Mariendom,
Frank Barkow & Regine Leibinger,
1969 n. Chr.
In ihrem Buch „Reminiscence“ porträtieren Benedict Esche und Benedikt Hartl die besondere Beziehung zwischen Bauwerk und Architekt. Dort kommen wegweisende Architekten zu Wort, die über ihre architektonische Prägung und deren Einfluss auf die eigene Arbeit schreiben. Hier erkären Frank Barkow und Regine Leibinger die Bedeutung der Wallfahrtskirche in Neviges von Gottfried Böhm:
„Es wäre leicht vorstellbar, dass Gottfried Böhm den Pritzker-Preis 1986 allein aufgrund der Bedeutung des Mariendoms, seiner Wallfahrtskirche in der Kleinstadt Neviges, erhalten hat. Der Bau ist eine erstaunliche LeistungLeistung – Energie pro Zeiteinheit, die von einer Maschine oder Anlage erzeugt wird.: die Kulmination der höchsten Ansprüche des deutschen Expressionismus, realisiert als wahre Stadtkrone – ein vollkommenes Meisterwerk. Tektonisch und materiell ein Gewaltakt des Neuen Brutalismusist eine Architekturströmung, die in den 1950er Jahren in England entstanden ist. Dabei werden oft rohe, unverputzte Betonflächen verwendet, die dem Bauwerk eine grobe und kraftvolle Erscheinung verleihen. Brutalismus wurde oft verwendet, um sozial- oder öffentliche Bauten wie Schulen, Wohnblocks oder Bibliotheken zu gestalten. Der Begriff Brutalismus geht zurück auf…, steht er im Einklang mit dem berühmten Zitat von Peter und Alison Smithson: ‘Der Brutalismus versucht, der Gesellschaft der Massenproduktion zu entsprechen und den verworrenen und starken Kräften, die am Werke sind, eine raue Poesie zu entreißen.’ Die 1968 fertiggestellte Kirche bündelt auf radikale Weise die Kräfte einer extrem turbulenten Zeit, in der eine technologisch versierte Ästhetik politisch, kulturell und gesellschaftlich zugunsten einer skulpturalen, subjektiven und archaischen Ästhetik abgelehnt wurde. Einfühlsam und umsichtig hat Böhm eine Gebäudeform entwickelt, die sich, zum einem seltsam abstrakt und gleichzeitig formal den Giebelformen der umliegenden Gebäuden ähnelnd, in die Kleinstadt einfügt.
Alle Oberflächen des Gebäudes, also Innen-, Außenwände und Dach, sind aus OrtbetonDie Ortbetonbauweise bezieht sich auf die Konstruktion von Betonstrukturen vor Ort, anstatt sie aus vorgefertigten Teilen zusammenzusetzen. Dies erfordert eine Form, in die der Beton gegossen und ausgehärtet wird. Es ist eine häufige Methode für den Bau von Fundamenten, Wänden und Decken in modernen Gebäuden.. Der Grundriss ist von einer wellenförmigen Umrisslinie bestimmt, die eine Abfolge zellenförmiger Nischen ausbildet. Diese steigen in ihrer Höhe an und definieren damit ein kristallines Gebäudevolumen. Die asymmetrische, alles umfassende GebäudehülleGebäudehülle: die äußere Hülle eines Gebäudes, die aus Dach, Wänden und Fenstern besteht und als Barriere gegen Wärme oder Kälte dient. Die Gebäudehülle ist im Wesentlichen die äußere Umhüllung eines Gebäudes, die es vor Witterungseinflüssen und Umwelteinflüssen schützt. Jedes Gebäude verfügt über eine Gebäudehülle, die aus vielen verschiedenen Teilen besteht…. verstärkt diesen visuellen Eindruck. Beim Eintreten in die Kirche wird der Besucher von Dunkelheit eingehüllt, was ihn nötigt zu warten, bis sich die Augen an das wenige TageslichtTageslicht: Natürliches Licht, das während des Tages durch die Fenster oder Oberlichter in ein Gebäude strömt. gewöhnt haben. Erst dann wird ein erhabenes LichtLicht: Licht bezeichnet elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums. In der Architektur wird Licht zur Beleuchtung von Räumen oder als Gestaltungselement eingesetzt. erkennbar, das durch die tiefen Kirchenfenster fällt und die fast mystische Dämmerung durchdringt. Vom Architekten selbst mit symbolischen Figuren wie einer Schlange, einer Rose, oder dem heiligen Geist in Form von komplexen geometrischen Mustern und FarbenFarben: Verschiedene Empfindungen, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt werden. gestaltet, rufen die Fensterist eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes, die Licht, Luft und Blick nach draußen ermöglicht. Es gibt verschiedene Arten von Fenstern, die sich in Größe, Form und Material unterscheiden können. Das Fenster ist ein wesentlicher Bestandteil der Gebäudearchitektur und hat sowohl funktionale als auch ästhetische Bedeutung. Es ist eine… ein prächtiges, lebendiges und gesättigtes Licht hervor, das die Dunkelheit erleuchtet – ein kontemplativer, in sich gekehrter Innenraum von außergewöhnlicher Kraft. Böhm erinnert eine junge, mit digitalen Technologien hochgerüstete Generation von Architekten daran, wozu die pure Kraft architektonischer Erfindung imstande ist – nämlich strahlend authentische Architektur zu schaffen. Sowohl in Architektur als auch Skulptur bewandert, synthetisiert Böhm beide Disziplinen nahtlos. Das schöne, kleine Metallmodell der Kirche, das sich im Hof befindet, ist ein bescheidendes Denkmalist ein Bauwerk, eine Anlage, ein Kunstwerk oder ein technisches Kulturgut, welches aufgrund seiner geschichtlichen, künstlerischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bedeutung unter Denkmalschutz steht. für diese gigantische Leistung.“
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