02.04.2020

Wohnen

Zeitlose Familienangelegenheit

Der Blick von der Straße aus: Unscheinbar wie eine Scheune. © Florian Holzherr

Der Blick von der Straße aus: Unscheinbar wie eine Scheune. © Florian Holzherr

Seit Winter 2019 erstrahlt eine denkmalgeschützte Flachsbrechstube in Pfifferloh, einem kleinen Dorf im Chiemgau, in neuem – und altem – Glanz. Architekt Max von Werz erweiterte den historischen Bestandsbau aus dem 18. Jahrhundert. Das Besondere: Sein Großvater und sein Onkel sind ebenso für jeweils ein Haus im Dorf verantwortlich. In einem Interview erklärt Max von Werz wie sie ihn beeinflussen.

Die denkmalgeschützte Flachsbrechstube aus dem 18. Jahrhundert überzeugte zunächst durch ihren ursprünglichen Erhaltungszustand und ihre Seltenheit: 40 Zentimeter massive verputzte Klaubsteinmauern, ein zugehöriger Klaubsteinkamin, schöne Holzdielenböden und ein flaches Satteldach. Diesen Bestandsbau in dem kleinen Chiemgauer Dorf Pfifferloh zu erhalten und zu erweitern, war Ziel des entwerfenden Architekten Max von Werz. Entstanden ist dabei ein kompaktes Landhaus.

Ein flaches Satteldach, Holzverkleidung und Klaubsteinmauern: Der Anbau der denkmalgeschützen Brechstube greift die Material- und Formsprache des Bestandbaus auf. © Florian Holzherr
Der Grundriss der Flachsbrechstube macht es deutlich: Im rechten Winkel fügt sich der Anbau (rot) an den Bestandbau (schwarz). © Max von Werz
Die bodentiefen Südfenster in Richtung der Alpen lassen sich vollständig öffnen. © Florian Holzherr
Die Flachsbechstube von Max von Werz liegt dem Haus seines Großvaters und dem seines Onkels im Chiemgauer Dorf Pfifferloh gegenüber. © Max von Werz
Vor dem Abriss bewahrt: Die denkmalgeschützte Flachsbrechstube aus dem 18. Jahrhundert überzeugte durch den ursprünglichen Erhaltungszustand und ihre Seltenheit: 40 Zentimeter massive verputzte Klaubsteinmauern und ein flaches Satteldach. © Max von Werz

Die Geschichte bleibt von Aussenstehenden unbemerkt

Der Architekt Max von Werz setzte im rechten Winkel zum Bestandsbau einen Neubau, der Patina, Material- und Formsprache der historischen Brechstube aufnimmt. Das flache, kupferne Stehfalzdach und die einnehmende, äußere Holzverschalung färben sich mittlerweile dunkel ein. Materialien wie Beton, Glas, Stahl, und Kupfer greifen den Altbau auf oder ergänzen ihn. Durch einen hellen Verbindungsgang fügt sich der Neubau so an die Brechstube an, dass sich der rechte Winkel bildet und mit ihm eine Art Hof, eine Privatsphäre entsteht. Hier öffnen sich die großen Südfenster in Richtung der Alpen vor der bodentiefen Verglasung über die volle Breite und Höhe hin zur großen Terrasse. So präsentiert sich der Neubau wie eine Orangerie, wie das Sommerhaus zur Brechstube und wird im gesamten Bau hindurch von Sonne geflutet – auch im Winter.

3 Generationen, 3 Häuser

Beide Bauten gehen trotz ihrer Unterschiedlichkeit eine Symbiose ein und besitzen dennoch einen eigenen Entfaltungsraum: Darauf achtete bei der Ausführungsplanung und Bauüberwachung Anja Eckert und das Architekturbüro Stephan Wildgruber. Optisch ist der Neubau wie eine Scheune für Außenstehende unauffällig und abgeschirmt durch die wenigen bis keine Fenster. Ebenso unbemerkt von Außenstehende ist die Geschichte der Brechstube und die enge Verbundenheit, die die dort lebende Familie zu ihr und dem Chiemgauer Dorf Pfifferloh besitzt.

Im Jahr 1964 baute der Architekt Helmut von Werz in der Gegend ein Wochenende- und Ferienhaus für sich und seine Familie. Knapp 55 Jahre und drei Generationen später entwirft der junge Architekt Max von Werz die Erweiterung der denkmalgeschützten Flachsbrechstube im Auftrag seines Vaters. In direkten Dialog tritt Max von Werz jedoch mit zwei anderen Familienmitgliedern – oder vielmehr mit ihren Bauten, wie er verrät:

Der Blick von der Straße aus: Unscheinbar wie eine Scheune. © Florian Holzherr
Der Blick von der Straße aus: Unscheinbar wie eine Scheune. © Florian Holzherr
Wie aus einem Guss: Links der Altbau und rechts der Neubau. © Florian Holzherr
Der Anbau der Brechstube ist ein großer Raum? Jein. Der Grundriss schafft Klarheit. © Florian Holzherr
Der kleine Gang, der alles verbindet und in dem sich unscheinbar ein Gäste-WC versteckt. © Florian Holzherr

“Mit jeder Generation wird das Dorf weitergestrickt.”

Max, dein Großvater Helmut von Werz hat in den 60ern ein Haus gebaut, dass die gebaute Umgebung aufgreift, sich in Form, Größe und Materialsprache an die großen alten Bauernhäuser des Dorfes und des Alpenvorlandes anlehnt. Damals galt es sogar als Musterbeispiel für das Bauen auf dem Lande. Dabei besitzt das Holzhaus kein rustikales Ornament, sondern wirkt zeitlos und unverfälscht. Dein Onkel Franz Moll, ebenfalls Architekt, baute 25 Jahre später, 1989, ein Haus neben das deines Großvaters. Auch er trat in Dialog mit der gebauten Umgebung, aber insbesondere mit dem Bau deines Großvaters. Nun sind 30 Jahre vergangen und du hast eine Brechstube aus und für den Familienbesitz erweitert. Wie haben dich dabei die Bauten deines Großvaters und Onkels, die in unmittelbarer Nähe zu deinem Bau stehen, beeinflusst?

Auf ganz ähnliche Weise wollte ich bei meinem Projekt einen kreativen Dialog zwischen Alt und Neu herstellen. Umbau und Erweiterung der Flachsbrechstube sollten ein kohärentes Ensemble bilden und sich als eine Art Hof wahrnehmen. Bei allen drei Projekten war also die treibende Idee die gebaute Umgebung neu zu interpretieren. So wird quasi mit jeder Generation das gebaute Gewebe des Dorfes ein Stück weitergestrickt.

“Mein Großvater fand eine interessante Balance zwischen der Avantgarde und der Bewahrung.”

Was bedeutet es für dich, den „Fußstapfen“ deines Großvaters und Onkels zu folgen?

Für mich ist es etwas Besonderes, an die Geschichte der beiden anknüpfen zu dürfen. In einer Branche, die oftmals besessen ist von Neuheit und Originalität ist es erfrischend, zurückzublicken und von der Vergangenheit zu lernen. Mein Großvater ist 1990 verstorben und obwohl ich mich gut an ihn als Menschen erinnere, waren es noch zehn Jahre bevor ich mein Architekturstudium antrat. Weitere 14 Jahre später hatte ich eine besondere Gelegenheit, von ihm als Architekten zu lernen: Ich wirkte an der ersten Architektenmonographie über ihn (Verlag Birkhäuser) und einer begleitenden Ausstellung mit. Es war eine außerordentliche Chance für mich die Arbeiten seines Büros Werz, Ottow, Bachmann, Marx im Detail kennenzulernen.

Was fasziniert dich am meisten an seiner Arbeit als Architekt?

Besonders seine wichtige Rolle beim Wiederaufbau Münchens beeindruckt mich. Seine Arbeit und die Philosophie der Münchner Nachkriegsarchitektur, einen Altbau als etwas Lebendiges, das weiterwächst, sich weiterentwickelt und anpasst, zu verstehen, beeinflusst jetzt die Arbeit meines Büros und wie wir das Bauen im Bestand hier in Mexiko angehen. Mein Großvater fand eine interessante Balance zwischen der Avantgarde und der Bewahrung. Seine Tätigkeiten waren beispielhaft dafür wie Tradition und Fortschrittlichkeit sich nicht gegenseitig ausschließen müssen. Davon schneide ich mir gerne ein Stück ab.

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