Die Baupreise in Deutschland steigen im Vergleich zum Frühjahr 2022 langsamer an. Im vergangenen Jahr waren die in die Höhe schnellenden Kosten zum Auftakt des russischen Kriegs gegen die Ukraine grundlegend. Zudem haben sich viele Rohstoffe sowie die Energiepreise stark verteuert. Doch wie sieht die Situation heute aus und worauf ist sie zurückzuführen? Was bedeutet das für den ohnehin stark verknappten Wohnungsmarkt in Deutschland? Lohnen sich die Bauprojekte für Investoren und Projektentwickler noch?
Wohnungsmarkt in Deutschland im Rückwärtstrend
Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Menschenrecht auf Wohnen ist Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard, wie es in Artikel 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) heißt. Nun ist in Deutschlands Metropolen der Wohnraum sehr knapp und dazu sehr teuer, damit das Recht auf angemessenen Wohnraum oft nicht einlösbar. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich zum Ziel gesetzt, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen in Deutschland gebaut werden. Das gilt aktuell als sehr unwahrscheinlich. So titelte die Wirtschaftswoche am 29. Juni dieses Jahres, dass die „Zahl neuer Wohnungen pro Jahr deutlich unter Schnitt seit 1950“ gesunken sei.
„Der Wohnungsbau in Deutschland ist trotz der gesetzten Ziele der Bundesregierung rückläufig“, heißt es dort weiter. Laut Statistischem Bundesamt wurden seit Beginn der Baustatistik 1950 jährlich 405.000 neue Einheiten fertiggestellt. In 2022 lag die Zahl neuer Wohnungen mit 295.300 rund 27 Prozent unter dem Durchschnitt. Den bisher höchsten Stand an Wohnungsneubauten gab es im Jahr 1973 mit 714.200 Wohnungen, nach der deutschen Wiedervereinigung war 1995 das Rekordjahr mit rund 602.800 Einheiten im gesamtdeutschen Bundesgebiet.
Vom Immobilien-Boom zum Kosten-Wucher
Die wenigsten Wohnungen wurden im Zuge der globalen Finanzmarktkrise 2009 fertiggestellt: Im damaligen Rezessionsjahr waren es nur 159.000 Fertigstellungen. Seitdem ist der Wohnungsbau bis 2020 auf 306.400 Fertigstellungen kontinuierlich gestiegen, weil viele Investoren und Projektentwickler auf den boomenden Immobilienmarkt gesetzt haben. Zudem konnten sich Menschen dank niedriger Zinsen den Traum vom Eigenheim erfüllen.
Wegen der Zinswende der Europäischen Zentralbank und der gestiegenen Baukosten ist der Wohnungsbau in Deutschland inzwischen eingebrochen. Verschärft hat sich diese Lage auch durch die Abnahme(auch Bauabnahme genannt) ist ein wichtiger Schritt im Bauprozess, bei dem das fertiggestellte Bauwerk von einem externen Gutachter oder einem Vertreter des Bauherren begutachtet und abgenommen wird. Dabei wird geprüft, ob das Gebäude den Bauplänen und Vorschriften entspricht und keine Mängel aufweist. an Baugenehmigungen. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet, dass dieses Jahr maximal 250.000 Wohnungen fertig werden. Und der Branchenverband ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.) geht davon aus, dass 2025 rund 700.000 Wohnungen fehlen werden.
Multiplikator: Steigende Ansprüche
Mit dem gesellschaftlichen Wandel und dem zunehmenden Wohlstand wuchsen in den letzten dreißig Jahren auch die Ansprüche der Menschen. So hatte eine Person Ende 2021 im Schnitt 47,7 Quadratmeter Wohnfläche und 2,3 Wohnräume zur Verfügung. Im Jahr 1991 waren es nur 34,9 Quadratmeter und 1,8 Wohnräume. Das entspricht einem Anstieg der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf um rund 37 Prozent innerhalb von 30 Jahren. Die Durchschnittsgröße einer Wohnung wuchs in dieser Zeit von 82,1 Quadratmetern auf 92,1 Quadratmeter.
Baupreise im Detail
Wer bauen oder sanieren möchte, muss sich weiterhin auf steigende Kosten einstellen. Die Preise klettern jetzt etwas langsamer als im Vorjahr nach oben, aber die Basisdaten von 2022 beruhten auf volatilen Krisenzeiten. Deutlich angestiegen sind in diesem Jahr zum Beispiel die Kosten für Dach- und Erdarbeiten und für Heizanlagen. Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten erhöhten sich um 10,8 Prozent, Erdarbeiten um 9,4 Prozent. Die Preise für Ausbauarbeiten nahmen um 11,7 Prozent zu, die für Heiz- und zentraleZentrale: Eine Zentrale ist eine Einrichtung, die in der Sicherheitstechnik als Steuerungszentrum für verschiedene Alarmvorrichtungen fungiert. Sie empfängt und verarbeitet Signale von Überwachungseinrichtungen und löst bei Bedarf Alarm aus. Wassererwärmungsanlagen um 14,9 Prozent. Die Kosten für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude stiegen im Mai 2023 um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Rohbauarbeiten an Wohngebäuden kosteten im Mai 2023 5,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Betonarbeiten verteuerten sich dabei um 2,8 Prozent. Bei Mauerarbeiten zogen die Preise um 7,4 Prozent an. Die Neubaupreise für Bürogebäude stiegen im Mai 2023 ebenfalls, und zwar um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei gewerblichen Betriebsgebäuden betrug der Anstieg 8 Prozent, im Straßenbau 10,5 Prozent. Instandhaltungsarbeiten an Wohngebäuden kosteten 11,7 Prozent mehr als im Mai 2022. Alle Angaben beziehen sich auf Bauleistungen am Bauwerk einschließlich Mehrwertsteuer. Es gab jedoch auch Leistungen, die günstiger wurden: Zimmer- und Holzbauarbeiten sind um 2,7 Prozent günstiger als im Vorjahr.
Fachkräftemangel und steigende Zinsen
Stornierungen von Bauvorhaben infolge gestiegener Material- und Zinskosten haben sich ebenfalls negativ auf die Situation ausgewirkt. Dabei stehen nicht nur die Materialkosten im Vordergrund als treibende Kraft, sondern auch die Vergütung des Personals. Der Fachkräftemangel setzt auch der Baubranche zu und begünstigt den Anstieg der Kosten. Im Zusammenhang mit den wachsenden Ausgaben ist der Wohnungsbau in Deutschland abermals rückläufig: In diesem Jahr dürften lediglich rund 245.000 und 2024 sogar nur 210.000 Wohnungen in Neubauten fertiggestellt werden.
Staat verfehlt Bauziel
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. (Ifo) geht davon aus, dass 2025 lediglich etwa 200.000 Wohneinheiten entstehen werden. Das Ziel der Bundesregierung 400.000 Wohnungen jährlich zu bauen wäre somit um 50 Prozent verfehlt. Gründe sind vor allem die Verteuerung der Finanzierung und der Bauleistungen. Dazu hat der Bund die Neubauförderung drastisch zurückgefahren und die Standards für den Neubau Anfang 2023 abermals verschärft und den Standard EH55 als Basis eingeführt. Nun spielt der PrimärenergiebedarfPrimärenergiebedarf – Der Energiebedarf, der direkt in Form von Primärenergie bereitgestellt wird, um ein Gebäude mit Heizung, Kühlung und Beleuchtung zu versorgen. die entscheidende Rolle, der bei dem ReferenzgebäudeReferenzgebäude – Ein fiktives Gebäude, das als Vergleichswert in der Gebäudeenergieberechnung verwendet wird. von bisher 75 Prozent auf 55 Prozent reduziert wurde.