21.03.2023

Öffentlich

Neue Skulptur von Anish Kapoor in New York City

Hochhaus Kultur Stahl
Anish Kapoors erstes dauerhaftes öffentliches Kunstwerk in New York City. Foto: ©Iwan Baan
Anish Kapoors erstes dauerhaftes öffentliches Kunstwerk in New York City. Foto: ©Iwan Baan

 Am 31. Januar 2023 wurde das erste permanente Kunstwerk von Anish Kapoor in New York City eröffnet. Die bohnenförmige Struktur hat sowohl Lob als auch Kritik geerntet. Lesen Sie hier mehr über das Projekt von Anish Kapoor und den angrenzenden Jenga Tower.


Ein neues Kunst-Highlight in Tribeca

Der britisch-indische Bildhauer Anish Kapoor hat sein erstes dauerhaftes öffentliches Kunstwerk in New York City geschaffen. Das Werk, dessen Titel noch nicht feststeht, befindet sich in der 56 Leonard Street in Tribeca. Es ist 14 Meter lang, fast sechs Meter hoch und wiegt 40 Tonnen. Sein Aussehen ähnelt dem berühmten Cloud Gate oder „The Bean“ in Chicago, dem bekanntesten Werk des Künstlers (2006). Der ArcelorMittal Orbit im Londoner Olympiapark (2012) und der Sky Mirror in New York City (2006) sind weitere Beispiele für die Kunst von Sir Anish Mikhail Kapoor. Der Künstler wurde 1954 in Mumbai geboren.

Die Skulptur, die am 31. Januar 2023 enthüllt wird, befindet sich teilweise unter dem von Herzog & de Meuron entworfenen Wohngebäude Jenga Tower. Sie steht auf dem Bürgersteig am Fuße des Turms, sodass der Eindruck entsteht, sie sei unter eine der auskragenden Wohnungen gequetscht. Diese Interaktion mit dem Gebäude verleiht der Skulptur den Charakter eines Kunstwerks. Nach Angaben der Bauherren hat Anish Kapoor eine „noch nie dagewesene Zusammenarbeit zwischen Skulptur und Architektur“ geschaffen.

 


Mini-Bean

Das Projekt wurde vor 15 Jahren in Auftrag gegeben, doch eine Kombination aus wirtschaftlichem Abschwung, Pandemie und technischen Schwierigkeiten hat den Bau verzögert. Jetzt ist die Skulptur von Anish Kapoor jedoch endlich für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie ist bereits zu einem beliebten Selfie-Spot für die vielen Kunstliebhaber im Galerienviertel Tribeca geworden. Einer ihrer Spitznamen ist „Mini-Bean“, weil sie rund 3,6 Meter kürzer ist als The Bean in Chicago.

Foto: ©Iwan Baan
Die Mini-Bean schmiegt sich an den Jenga Tower in 56 Leonard Street an. Fotos: ©Iwan Baan
Foto: ©Iwan Baan

Weich und flüchtig

Anish Kapoor hat sich zu seinem neuen Werk wie folgt geäußert: „Die Stadt kann sich frenetisch, schnell und hart anfühlen, mit imposanter Architektur, Beton und Lärm. Mein Werk in der Leonard Street 56 schlägt eine Form vor, die zwar aus Edelstahl besteht, aber auch weich und flüchtig ist. Spiegel bringen uns dazu, innezuhalten, in einer Weise absorbiert und gezogen zu werden, die die Zeit unterbricht, sie vielleicht verlangsamt; es ist ein Material, das eine neue Art von immateriellem Raum schafft“.

Mit seiner Skulptur trägt der Künstler zur Identität der Stadt und insbesondere von Tribeca bei. Das bohnenförmige Kunstwerk ist eines von vielen Werken der letzten Jahre, die sich mit dem Publikum außerhalb von Museen auseinandersetzen. In ähnlicher Weise haben beispielsweise Ai Weiwei und andere Bildhauer Kunstwerke in den öffentlichen Raum gebracht.

Foto: ©Iwan Baan
Foto: ©Iwan Baan

Der Jenga Tower von Herzog & de Meuron

Um die neue Skulptur von Anish Kapoor zu verstehen, muss man sich das Gebäude Jenga Tower in der 56 Leonard Street genauer ansehen. Die Studios Herzog & de Meuron und Hill West Architects präsentieren einen Turm aus übereinander gestapelten einzelnen Wohneinheiten, der schnell den Spitznamen „Jenga Tower“ erhielt. Das Gebäude besteht aus sich verschiebenden Bodenplatten, die Auskragungen und Balkone bilden. Dadurch ergibt sich ein vervielfachter Raum für die Bewohner.

Trotz seiner Größe verleiht die Variation der Formen dem Turm einen individuellen und fast intimen Charakter. Der Sockel des Gebäudes reagiert auf die Identität von Tribeca, indem er unterschiedlich große Einheiten aufweist, die die verschiedenen Maßstäbe des Viertels widerspiegeln. Die Spitze des ausgewogenen Turms hat eine wellenförmige Form, die mit dem Himmel verschmilzt. Mit insgesamt 57 Stockwerken ragt der Wolkenkratzer 250 Meter in die Höhe und ist damit das 35. höchste Gebäude in New York City.

 


Zugänglich und Wahrnehmbar

Der Jenga Tower ist von innen nach außen gestaltet und verleiht so jedem der 145 Apartments eine eigene Identität. Denn je nach Blickwinkel und Perspektive ist das Erscheinungsbild des Jenga Tower sehr unterschiedlich. Als einer von vielen luxuriösen Wohntürmen in der Stadt bietet 56 Leonard Street auch wunderschöne Ausblicke auf die Stadt. Durch das Kunstwerk von Anish Kapoor wird das Gebäude für die Öffentlichkeit, die ebenerdig vorbeigeht, besser zugänglich und wahrnehmbar.

Übrigens: Mehr über die teuersten Wolkenkratzer der Welt lesen Sie hier

Foto: ©Iwan Baan
Der Jenga Tower. Fotos: ©Iwan Baan
Foto: ©Iwan Baan

Kritik an der Skulptur von Anish Kapoor

Die glänzende, bauchige „Bean“-Skulptur in Tribeca hat bereits viel Kritik geerntet. Mit einem Kostenpunkt zwischen 8 und 10 Millionen USD ist sie eine der teuersten Skulpturen in New York City. Beobachter kommen nicht umhin, sie mit der „Cloud Gate“- oder „Bean“-Skulptur von 2006 in Chicago zu vergleichen. Allerdings ist die Chicagoer Bohne freistehend, während die Tribeca-Bohne unter dem Vordach des Jenga-Turms eingeklemmt scheint. Hinter dem Jenga Tower steht das Immobilienunternehmen Alexico Group, das auch Kapoors Skulptur in Auftrag gegeben hat. Im Jahr 2016 kaufte der Künstler selbst eine Eigentumswohnung in dem Gebäude in der 56 Leonard Street für 13,6 Millionen USD.

Viele Jahre lang war Kapoors Tribeca-Bean nur teilweise fertiggestellt und von einem Gerüst umgeben. Große Teile der verspiegelten Hülle fehlten, was ihm den Spitznamen „halbe Bohne“ einbrachte. Die technische Komplexität verlangsamte den Prozess und beeinträchtigte sowohl die Montage als auch die Installation.

 


Aufhängesystem

Während The Cloud in Chicago mit einem einzigen großen Stützrahmen frei steht, verfügt die Skulptur in der Leonard Street über ein komplexes Aufhängungssystem. Jede einzelne Scheibe der Skulptur hat ihren eigenen Stützrahmen. Die Stützrahmen für die unteren Teile sind mit dem Platz verschraubt, während die Scheiben selbst an Seilen aufgehängt sind. Federelemente ermöglichen es der Mini-Bean, sich bei Wind, Schneelast oder Temperaturschwankungen leicht zu bewegen.

Foto: ©Iwan Baan
Foto: ©Iwan Baan

Öffentliche Kunst als Teil eines Luxusprojekts?

Während die „Cloud Gate“-Bean in Chicago bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt ist, muss sich die „von einem Luxusgebäude zerquetschte Hülsenfrucht“ in New York City erst noch bewähren. ARTnews beispielsweise bezeichnete die Mini-Bean als „hässlich“ und kritisierte ihre Verbindung mit einem privaten Luxusturm. Die Bean war immer Teil des Bauplans gewesen. Doch während 56 Leonard Street bereits vor über fünf Jahren fertig gestellt wurde, dauerte es bis zur Eröffnung der technisch anspruchsvollen Skulptur noch viel länger. Trotz dieser langen Zeitspanne haben Beobachter festgestellt, dass diese Mini-Bean weniger elegant ist als Kapoors frühere Arbeiten.

Für die Mini-Bean gibt es nun eine weitere praktische Herausforderung: Renderings der Skulptur zeigen eine glänzende, makellose Oberfläche. In Wirklichkeit sind die Stahlplatten bereits mit Wasserflecken übersät. Die Arbeiter sind noch dabei herauszufinden, wie die Skulptur am besten sauber gehalten werden kann.

 


gestreckte, verzerrte Bilder

Gleichzeitig hat die Mini-Bean von Anish Kapoor aber auch eine Wirkung auf die Besucher. Die gestreckten, verzerrten Bilder erwecken den Eindruck, als würde der Bürgersteig unter dem Gewicht nachgeben und einknicken. Und die vielen Besucher zeigen, dass Kapoor trotz der Tatsache, dass sie Teil eines Luxus-Wolkenkratzers ist, tatsächlich öffentliche Kunst geschaffen hat. Ob die Besucher den Mini-Bean tatsächlich bewundern oder sich vor allem in ihm spiegeln wollen, bleibt der Interpretation überlassen.

Noch mehr Kunst in NYC: Bis zum 29. Juli 2023 zeigt die Ausstellung „Architecture Now“ im MoMA 12 aktuelle Architektur-Projekte in New York.

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