03.05.2022

Wohnen

Wohnhaus am Ammersee von Florian Nagler

Florian Nagler Architekten haben in Mitterfischen am Ammersee ein Wohnhaus gebaut, dessen Qualitäten dezent aber klar erkennbar sind. Gleichzeitig nutzt der Architekt den Neubau, um sein Konzept „einfach bauen“ in einer neuen Variante zu erproben.

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz
Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz

Mitterfischen ist Bayern wie aus dem Bilderbuch. Sanfte grüne Hügel an deren Fuß sich der Ammersee erstreckt. Die berühmte Kloster Andechs grüßt mit seinen Türmen herüber und am Horizont ragen die Alpen auf. Obwohl München keine 50 Kilometer entfernt ist, hat sich der Ort dennoch nicht zu einem Millionärsrefugium entwickelt. Das ist nicht überall am Ammersee so. Die Bebauung der Wohnstraßen ist uneinheitlich und spiegelt die Entwicklung von Mitterfischen wider. Alte Höfe und erste Einfamilienhäuser aus der Vorkriegszeit, daneben Bausparer-Eigenheime aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Im neuen Jahrtausend gesellten sich auch anspruchsvollere Neubauten hinzu. Viel Holz als Reminiszenz an das alpenländische Bauen, große Fenster, zurückhaltend moderne Formen – Häuser, wie sie gern in Wohnmagazinen abgebildet werden.

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz
Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz

Supernormal in Mitterfischen

 

Der Neubau von Florian Nagler Architekten, der nun an einer solchen Wohnstraße in Mitterfischen entstanden ist, gehört zu keiner dieser Haustypen. Bei einem flüchtigen Blick könnte einem der Fehler unterlaufen, ihn für banal zu halten. Dabei verfolgt Nagler hier vielmehr einen Ansatz, der dem britischen Designer Jasper Morrison nahesteht. Morrison prägte die Idee des „super normal“ – einem Design, dass ideale Archetypen hervorbringen will. Seine Arbeiten gehen daher immer von Formen aus, die längst zum ästhetischen Allgemeingut geworden sind. Florian Naglers Haus am Ammersee hat mit seinem massiven Erdgeschoss, seinem Obergeschoss mit dunkel gestrichener Holzverschalung und seinem roten Satteldach tausende Verwandte im Münchner Umland.

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz
Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz

Die Unterschiede zu dieser Verwandtschaft offenbaren sich auf den zweiten Blick. Das Erdgeschoss etwa ist kein verputztes Mauerwerk. Es besteht aus massivem Leichtbeton. Denn das Einfamilienhaus ein direkter Abkömmling von Naglers Experimentalgebäuden in Bad Aibling. Die sollen Naglers Ansatz des „einfach bauen“ (vgl. Baumeister 11/21) sowohl illustrieren als auch erproben. Je ein Gebäude in Bad Aibling hat Florian Nagler als massiven Holzbau, massiven Betonbau und massiven Ziegelbau errichtet. Es ist der Versuch, das Bauen wieder handhabbar und zugleich nachhaltig zu machen. Auch in Mitterfischen ist das Erdgeschoss einschalig und unbewehrt. Das Obergeschoss führten Florian Nagler Architekten dagegen aus dämmenden, massiven Holzelementen aus. Der Neubau am Ammersee ist also in puncto Bautechnik und Nachhaltigkeit absolut „state of the art“.

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz
Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz

Einfacher Luxus

 

Ästhetisch treibt Florian Nagler in Mitterfischen ein subtiles Verwirrspiel. Das beginnt bei der Farbigkeit – oder vielmehr bei der Nichtfarbigkeit. Fast scheint es, als hätten Nagler Architekten einen zarten Grauschleier über das Haus gelegt, der ihm gegenüber den Nachbarbauten eine leichte Unschärfe verleiht. Es wirkt weniger präsent als die Nebenhäuser, fast etwas ätherisch. Dabei sind alle Umrisse, alle Kanten, Spalten und Öffnungen höchst präzise gearbeitet. Das gesamte Haus atmet eine enorme handwerkliche Qualität, die es trotz der nur mäßigen Größe sehr gediegen, ja luxuriös erscheinen lässt.

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz
Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen, Foto: Schels, Lanz

Die feinen Schreinerarbeiten, die Naglers Bauten durchweg zeigen, setzen sich im Innern fort. Der doppelstöckige Wohnraum im Zentrum des Hauses lässt die unterschiedlichen Konstruktionsmaterialien der beiden Etagen sichtbar. Während die Wände im Erdgeschoss fast skulptural geformten Beton zeigen, bestimmt im Bereich darüber helles Nadelholz das Bild. Auch hier bedarf es eines zweiten Blickes, um hinter der vordergründigen Schlichtheit den durchdachten Entwurf zu erkennen. Aber das ist beabsichtigt. Florian Naglers Haus in Mitterfischen will niemanden beeindrucken. Es will denjenigen überzeugen, der sich die Zeit nimmt, es genauer zu betrachten.

Noch ein ganz einfaches Haus in traumhafter Landschaft: Villa von Atelier ordinaire am Lac de Gérardmer

Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen
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Florian Nagler Architekten: Haus in Mitterfischen
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