Das finnische Architekturbüro Virkkunen & Co hat in Helsinki ein Wärmepumpengebäude aus Ziegel realisiert, das wichtiger Bestandteil des Übergangs zur kohlenstoffneutralen Energieerzeugung ist. Mehr über die Architektur des Wärmepumpengebäudes lesen Sie hier.
Nachhaltigkeitsstrategie
Der Ort und die Aufgabe waren für das finnische Architekturbüro Virkkunen & Co Architects nicht neu. Denn die Architekten entwarfen im Osten Helsinkis, in der Nähe des Hafens Vuosaari und der Ostsee bereits in der Vergangenheit zwei architektonische Wahrzeichen. Das Vuosaari Kraftwerk A aus dem Jahr 1987 und das Vuosaari Kraftwerk B aus dem Jahr 1998 bestimmen heute den Charakter der Industrielandschaft entschieden mit. Virkkunen & Co Architects schufen sich den Kontext für ihre neue Designaufgabe eines Wärmepumpengebäudes also gewissermaßen selbst. In unmittelbarer Nähe zu den bestehenden Kraftwerken wünschte sich der Auftraggeber – das finnische Energieunternehmen Helen Ltd. – das neue Kraftwerk als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Der Konzern bemüht sich um eine kohlenstoffneutrale Energieerzeugung bis 2030. Das neue Vuosaari Wärmepumpegebäude nutzt zukünftig überschüssige Prozesswärme der Kraftwerke A und B im Winter und Meerwasserwärme im Sommer zur Erzeugung von Fernwärme.
Minimalistischer Kasten
Für das Design orientierten sich Virkkunen & Co Architects also an der umliegenden Industrielandschaft und entwarfen einen minimalistischen Kasten, der sich in den Kontext der Umgebung nahtlos einfügt. Das Gebäude verfügt über zwei Stockwerke. Das Erdgeschoss besteht aus einem doppelhohen Raum, der die Hauptprozessausrüstung beherbergt. Auch die Elektro- und Kontrollräume befinden sich auf der gleichen Ebene. Im zweiten Stock ist der Maschinenraum angesiedelt. Diese Ebene ist über eine Außentreppe mit dem Dach verbunden.
Flügelförmige Ziegel
Ingesamt besteht das Gebäude aus einem Rahmen und einer Hülle aus vorgefertigten Betonteilen. Diese wurden außerhalb der Baustelle hergestellt und anschließend unkompliziert vor Ort als Fertigteile montiert. Im Inneren dominieren die Sichtbetonflächen die Atmosphäre. Nach außen hin ist der Kasten an den Längsseiten mit gesprenkeltem rotem Backstein verkleidet. Vom angrenzenden Parkplatz und der im Süden verlaufenden Straße, sowie vom Kraftwerk Vuosaari B aus, eröffnet sich auf diese Weise ein spannender Blick. Denn die Fassade ist nicht komplett in einem starren Stapelverband-Raster ausgeführt, sondern wird durch speziell für das Projekt angefertigte flügelförmigen Ziegel im oberen Bereich der Längswände ergänzt. Der Stapelverband tritt in Korrespondenz mit der gleichsam ausgeführt roten Ziegelverkleidungen des benachbarten Kraftwerks Vuosaari B. Die flügelförmigen Ziegel brechen diese Strenge auf. Die Fassaden des neuen Wärmepumpenkraftwerkes leben von diesem Kontrast zwischen den lebhaften, aber subtilen Farb- und Formvariationen der einzelnen Ziegel und ihrer durchdachten Anordnung.
Doppelte Fassade
Neben die Ziegelwände tritt die außergewöhnlich gestaltete Ostfassade. Diese ist dem Haupteingang zum gesamten Kraftwerksgelände zugewandt und übernimmt somit eine repräsentative Rolle. Sie ist doppelschalig ausgeführt, wobei die innere Schicht aus einer Glasfassade besteht, die mit hohen, dünnen Rohren aus weiß lackiertem Stahl verkleidet wurde. Neben der ästhetischen Komponente dient die Gestaltung gleichsam dazu, die Innenräume vor übermäßiger Hitze und Blendung durch die Sonne zu schützten. Durch das Arrangement vor der Glasfassade bleiben Einblicke ins Innere trotzdem möglich. Die internen Arbeitsabläufe bleiben dadurch für interessierte Besucher erfahrbar.
Diagonale Anordnung
Auch die Westfassade ist kontrastierend zu den Längsfassaden gestaltet. Sie weist ebenfalls eine doppelschalige Struktur auf. Außergewöhnlich wird hier das Thema der Zugänglichkeit inszeniert. Eine gerade Stahltreppe ist zwischen dem äußeren Schirm aus Metallstäben und einer inneren Schicht aus Ortbeton aufgehängt. Dabei sind die Stäbe diagonal im gleichen Winkel wie die trapezförmigen Ziegel an den Längsseiten des Gebäudes angeordnet. Durch diesen Kniff verfügen alle vier Seiten des Gebäudes über wiederkehrende Elemente. Die Metallstäbe und das Spiel mit der diagonalen Ausrichtung dienen somit als Motive, die subtil Bezüge aufbauen.
Zeitlose Industriearchitektur
Die Architektur des Wärmepumpengebäudes ist einerseits reduziert, dabei aber in Details und Materialität fein ausdifferenziert. So folgen die Fassadenbehandlungen und Details beispielweise der Logik der Geschosseinteilungen und Raumhöhen der Innenräume. Die Innenräume des Gebäudes treten somit nicht nur in Kommunikation mit dem Außen, sondern bringen das industrielle Gebäude auch in einen menschlichen Maßstab.
Das Vuosaari Wärmepumpengebäude dient nicht nur als Aushängeschild für das finnische Energieunternehmen Helen Ltd., sondern wurde 2022 auch mit dem Architecture MasterPrize in der Kategorie „Industriegebäude“ ausgezeichnet. Die Auszeichnung würdigt die „nahtlose Integration in die umliegende Industrielandschaft, den nachhaltigen Energieansatz und die durchdachte Kombination von Materialien und Oberflächen.“ Virkkunen & Co Architects ist mit dem Vuosaari Wärmepumpengebäude ohne Zweifel ein herausragender Beitrag zu zeitloser Industriearchitektur gelungen, die statt großer Gesten auf ausgeklügelte Details und Angemessenheit setzt.
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