäude gegenüber des Kanals. Es ist eines von insgesamt drei Baukörpern. Neben der Galionsfigur direkt am Kanal entstehen ein weiteres Bauvolumen in der Nord-West-Ecke des Grundstücks und ein von diesem Block abgeleitetes Fragment, das jedoch einen eigenständigen Charakter entwickelt. Alle drei Teile des Ensembles zeichnen sich durch ein Spiel mit Verschiebungen und Rücksprüngen aus. Die dadurch entstehende Fassade lässt eine vielfältige Volumetrie entstehen. Die Aufteilung und Ausformulierung der Blöcke lässt außerdem ausreichend Licht in den Blockinnenbereich eindringen. Weiterhin ermöglicht die Fragmentierung vielfältige Blickbeziehung zur umgebenden Landschaft.

Foto: Stefan Tuchila
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Die verwendeten Materialien sind inspiriert von der industriellen Vergangenheit.
Foto: Stefan Tuchila

Hommage an industrielle Vergangenheit

Neben den Bezügen zum Wasser und der Umgebung, war Brenac & Gonzalez auch die Verbindung zur Historie besonders wichtig. Die verwendeten Materialien sind daher von dem ehemals industriellen Charakter inspiriert. Backstein und Metall sind dabei die Mittel der Wahl. Für einen freundlichen und beruhigenden Eindruck beschränkt sich der Farbkanon auf Weiss, Sand- und Cremetöne. Die Fassade ist dabei aus gemeißelten Ziegelmonolithen gefertigt. Trotz der Verwendung des gleichen Materials sollen die Ziegelsteine eine belebte Oberfläche generieren. Der hellbeigefarbene Backstein harmoniert weiterhin mit den weiß lackierten Metallstrukturen. Auch die Balkone aus Metallkonsolen und Zugstangen, die sowohl eine Hafen- als auch eine Industrieästhetik verleihen, dienen als Hommage an die industrielle Vergangenheit. Zum Kanal hin gliedern sie die Fassade, wobei vor allem die außenlaufende Treppe zur Dachterrasse ein spannendes Detail darstellt.

Nachdem Brenac & Gonzalez im Jahre 2017 den Wettbewerb für die Realisierung gewann, wurde der Wohn- und Gewerbekomplex kürzlich den Bauherren übergeben. Nun wird sich zeigen, ob das Ensemble das Potential dazu hat, entlang des Ourcq-Kanals zur Entwicklung eines belebten und grünen Quartiers beizutragen.

In der südfranzösischen Stadt Pau haben CoBe & Paysage das Laherrère-Zentrum entworfen, das einen Ort des Lebens, der Arbeit, der Ausbildung und der wirtschaftlichen Entwicklung darstellen soll.

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