Martino Libisch hat sich bei der Baumeister Academy – unserem Studentenwettbewerb, dessen Gewinner Praktika in spannenden internationalen Architekturbüros absolvieren – einen Praktikumsplatz bei Jürgen Mayer H. gesichert. Hier schreibt er, wie es ihm bisher in Berlin ergangen ist.

Ich muss gestehen, dass Deutschland auf meiner Liste vergangener und zukünftiger Auslandsaufenthalte bisher nicht besonders hoch gereiht war. Das liegt hauptsächlich an der kulturellen Nähe zu Österreich und der nicht vorhanden Möglichkeit, eine Fremdsprache zu lernen oder zu verbessern. Wenn schon ins Ausland, dann zumindest mit leichten Kommunikationsproblemen, dachte ich immer. Nun finde ich mich dank der Baumeister Academy in Berlin wieder. Und ehr gerne habe ich mich eines Besseren belehren lassen: es ist schön und inspirierend, hier zu sein!

Die Anreise aus Wien war mir leider nur sehr knapp vor Praktikumsbeginn möglich. So bin ich Freitags nachts in Berlin angekommen. Nach einem recht ruhigen ersten Wochenende ging es montags schon los mit dem ersten Arbeitstag bei Jürgen Mayer H.

Das Büro liegt zentral in einem Altbau zwischen dem Ku’damm und dem Savignyplatz. Mit einem etwa 100 Jahre alten, holzvertäfelten und restaurierten Lift fährt man hinauf in den dritten Stock, vor die Türe des Büros. Nach einer freundlichen Begrüßung begann mein erster Arbeitstag – mit einem Rundgang durch das helle und großzügige Büro.

Ein erstes Kennenlernen mit den neuen Kollegen war natürlich Teil der Einführung. Zur Zeit arbeiten auf drei großen Räume verteilt etwa fünfzehn Architekten und fünf Praktikanten unter anderem mit französischen, niederländischen, spanischen, und ukrainischen Hintergrund. Der erste Eindruck und der erste Blick auf Ausdrucke, Bildschirme und Modelle versprachen schon am ersten Arbeitstag spannende und abwechslungsreiche Monate!

Ähnlich spannend verhielt es sich mit der Stadt selber. Ich war noch nie zuvor in Berlin gewesen. Eine beinahe skandalöse Tatsache, ich weiß. Sehr intensiv waren meine Vorbereitungen nicht, aber dennoch, ein wenig wusste ich bereits. Noch etwas mehr hörte ich von Freunden und Bekannten.
Viele Menschen zieht es nach Berlin, oder zumindest schwärmt fast jeder Besucher von der Stadt. Bei all dem Hype war ich ein wenig skeptisch: Anderseits gab es auch kaum negative Kommentare über Berlin – und gleich mal vorweg: Viele Klischees, Gerüchte und Geschichten haben sich bewahrheitet. Die Straßen sind zwei bis viermal breiter als in Wien, der Döner ist ausgezeichnet, das Tempelhofer Flugfeld ist in seiner ganzen Leere beeindruckend, das Stadtbild kontrastreich, die Gentrifizierung sichtbar und die Wohnungssuche ein Geduldspiel. Seid gewarnt, zukünftige Wahlberliner, es braucht Ausdauer, Glück oder ein wenig mehr Geld, um eine gute Bleibe zu finden.

Zwar blieb neben der Arbeit und der Wohnungssuche nicht sehr viel Zeit für all die vielen Sachen, die es hier zu tun und sehen gibt. Andererseits erkundet man durch die vielen WG-Besichtigungen doch den einen oder anderen Kiez und kann auch ein wenig über den Querschnitt der jungen Berliner Bevölkerung lernen. Auf die Frage, wo es denn sinnvoll wäre hinzuziehen, war die gängigste Antwort unter den Zugezogenen: Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg oder Neukölln. Würde man nach der Gentrifizierung fragen, bekäme man vermutlich eine ähnliche Antwort.

Am Prenzlberg wurde sie bereits abgeschlossen, in Nord-Neukölln hat sie erst vor kurzer Zeit angefangen, und dazwischen ist sie noch im vollen Gange. Zu erörtern, was genau dies für wen bedeutet, würde hier wohl zu weit führen. Auf jeden Fall zitierte ein Freund die klassische Aussage zum Zustand der Stadt aus dem Munde eines typischen Berliners mit “War schon mal besser hier…” – in entsprechender Mundart, versteht sich.

Das kann ich mir gut vorstellen. Andererseits war es vermutlich auch schon mal schlechter hier. Als Berlin-Neuling traue ich mir hier noch kein Urteil zu. Aber ich finde, man darf nicht vergessen, dass Städte gerade durch Veränderungen spannend bleiben. Das soll selbstverständlich nicht bedeuten, dass man als Immigrant, Künstler, Hippster oder Normalbürger das Feld den profitorientierten Investoren überlassen soll. Und natürlich finde ich, dass das Tempelhofer Feld unbebaut bleiben sollte, wie man mich unweit bei einer Wohnungsbesichtigung skeptisch nach meiner Meinung als angehender Architekt fragte. (Dass der Architekt hier eher wenig zu entscheiden hat und es sich tatsächlich aus seiner Perspektive um ein Dilemma handelt, habe ich aber nicht mehr versucht zu erklären.)

Man kann an folgender Stelle gerne anderer Meinung sein, zumal Wien ja bereits mehrfach in Folge als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet wurde. Doch gerade als jemand, der im schönen, sauberen und geordneten Wien aufgewachsen ist, empfinde ich Veränderungen in der Entwicklung einer Stadt prinzipiell als etwas Wünschenswertes. Dass es dabei schwierig bis unmöglich ist, es allen Recht zu machen, ist klar. Aber wer weiß – vielleicht gibt es ja in Berlin Problembezirke, in denen eine Gentrifizierung durchaus erwünscht wäre…

Die Baumeister Academy wird unterstützt von Graphisoft.

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