Die Ausstellung „Architecture Now“ im MoMA zeigt aktuelle New Yorker Architektur-Projekte bis zum 29. Juli 2023. Was alle 12 Projekte gemeinsam haben? Sie transportieren eine soziale, diverse und/oder nachhaltige Botschaft.
Monuments Project
General Toussaint L’Ouverture auf mitten dem Columbus Circle? Der „schwarze Napoleon“, der den Aufstand der Haitianer gegen die Franzosen anführte, könnte Christoph Kolumbus ersetzen. In New York wird schon lange über die Statue des Entdeckers gestritten, denn der gilt inzwischen als brutaler kolonialer Ausbeuter. Nun kann der steinerne Kolumbus immerhin digital aus – und der haitianische Revolutionsführer eingeblendet werden. Denn Kinfolk, ein Kunstverein aus Brooklyn, hat dazu das „Monuments Project“ entwickelt, das schwarze und indigene Menschen im Stadtraum sichtbar machen soll. Das geschieht allerdings nicht in der Realität, sondern durch das Smartphone, mithilfe einer AppAPP: APP steht für „ataktisches Polypropylen“ und ist ein Material, das oft bei der Produktion von Bitumen-Abdichtungsbahnen eingesetzt wird.. Damit kann der Besucher herumspazieren und ein diverseres New York auf dem Schirm schaffen.
Das „Monuments Project“ ist eines von zwölf Beispielen von Architektur im öffentlichen Raum, die das Museum of Modern Art in der Ausstellung „MoMA Architecture Now: New York, New Publics“ vorstellt. Manche der Projekte sind riesig, wie der Freshkills Park auf Staten Island, wo der Schutt des World Trade Centers gelagert wurde. Hier gestalten James Corner Field Operations den (fast) größten Park von New York; ein Vorhaben, das noch Jahre dauern wird. Oder auch Hunter’s Point in Long Island City, eines der größten Sozialwohnungsprojekte der Stadt, das von dem South Waterfront Park am East River umgeben ist; mit Blick auf die Skyline von Manhattan. Hier haben Marion Weiss und Michael Manfredi ein mit Sümpfen und flachen Stellen durchsetztes „sanftes“ Ufer geschaffen, das Flutwasser auffangen soll.
Ausstellung mit Zeitgeist
Andere Projekte sind klein, wie eine alte Gießerei in Brooklyn, die zu einem Theater umgebaut wurde, wobei die Architekten Ruth Mandl und Bobby Johnston von CO Adaptive das historische Holzgerüst erhalten haben. Oder die „TestBeds“, eine Idee von New Affiliates und Samuel Stewart-Halevy. Hier werden lebensgroße Modelle von Architekturentwürfen in Stadtteilparks zweitverwertet. Oder die Hydranten von Tei Carpenter und Chris Woebken, die Wasser für Menschen und Tiere spenden.
Die Ausstellung „MoMA Architecture Now“ ist sehr zeitgeistig. NachhaltigkeitNachhaltigkeit: die Fähigkeit, natürliche Ressourcen so zu nutzen, dass sie langfristig erhalten bleiben und keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Nachhaltigkeit in der Architektur – Gebäude, die die Umwelt schützen und gleichzeitig Ästhetik und Funktionalität bieten Nachhaltigkeit und Architektur sind zwei Begriffe, die heute mehr denn je miteinander verbunden… war ein Kriterium dafür, welches Projekt aus hunderten ausgesucht wurde; Stadtgeschichte ein anderes – die findet sich etwa in Mosaiken eines Gewerkschaftshauses am Times Square wieder, die Martin Luther King zeigen. Diversity war das dritte Auswahlkriterium. Die wird anhand des Brooklyner Stadtteils Sunset Park reflektiert, wo Menschen aus mehr als sechzig Ländern wohnen. Deren Kultur widmete Olalekan Jeyifous bunte Glaspanele in der Hochbahn – mit Tacos und Kebab, Lasagne und Borscht.
Fehlender Realitätsbezug
Allerdings: Der rote Faden in den Projekten von „MoMA Architecture Now“ ist nur schwer erkennbar. Und gelegentlich wundert man sich auch, ob die Idee das reale New York widerspiegelt. Etwa der UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. eines Pools im Stadtteil Bedford-Stuyvesant: Die öffentlichen Schwimmbäder in New York haben nur zehn Wochen im Sommer geöffnet, deshalb schlug das Büro „Only If“ vor, den „People’s Pool“ durch eine Überdachung länger nutzen zu können. Aber das ist kein bauliches Problem, die Stadt müsste nur das Personal für eine längere Öffnungszeit bereitstellen. Ähnlich die Verschönerung des Sozialwohnungsblocks Cooper Park Houses in Brooklyn. Dafür haben die Architekten Miriam Peterson und Nathan Rich vom Büro Pro begrünte Balkons und kleine Gärten entworfen. Aber das Defizit liegt an der fehlenden Bereitschaft der Stadt, Aufwertungen zu bezahlen.
Ähnlich fehlt auch dem gut gemeinten „Monuments Project“ der Bezug zur New Yorker Realität. Bereits die Statue von Kolumbus ehrt weniger den Entdecker selbst; sie war vielmehr eine Geste an die Millionen von italienischen Einwanderern, die erst hunderte von Jahren später kamen. Und Kolumbus hat Amerika mitnichten für Italien in Besitz genommen, sondern für die spanische Krone, übrigens auch gar nicht Nordamerika, sondern nur die Karibik. Noch weniger Beziehung zu den USA hat allerdings Toussaint L’Ouverture: Seine Eltern wurden von afrikanischen Stammesfürsten an Frankreich verkauft und dann in die Sklaverei nach Santo Domingo verschifft; er selbst kämpfte sowohl gegen als auch für Frankreich. Nur eins war er gewiss niemals: Amerikaner.
Wie das neue Ausstellungskonzept des MoMAs nach seiner Wiedereröffnung 2019 aussieht, können Sie hier nachlesen.
MoMA Architecture Now: New York, New Publics | 19. Februar bis 29. Juli 2023 | The Museum of Modern Art, New York