03.04.2020

Event

5 Fragen an Christoph Ingenhoven

Christoph Ingenhoven fotografiert von Jim Rakete.


Kosten reduzieren, Mitarbeiter motivieren, Nerven behalten …

Zu lange Lieferketten, zu hoher Verbrauch, zu wenig Substanz, zu wenig Solidarität, zu wenig Europa, zu viel Populismus, zu wenig work, zu viel life: Für Christoph Ingenhoven legen die Folgen der Corona-Pandemie gnadenlos die Versäumnisse der vergangenen Jahre offen. Seinen Optimismus verliert er dadurch aber noch lange nicht. Wir haben uns mit ihm unterhalten.


10_L1100518_bearbeitet
Christoph Ingenhoven fotografiert von Jim Rakete.

Christoph Ingenhoven, wie erleben Sie und Ihr Büro diese Tage?
Da ich auf Reisen im Engadin und London war, Reisen nach Cannes und Riad wurden kurzfristig abgesagt, und mir die Rückkehr in die Schweiz verwehrt war, bin ich schließlich in Düsseldorf gelandet, wo auch der größere Teil unserer Großfamilie aus London, New York, München mittlerweile eingetroffen war. Meine Lebensgefährtin ist mit ihren Kindern in London geblieben und eine Tochter unabkömmlich im Krankenhaus eingesetzt, gut dass die Häuser groß genug für so etwas sind… Das Büro hat 45 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice, 45 Prozent weiterhin stationär im Office, 5 Prozent krank gemeldet, 5 Prozent im Urlaub. Wir alle bemühen uns sehr mit Video- und Telefonkonferenzen unsere Arbeit zu tun, was uns gemeinsam auch gut gelingt.

Knapp die Hälfte Ihrer Mitarbeiter sind also im Homeoffice. Wie schnell war das möglich und: Geht alles weiter wie gehabt?
Den Wechsel haben wir innerhalb weniger Tage bewerkstelligt. Jeder kann seinen Computer und Bildschirm mitnehmen. Wer Laptop bevorzugt, hat das früher bereits teilweise getan, für alle anderen ist es eine neue Situation, an die man sich aber nach ein paar Tagen – insbesondere mit entsprechender Disziplin in der Vorbereitung der Telefonkonferenzen – auch gewöhnt. Das ist keine Dauerlösung und in normalen Zeiten auch nicht gut für Team und Qualität unserer Arbeit, die vom gemeinsamen Denken, Zeichnen und Sprechen lebt. Für den Moment aber sichert dies unsere Handlungsfähigkeit. Gut, dass wir durch die Internationalisierung unserer Projekte in vielen, sehr verschiedenen Ländern gewohnt sind in unterschiedlichen Zeitzonen schon immer zu einem Teil virtuell zu arbeiten.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und ihr Team derzeit?
Termine und Verpflichtungen gegenüber unseren Auftraggebern einhalten, Kontakt zu den Bauherren halten, bezahlte Arbeit unbezahlter vorziehen, die Projekte in der Endscheidungsphase vorsichtig über die Ziellinie schieben, realistisch einschätzen wie das Jahr weitergeht, Stresstests fahren, Kosten reduzieren, Mitarbeiter motivieren, Nerven behalten, Qualität hoch halten, Humor nicht verlieren, neue Aufträge für die Zeit während und nach der Krise finden, Wettbewerbe gewinnen …

“Nach der Krise seid ihr alle erwachsener.”

Sie haben noch weitere Büros in Sydney und Singapur. Wie ist die Lage dort?
Singapur arbeitet relativ normal weiter und da dort zurzeit neben den singapurischen Projekten auch ein größerer Teil unserer australischen Projekte in Sydney und Melbourne bearbeitet wird, ist die Auslastung auch sehr gut. Die Eröffnung unseres Projektes Toranomon Hills in Tokyo ist verschoben, obwohl das Projekt fertiggestellt ist. Ein zweites Hochhaus dort ist mitten im Bau und wird dann wohl zur verschobenen Olympiade nächstes Jahr eröffnet.

 Architekturstudenten fragen sich, wie sie trotz Ausgangsbeschränkung im Team ihre Aufgaben fertigstellen sollen. Was raten Sie diesen?
Das sollte für diese Generation kein Problem sein, Face Time, Zoom, Microsoft Teams, Skype …, die können das. Die Krise ist eine Chance, sie legt unsere Versäumnisse und shortcomings gnadenlos offen: zu lange Lieferketten, zu hoher Verbrauch, zu viel Marketing, zu wenig Substanz, zu geringe Fertigungstiefe, zu wenig Solidarität, zu wenig Europa, zu viel Populismus, zu wenig work, zu viel life, ohne Emissionen ist die Welt viel schöner, weniger Autos sind kein Fehler, Kinderbetreuung ist schwer zu ersetzen, unsere Kleinbetriebe sind schlecht finanziert.

Jeder versucht sein Problem zu allererst beim Staat loszuwerden, nicht nur die wirklich in Not geratenen, sondern auch die, die jahrelang allen Profit stets zeitnah aus der Firma genommen haben. Wenn wir etwas daraus lernen, kann es sehr gut gewesen sein und wenn wir die Krise hinter uns haben, seid ihr alle deutlich erwachsener, stay alive!

Scroll to Top