10.12.2020

Gewerbe

AVOS: Debut im Weinberg

Einfamilienhaus

„Avos“, das Erstlingswerk des jungen österreichischen Architekten Oliver Steinbauer, ist eine Familienangelegenheit: Er baute das Haus für seinen Bruder im Weinberg des Großvaters. Der Name zollt den Vorfahren Respekt.

Die Lieblingsperspektive des Architekten: Das Eintreten aus dem rund vier Meter hohen Eingangs- in den höhergelegenen Wohnbereich.
Biologisches Fassadenmaterial: Das Haus ist mit verkohlter Lärche verkleidet.

Rund 60 Kilometer von Wien entfernt, am südlichen Rand der niederösterreichischen Thermenregion, steht ein Einfamilienhaus zwischen Weinreben. Der 2018 fertiggestellte Bau ist das Erstlingswerk des jungen Architekten Oliver Steinbauer. Die ersten Konzepte entwarf er bereits als Student für seinen Bruder, den Bauherrn. Dieser übernahm nach dem Tod des Großvaters den Familienweingarten und die Liebe zum Winzerhandwerk. Seinen ersten Rotwein widmete er entsprechend seinen Vorfahren – lateinisch avos. Und eben jenen Namen trägt nun auch die Architektur von Oliver Steinbauer: „Avos“.

Nahezu Ton in Ton fügt sich die dunkle Architektur in den flachen Weinberg ein, nimmt sich zurück – formstreng und charakterfest. Die Fassade betont die Anmut des quaderförmigen Baus und teilt ihn optisch in zwei Geschosse: Eine große Glasfront umgibt dreiseitig den ebenerdigen Wohnraum, während der Rest des Hauses mit verkohlter Lärche verkleidet ist. Die Fenster sind kaum erkennbar. Das skulpturale Äußere der Architektur löst sich im Innern in ein verspieltes, offenes und helles Raumgefüge auf.

Was von außen nicht sichtbar ist, sind die Split-Level-Geschosse, die das Haus in Quer- und Längsrichtung in fünf Halbetagen gliedert. Ins Erdreich eingelassen ist der Weinkeller, so dass er optimal temperiert ist.


Ansichtssache

Die beiden Schlüsselelemente des Hauses – den offenen Wohnraum und die Split-Level-Bauweise – entwickelte der Architekt in enger Zusammenarbeit mit seinem Bruder und seiner Schwägerin. Gemeinsam diskutierten sie Sonntag für Sonntag beim Familienmittagessen die Konzepte. Maßgeblich bestimmen nun unterschiedliche Sichtachsen und Perspektiven die Raumwirkung des Hauses. Eine der Lieblingsperspektiven von Oliver Steinbauer entfaltet sich beim Eintreten aus dem rund vier Meter hohen Eingangs- in den höhergelegenen Wohnbereich. Hier tragen vier schwarze Stahlstützenpaare die Deckenstahlträger und strukturieren zusammen mit den schwarzen Fensterrahmen den Raum. Diese drei gliedernden Elemente nehmen mit ihrem gleichmäßigen Rhythmus Bezug auf die umliegenden Weinreben und binden diese in den Wohnbereich ein.

Im Innenraum dominieren sandgestrahlte Betondecken, Stahl, Sichtestrich, weißes Corian und naturgeölte Eiche.
Der gleichmäßige Rhythmus der schwarzen Details nimmt Bezug auf die Weinreben und binden diese in den Wohnbereich ein.

Auf der Suche nach einem biologischen Fassadenmaterial stieß der Architekt auf das Verfahren, Holz durch Verkohlung zu konservieren. „Und so ist eigentlich eines zum anderen gekommen. Es ist aus dem Prozess heraus entstanden“, verrät Steinbauer, der oft auf diese Material- und Farbwahl angesprochen wird. Anfangs sei die Familie skeptisch gewesen. Inzwischen habe sie jedoch die Gründe für die Entscheidung verstanden und sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis. „Eine weiße Putzfassade könnte sich niemals harmonisch in den Hang eingliedern“, sagt Steinbauer. Die verkohlte Lärche umgibt die Architektur dagegen wie ein schwarzer samtiger Schleier, während mattschwarze Portale unauffällig anfügend die hohen, schmalen Fensteröffnungen und die Eingangstür rahmen.
In den Abendstunden verschwindet das Haus nahezu ganz in dem Schleier, nimmt die Textur des dahinterliegenden Waldes auf und reduziert sich auf den erleuchteten Wohnraum wie eine Pavillonarchitektur. Es ist eben ein Haus mit vielen Perspektiven.

Nahezu Ton in Ton fügt sich die dunkle Architektur in den flachen Weinberg ein, nimmt sich zurück – formstreng und charakterfest.
In den Abendstunden reduziert sich das Haus auf den erleuchteten Wohnraum wie eine Pavillonarchitektur.

„Avos“: Preisgekrönt

Frisch aus dem Studium, das erste eigene Projekt, wenig Budget: Aus diesen Startlöchern heraus landete Oliver Steinbauer mit „Avos“ auf dem Siegertreppchen. Beim „German Design Award 2021“ wurde das Einfamilienhaus mit Gold in der Kategorie „Excellent Architecture“ ausgezeichnet. Auch in der Award-Publikation „Häuser des Jahres 2020“ ist „Avos“ zu finden. Mit der stetig steigenden Aufmerksamkeit erreichte das Einfamilienhaus sogar die Filmbranche: Im nächsten Sommer wird das Haus als Drehort in einer Tatort-Folge zu sehen sein.

Alle Fotos: STEINBAUER architektur+design

Lesen Sie hier über das Siegerprojekt des Awards „Häuser des Jahres 2020“ von Aretz Dürr Architektur.

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