14.05.2020

Event

Wie sieht das Landleben heute wirklich aus?

Ausstellung

Die Ausstellung „Countryside, The Future“ im New Yorker Guggenheim-Museum will das wahre Landleben zeigen: futuristischer und smarter als jede Großstadt. Rem Koolhaas, AMO (die Forschungsabteilung von OMA) und viele andere Beteiligte untersuchen darin die Ursachen für den radikalen Wandel in den ländlichen Regionen der Welt.

Ausstellung, Countryside, The Future, Foto: David Heald, © Solomon R. Guggenheim Foundation
Ausstellung: Countryside, The Future, Foto: David Heald, © Solomon R. Guggenheim Foundation
Laurian Ghinitoiu courtesy AMO

Ein Mammutprojekt

Ist das tatsächlich Stalin, der da auf einen zurollt? Ja, die mannsgroße Pappfigur im Elektrowägelchen auf der weltbekannten, abschüssigen Galerie des New Yorker Guggenheim-Museums ist Stalin. Warum ist Stalin im Guggenheim? Weil der sowjetische Führer nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile der Sowjetunion umformte, und genau darum geht es hier: um die Umformung ländlicher Gebiete.

Die Ausstellung „Countryside, The Future“ schlägt den ganz großen Bogen vom Land über die Landschaft, Landwirtschaft und die Dörfer durch die Welt- und Menschheitsgeschichte. Der Weg hinauf in der Guggenheim-Rotunde führt den Besucher von den alten Römern und Chinesen über Marie Antoinette und ihre Landhäuser bis zur Eroberung der amerikanischen Prärien durch weiße Siedler; von Hitlers Autobahnen ins Chile nach Pinochet, von der Kernfusion bis zu den Mammuts in Sibirien, die nun gezüchtetwerden können, weil der vom Permafrost befreite Boden deren DNA freigibt – allerdings leider auch giftige Methangase freisetzt. Es ist ein gewaltiger Bilderbogen mit Fotos, Karten, Wandteppichen, Videoprojektionen, Gemälden, Erklärungstafeln und Bildschirmen, der die spiralförmige Galerie bespielt, und es hilft dem Überblick nicht, dass einige der Infotafeln auf dem Boden angebracht und nur in entgegengesetzter Richtung zu lesen sind.

Die Ausstellung, die sich sechs Ebenen hinaufschraubt, wurde von Rem Koolhaas konzipiert, dem holländischen Architekten, Architekturphilosophen, früheren Journalisten und Drehbuchautor, der heute an der Harvard-Universität lehrt, zusammen mit Samir Bantal, der AMO leitet, und Troy Conrad Therrien vom Guggenheim-Museum. Beteiligt waren aber selbstverständlich auch zahlreiche andere: Architekten des von Koolhaas in Rotterdam gegründeten Büros Office for Metropolitan Architecture sowie Studenten und Wissenschaftler der Harvard Graduate School of Design, der University of Nairobi, Kenia, der holländischen Wageningen University, der Design Academy Eindhoven, der Waseda University in Tokio und der Central Academy of Fine Arts in Peking. Allein diese Vielzahl der Mitarbeiter dürfte eine Erklärung für die Fülle des Materials sein.

Koolhaas, der bereits das Guggenheim-Hermitage-Museum in Las Vegas entworfen hat, ist in den USA vor allem durch sein 1978 erschienenes Buch „Delirious New York: A Retroactive Manifesto for Manhattan“ berühmt geworden. Deshalb ist es eine gewisse Ironie, dass sich ein ausgewiesener Urbanist nun für das Landleben begeistert. Koolhaas glaubt, dass nicht die Stadt, sondern nur das Land Zukunft hat, denn dort finden interessante Veränderungen statt. Nach einer UN-Statistik von 2014 lebt die Hälfte der Weltbevölkerung auf dem Land. Die Erdoberfläche sei sogar zu 98 Prozent nicht-städtisch. Wobei die Ausstellungsmacher allerdings sehr viel einbeziehen: von der Sahara über den Himalaya bis zum Barrier Reef, vom Universitätscampus im Silicon Valley bis zum Industriepark bei Den Haag.

Motor des größten Wandels: der technische Fortschritt

Am Beginn der Museumsrampe empfängt den Besucher ein Schweizer Dorf bei St. Moritz, wo Koolhaas einst Urlaub machte. Hier definiert die Größe der mittelalterlichen Tore, welche Fahrzeuge passieren können. Heute sind wohlhabende Städter aus Mailand zugezogen, die sich mit den Türen ihrer neuen Häuser zwar an der mittelalterlichen Gestaltung orientieren, aber nicht mehr an den Dimensionen. (…)

Den Artikel lesen Sie im B5: Städtisches Land – ländliche Stadt.

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