06.11.2017

Gewerbe

Warum mögen Volkswirte Architekten nicht?

 

Es hat schon Tradition: Immer wenn ein neuer Präsident ins ifo-Institut kommt, stellt er nach einigen Monaten die Architektenumfrage ein. Warum treffen Top-Ökonomen eigentlich vorschnell solche lieblosen Entscheidungen? Vor 15 Jahren ignorierten mein damaliger Chef und ich einfach diese Entscheidung. Und nach ein paar Jahren war die Grafik zum Auftragsbestand der Architekten sogar eine der Lieblingscharts von Professor Sinn bei etlichen seiner Vorträge. Heute ist die Situation anders, und ich bin auch nicht mehr dabei. Schade, dass es die Umfrage nicht mehr geben soll, denn ich hätte als Kolumnist auch einmal nicht nur über neue Rekorde berichtet. So wie heute.

Denn nach den Ergebnissen der Umfrage des ifo-Instituts ist das Geschäftsklima bei den befragten Architekten zu Beginn des dritten Quartals 2017 nicht nur weiterhin sehr gut. Es ist mittlerweile sogar so gut wie noch nie seit Beginn dieser Umfrage vor knapp 40 Jahren. Die „kleine dunkle Wolke“, die im Vorquartal zu beobachten war, ist somit sehr schnell wieder verschwunden. Bereits seit rund eineinhalb Jahren kann damit das Geschäftsklima bei den Architekten als erfreulich gut bezeichnet werden.

Weiterhin heiter

Besonders beeindruckend ist dabei die Einschätzung der derzeitigen Geschäftssituation durch die Architekten. Sie fiel nochmals deutlich besser aus als in den Vorquartalen. Damit hat sich – nach den Urteilen der befragten Architekten – ihre Geschäftslage über rund 13 Jahre hinweg nahezu kontinuierlich verbessert. Nur noch knapp 10 Prozent der freischaffenden Architekten bezeichneten ihre derzeitige Auftragssituation als „schlecht“, der Anteil der „gut“-Urteile war mit 58 Prozent rund sechs Mal so hoch. In jedem dritten Bundesland war sogar keiner der befragten Architekten mit seiner Geschäftslage unzufrieden.

Bei derart guten Lageurteilen überrascht es nicht, dass nur noch wenige Architekten davon ausgehen, dass sich ihre Geschäftslage in den nächsten Monaten noch verbessern könnte. Dennoch überwogen erneut die eher optimistischen Meldungen. So erwartete im Spätsommer dieses Jahres immer noch jeder siebte Architekt eine „eher bessere“ Auftragssituation in einem halben Jahr, lediglich acht Prozent eine „eher schlechtere“. Demzufolge ging der größte Teil (gut drei Viertel) davon aus, dass es in den nächsten sechs Monaten zu keinen nachhaltigen Veränderungen kommen dürfte.

Die ausgezeichnete Geschäftslage zeigt sich auch in hohen Auftragsbeständen, die die meisten Büros aufweisen. Seit Beginn des Jahres liegen die Auftragsreserven nämlich im Durchschnitt bei über sieben Monaten, wobei die Spannweite mit Werten zwischen zwei und 14 Monaten ein ganzes Jahr beträgt.

Der Mehrfamilienhausbau boomt

Die Domäne der von Architekten geplanten Bauwerke ist weiterhin der Wohnungsbau. Über fast zehn Jahre hinweg dümpelten die an Architekten vergebenen Aufträge zur Planung von Wohngebäuden auf einem äußerst niedrigen Niveau dahin. Erst 2010 zeigte sich eine – zunächst bescheidene – Belebung, die jedoch in den darauffolgenden Jahren sichtlich an Fahrt gewann. Insbesondere der Mehrfamilienhausbau explodierte förmlich: Gegenüber den durchschnittlich spärlichen Volumina im vorangegangenen Jahrzehnt erfolgte mehr als eine Verfünffachung der Planungsvolumina im Verlauf von nur sechs Jahren.Dennoch lässt die Zahl der derzeit fertiggestellten Wohnungen zu wünschen übrig. Es dürften heuer zwar fast doppelt so viele Wohnungen neu errichtet werden wie 2009, dem Jahr des bisherigen Tiefpunkts. Aber die Fertigstellungen werden mit rund 265 000 Einheiten weiterhin unter dem Bedarf liegen. So hat das renommierte Prognos-Institut in einer aktuellen Studie darauf hingewiesen, dass in Deutschland – aufgrund einer viel zu geringen Bautätigkeit in den vergangenen Jahren bei einer gleichzeitig kräftigen Zunahme der Bevölkerung – rein rechnerisch rund eine Million Wohnungen fehlen. Es dürfte somit spannend werden, wie schnell sich die gebildete 
Koalition dieser Problematik stellen wird.

Auch im Wirtschaftsbau verläuft die Entwicklung recht positiv. Nach dem tiefen Einbruch 2009 bei den Aufträgen im Gefolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich die Auftragseingänge mittlerweile fast verdreifacht. Und das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn die Prognostiker gehen nahezu einhellig davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum auch 2018 und 2019 in der Größenordnung von zwei Prozent bewegen wird. Die Arbeitslosigkeit ist heute so niedrig wie letztmals ein Jahr nach der Wiedervereinigung. Trotz langsam steigender Inflationsraten sind die Lohnzuwächse immer noch moderat. Und gleichsam das Sahnehäubchen für alle investitionsbereiten Unternehmen sind traumhaft niedrige Zinsen.

Ganz im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank, die bereits 2016 angefangen hat, in kleinen Schritten die Zinsen zu erhöhen, ist davon bei der Europäischen Zentralbank noch nichts zu merken. Ganz im Gegenteil, bei der letzten Sitzung der EZB verkündete ihr Chef, Mario Draghi, dass es Zinssenkungen noch lange nicht geben wird und er sich sogar vorstellen könne, dass die Anleihekäufe von zur Zeit 60 Milliarden Euro monatlich bei Bedarf noch erhöht werden. Das bedeutet einen weiterhin enormen Kaufkraftverlust für Zinsanleger, aber goldene Zeiten für Investoren.

Neubau wird seltener

Wenn man lediglich auf die Aufträge für Neubauten sieht, bietet sich im Sektor der öffentlichen Hochbauten ein tristes Bild: Seit 2012 befinden sich die Auftragseingänge im Sinkflug. Das Bild verändert sich jedoch total, wenn man auch die Aufträge für Planungen an bereits bestehenden Gebäuden berücksichtigt. Im Wesentlichen sind dies Umbauten, Modernisierungen oder Instandsetzungen. Es zeigt sich nämlich dann, dass bereits seit rund einem Jahrzehnt in vielen Jahren die Aufträge für Neubauplanungen ein geringeres Gewicht hatten als Aufträge, die Bestandsmaßnahmen betreffen. Betrachtet man beispielsweise den Zehn-Jahres-Zeitraum ab 2007, so waren die gesamten Auftragsvolumina für Arbeiten im Bestand bereits rund zehn Prozent größer als für Neubauten.

Ich möchte mich als Kolumnist nicht verabschieden, ohne nochmals auf meine eingangs erwähnten Ereignisse zurückzukommen. Ich „durfte“ – als Bauingenieur – über 40 Jahre mit einem Heer von hochkarätigen Volkswirten im ifo-Institut zusammenarbeiten. Ja, ich gebe zu, Volkswirte sind nicht einfach. Aber ich glaube nicht, dass sie prinzipiell etwas gegen Architekten haben. Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass sie einfach zu wenig über Architekten wissen. Wie wäre es daher, wenn Sie bei einer Ihrer nächsten Veranstaltungen einmal einen Volkswirt referieren lassen? Es wäre zumindest ein Anfang…

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